Das Interview mit Markus Keimel zu seinem Buch Wörter Haben Seele

Buchtitel: Markus Keimel – Wörter Haben Seele

Sprache: Deutsch

Seitenanzahl: 60 Seiten

Genre: Gedichte, Melancholie, Emotionen

Release: 2011 / 2015

Autor: Markus Keimel

Link: www.woerterhabenseele.jimdo.com

Verlag: Eigenproduktion

Buchform: Taschenbuch, E-Book

Markus Keimel Künsler Sep 2015 Bild

Time For Metal / Rene W.:

Hallo Markus,

wir sind heute zu einem ganz lockeren Gespräch zusammengekommen, um über dein Buch Wörter Haben Seele zu plaudern. Als erstes interessiert mich brennend wie du zur Literatur gestoßen bist.

Markus / Keimel:

Hallo René,

also wenn ich sagen würde, mich hätte Literatur als solche schon immer interessiert, würde ich glatt lügen. Ich kann mich noch erinnern als mich meine Lehrerin in der Schulzeit mit Goethe und Konsorten quälte. Damals hätte ich mir nicht gedacht so etwas jemals wieder freiwillig zu lesen. (lacht) Ich denke, ich bin wieder oder überhaupt zur Literatur gestoßen weil ich Musiker war und bin, weil ich seit früher Jugend ein spezielles Interesse an Kultur und Kreativität hatte und habe. Ich habe auch immer schon Songtexte geschrieben. Als wissbegieriger und kreativer Mensch kannst du unmöglich an Büchern vorbeikommen oder? Ich kann mir nicht vorstellen dass das funktionieren soll. Es hat wohl das Eine zum Anderen geführt. Als kleiner Junge habe ich übrigens Bücher von Thomas Brezina, ein großartiger österreichischer Kinderbuchautor, verschlungen. Lesen im frühkindlichen Alter führt mal definitiv zu einem intensiven Sprachverständnis. Vielleicht zündet es auch so ein kleines Feuer im Sinne von Liebe zur Literatur. (schmunzelt)

Diesen entscheidenden, einen magischen Moment, gab es aber in der Weise nicht glaube ich. Man legt sich nach und nach vermeintliche Klassiker zu, Bücher die sozusagen im Bücherregal stehen müssen, liest sie und rutscht da förmlich rein. Das geht aber jedem gleich denke ich.

Time For Metal / Rene W.:

Seitdem ich die Schulbank nicht mehr drücke, ist mir kein Gedicht mehr in die Hände gekommen, was sich erst mit deinem Wörter Haben Seele geändert hat. Wie bist du zu dieser speziellen Form des emotionalen literarischen Ausdrucks gekommen?

Markus / Keimel:

Da gibt’ s definitiv viele verschiedene Gründe die dazu geführt haben. Zum einen habe ich eben immer schon sehr poetische und lyrische Songtexte für meine Bands (Lydia’s Gemstone, SUMOSTAR) und Musikprojekte geschrieben. Für mich musste das immer schon sehr metaphorisch klingen, Interpretationen zulassen, Lyrik sein. Es gibt Bands deren Lyrics lesen sich als hätte sie ein Kleinkind verfasst. Mich hat das schon immer angewidert. Alles zu einfach. Zu banal. Ohne Tiefsinnigkeit. Das heißt allerdings auf keinen Fall dass ich denke das solche Texte nicht funktionieren würden. Es ist halt nur nicht meines. Auf die Art von Musik kommt das natürlich auch an.

Diese Texte waren halt ausschließlich in englischer Sprache verfasst. Also die meinigen meine ich vor allem. Ich habe irgendwann gemerkt, dass es Gedanken und Themen gibt, die in diesen Stilen, die ich mit Musikprojekten bediene, keinen Platz mehr haben. Ich habe bemerkt dass ich mich beim Schreiben von Texten zur Abwechslung auch keinen vorgegebenen rhythmischen oder melodischen Mustern unterordnen muss. Zudem kommt der Fakt hinzu, dass ich eine besondere Liebe zu meiner deutschen Muttersprache entdeckt hatte. Sie ist absolut härter, griffiger und direkter als Englisch. Vielfältiger und intensiver. Im Endeffekt muss man auch diese Eleganz erwähnen, diese Feinfühligkeit, wenn man mit Worten bewusst, intensiv umgehen kann. Das kann man auch vermutlich eher in seiner Muttersprache. Die Sprache an sich ist ein essentielles und enorm wichtiges Instrument um sich mitzuteilen. Ihr wird irgendwie generell zu wenig Beachtung geschenkt beziehungsweise Wichtigkeit zugesprochen. Zumindest kommt mir das so vor. Es ist doch wunderschön und wichtig wenn man präzise in Worte fassen kann, was man fühlt und denkt.

Time For Metal / Rene W.:

Deine Gedichte ziehst du stets melancholisch auf, erzeugst tiefe Abgründe wie auch dunkle Stimmungen, die genug Platz zum Grübeln lassen. Woher kommen die Einflüsse, die Wörter Haben Seele prägen und was möchtest du dem Leser grundsätzlich mit auf die Reise geben?

Markus / Keimel:

Es ist mir bewusst, dass ich mit Wörter haben Seele fast ausschließlich negative Aspekte des Lebens thematisiert habe. Es gibt einige Menschen, die der Inhalt des Buches etwas schockiert hat. (lacht)

Diverse Brüche von Liebesbeziehungen, der Tod meines Bruders. Mein Hang und Drang zur Melancholie. Ein Blick auf negative Entwicklungen und Fakten. Der Zerfall von Mutter Natur, der verantwortungslose Umgang des Menschen mit ihr. Chaotische Partys in etwas tabu-behafteten Etablissements. Es war für mich an der Zeit Dinge zu verarbeiten, Druck abzulassen, sich mitzuteilen, all das in kreativer Form. In direkter und unverblümter Form. Naja, ab und zu auch in verblümter Form. Inhaltlich aber fast ausschließlich negative und chaotische Erlebnisse die es mitzuteilen galt. Aus dem Leben gegriffen. Das ist für den bürgerlichen, konservativen Typen, der es als Grenzgang ansieht, einmal im Jahr unter Woche auf einen Glühwein zu gehen, sicherlich eine Portion zu viel. Für solche Menschen wurde dieses Buch aber auch nicht geschrieben. Was die grundsätzliche Herangehensweise, die Art des Gedankengangs betrifft, kann ich Einflüsse von Nietzsche & Schopenhauer nicht leugnen. Sie sind es wohl die mich am meisten beeinflusst haben. Was ich meinem Leser mitteilen möchte? Hab ein riesiges Herz, Feingefühl und Sensibilität, und ein ebenso großes Bewusstsein. Es gibt leider zu viele Menschen da draußen die dieses sprichwörtliche „mit offenen Augen durch die Welt gehen“ etwas missinterpretieren. Ich will auch nicht immer so belehrend wirken muss ich dazusagen. Aber es wäre schön wenn immer mehr Leute damit beginnen würden, nebst Augen, auch Herz, Verstand und vor allem ihr Bewusstsein zu öffnen.

Time For Metal / Rene W.:

Wann wurden die ersten Gedichte von Wörter Haben Seele festgehalten und wie muss man sich die Produktionsphase vorstellen? Konntest du dich tagelang an den Schreibtisch setzen, um einen Beitrag nach dem anderen zu erstellen oder war es ein langjähriger Prozess?

Markus / Keimel:

Es war schon ein langjähriger Prozess. Teilweise wie man sich das klassisch so vorstellt. Teilweise chaotisch und völlig unspektakulär. Oftmals ist mir kurz vorm einschlafen was brauchbares eingefallen und ich habe es im Halbschlaf noch ins Handy gedrückt. Die Notizfunktion macht ziemlich Sinn muss ich sagen. (lacht)

Manchmal völlig kitschig, eine Jazzplatte am laufen, ein Glas Rotwein und eine Zigarre am Tisch.

Ich dachte da ab und zu, es bräuchte besondere Rituale um Kreativität zu wecken. Alles Blödsinn. Die Anfangsphase war wohl die intensivste. Da habe ich in drei bis vier Monaten wohl das halbe Buch verfasst. Das lag eben aber nicht an Ritualen, sondern bloß daran, dass ich viel zu sagen hatte und eine unfassbare große Schreibwut in mir trug. Es ging da auch so viel weiter weil es ein absolut neues und ungekanntes Gefühl war, sich hinzusetzen und zu schreiben. Das war auch völlig unkoordiniert und quasi ohne Zielsetzung noch. Ich habe nicht mit dem Schreiben begonnen weil ich ein Buch veröffentlichen wollte, sondern weil ich schreiben wollte. Ich denke, du schreibst am wenigsten Brauchbares wenn du dir vornimmst zu schreiben. Zumindest ist es bei mir so. Ich schreibe das Meiste eigentlich im Kopf, zu vermutlich ungewöhnlichen Tageszeiten, in definitiv ungewöhnlichen Situationen. Der Rest ist, es der Ordnung halber zu Papier zu bringen, um das Ganze nochmal visuell abzuchecken, zu arrangieren, zu verfeinern. Es zu finalisieren vermutlich.

Time For Metal / Rene W.:

Vom ersten Wort bis zum fertiggepressten Buch ist ganz sprichwörtlich viel Wasser die Elbe hinabgeflossen. Als Zwischenstufe wurde das E-Book gewählt. Wie emotional war für dich der Augenblick als du die erste Pressung in den Händen halten konntest?

Markus / Keimel:

Ich habe mich schon darüber gefreut dass es diese Sammlung an Texten nun als Buch gibt, aber relativ nüchtern wenn man das so sagen kann. Es war eher so ein Eingeständnis an sich selbst. Im Sinne von – war eigentlich längst überfällig. Ich muss mich mit dieser Gelegenheit auch bei allen Menschen bedanken die nach und nach, immer wieder gefragt haben ob es denn nicht möglich wäre WÖRTER HABEN SEELE auch in physischer Buchform zu bekommen. Auch bei den vielen Journalisten, Magazinen und Redakteuren die es bereits als E-Book rezensiert haben. Wäre diese große Nachfrage nicht beständig geblieben, hätte ich es nicht in Buchform veröffentlicht. Verlagsangebote gab es einige, die entsprachen allerdings überhaupt nicht meiner Vorstellung was die Verträge und deren Konditionen betraf. Über manche Verträge muss ich heute noch lachen.

Time For Metal / Rene W.:

Steht für die Zukunft ein großer Druck mit einem professionellen Verlag im Rücken im Raum oder bleibst lieber dein eigener Herr und vertreibst deine Werke als Eigenproduktion?

Markus / Keimel:

Das Buch Wörter haben Seele werde ich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in die Hände eines Verlags geben. Ganz einfach aus dem Grund weil es auch ohne Verlag wunderbar funktioniert. Ich bin sogar der Meinung, dass es so gut funktioniert, weil ich es ohne Verlag mache. Ich bezweifle daher auch dass ich das nächste Buch über einen Verlag veröffentlichen werde.

Time For Metal / Rene W.:

Bei einer Eigenproduktion bleibt alle Arbeit ganz unweigerlich an dem Künstler selber hängen. Konntest du helfende Hände um dich formieren, die dir einige Punkte abnehmen konnten oder warst du permanent auf dich allein gestellt?

Markus / Keimel:

Es gibt zum Glück schon einige Leute die mir bei dem Ganzen helfen. Mehr in Dingen allerdings, die sich am Rand abspielen, die aber natürlich auch enorm wichtig sind. Administrative Dinge. Im Grunde bin ich da aber schon auf mich allein gestellt. Ich habe das aber zu schätzen gelernt dass ich so vieles alleine mache, daher auch für viele Schritte alleinig verantwortlich bin, sie aber auch planen und selbst durchdenken kann. Du hast das Gesamtgeschehen viel besser im Griff. Ich kann auch einen gewissen Kontrollfreak in solchen Angelegenheiten nicht leugnen.

Time For Metal / Rene W.:

Wörter Haben Seelen besteht aber nicht nur aus deinen Gedichten, sondern auch aus Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Stammen die aus der gleichen Feder oder durfte sich ein zweiter Künstler in deinem Buch verewigen?

Markus / Keimel:

Ich hätte liebend gerne einen zweiten Künstler mit ins Boot geholt, speziell für diesen visuellen Effekt. Ich hatte da auch jemanden im Kopf, mit dem ich bereits zusammengearbeitet habe. Der hat mir aber abgesagt. Ich kann mir durchaus denken dass er das mittlerweile bereut. (lacht) Ich habe das Ganze dann selbst in die Hand genommen. Ich habe keine Ahnung wie das mit dem nächsten Buch aussehen wird, die Zukunft wird es zeigen.

Time For Metal / Rene W.:

Die Zukunft ist ein spannender Punkt: Was hast du für die nächste Zeit geplant? Steht ein zweites Werk in der Planung und wirst du Wörter Haben Seelen in öffentlichen Lesungen Interessierten näherbringen?

Markus / Keimel:

Zuerst steht jetzt mit absoluter Sicherheit mein Musikprojekt Sumostar an. Da nehme ich gerade das erste Album auf. Eine EP gab’s ja bereits vor zwei Jahren. Ich dachte es passiert etwas schneller bezüglich neuem Material. Mittlerweile bin ich aber froh mir so lange Zeit gelassen zu haben. Mit Sumostar habe ich noch vieles vor. Ich bin mit dem zweiten Buch auch schon ziemlich weit. Ein Buchrelease vor Mai 2016 geht sich aus, auf jeden Fall. Es wird aber kein Wörter haben Seele zwei. Nicht so schwermütig, mit einer gehörigen Portion an obszönem Humor, auch anders was die Thematik betrifft. Ich habe ursprünglich mit dem Gedanken gespielt, Lesungen zu machen. Ziemlich derbe. Mit einer Art Altar auf der Bühne, mit Kerzen beleuchtet, also kein künstliches Licht. Dazu selbstgemachte, ich würde sagen, sphärische und basslastige Musik. Ich wäre in dieser Idee sogar mit schwarzer Kutte auf die Bühne und hätte aus dem Buch gelesen. Mir hat mein Gefühl aber gesagt, dass das eher Selbstinszenierung als Lesung wäre. (lacht)

Time For Metal / Rene W.:

Literatur, Film und Musik bilden die drei Säulen, um persönliche Gedanken in Kunst zu verwandeln. Wie wichtig ist der Faktor Musik für dich und welche Genres bzw. Bands bevorzugst du?

Markus / Keimel:

Musik ist mein Leben. Musik bestimmt es zu jeder Sekunde. Ich bin Vollblutmusiker und komme eigentlich kaum klar damit, nicht jede einzelne Idee verwirklichen zu können – also auf Tonträger zu bringen. Ich bin aber drauf und dran diesbezüglich Schritt für Schritt zu gehen. (lacht)

Mit Sumostar kommt ein weiterer. Was Bands und Genres betrifft ist das bei mir sehr schwer zu sagen. Ich höre genauso gerne Frank Sinatra wie ich auch mal Immortal oder Steel Panther einlege. Klassik und Jazz liebe ich. Es ist aber alles stimmungsabhängig. Ich zähle sehr gerne mal einige meiner absoluten Lieblingsbands auf: Type O Negative, Megadeth, Coldplay, Danzig, Empire Of The Sun, Depeche Mode, Audioslave, A Perfect Circle, The Mars Volta, Keane, …es gibt da aber auch so ein paar Ausreißer. Bands von denen ich einzelne Alben sehr genial finde. „Cosmic Genesis“ von Vintersorg zum Beispiel, oder „Something Wicked This Way Comes“ von Iced Earth. Ungeschlagen als Geheimtipp gilt allerdings Godkiller, ein französischer Industrial-Typ der aus dem Black-Metal-Bereich kommt. Muss man gehört haben.

Time For Metal / Rene W.:

Wo kann man dich mal persönlich antreffen. Bist du der Konzertgänger und pilgerst von einem Festival zum anderen oder bist du lieber für dich in deinem Kämmerlein?

Markus / Keimel:

Wenn man mich gezielt treffen möchte ist es am klügsten wenn man mir auf Facebook eine Nachricht schreibt. Ich bin mal hier, mal dort. Natürlich auch gerne auf Konzerten und Festivals. Ab und zu bevorzuge ich natürlich dann auch das Kämmerlein. Aber meistens vor Ort und dann nicht allein. (lacht)

Time For Metal / Rene W.:

Ich bedanke mich für die offenen Worte und möchte dir nun die Möglichkeit geben, dich persönlich an deine und unsere Leser zu richten.

Markus / Keimel:

Ich versuche mich immer in Abschlusssätzen die zur Abwechslung nicht kitschig klingen sollen und erreiche meistens das Gegenteil. (lacht)

Ich belasse es daher dieses Mal bei einem schlichten Dankeschön.