Extremefest vom 23.05.2013 – 25.05.2013 in Hünxe

”Das Leid des Kapitalismusl”

Band: Behemoth, Kataklysm, Legion Of The Damned, Thyrfing, Grave, Tankard, Enslaved, Vader, Hail Of Bullets, Exhumed, Necrophobic, Milking The Goatmachine, Dark Fortress, Septic Flesh, Archgoat, Broken Hope, Entrails, Hypnos, Nocte Obducta, Sonne Adams, Hate, Gospel Of The Horns, Helrunar, Fleshgod Apocalypse, Negator, Carach Angren, Descending, Katalepsy, Obscurity, Cliteater, Obscenity, Vomitous, Swart Crown, Malignant Tumour, Vibrion, Kadaverficker, Ultimo Mondo Cannibale, Holocausto Canibal, Svarttjern, Sterbhaus, Antropomorphia, Gutalax, Bodyfarm, Zombie Inc., Foetal Juice, Deserted Fear, Grind Inc. Scornage, Mass Infection, Wound, Orphalis, Satan´s Revenge On Mankind, Viscera Trail, Scarlet Anger, Warpath, Diaroe

Location: Flugplatz Hünxe

Homepage: www.extremefest.eu

Datum: 23.05.2013 – 25.05.2013

Kosten: 59 € + 5,90 € Kommission; 75 € Abendkasse

Gute Musik, guter Zeltplatz, scheiß Wetter, Runde 2: Nachdem schon auf dem Ragnarök Festival 2013 (nachzulesen hier: https://www.time-for-metal.eu/include.php?path=article&contentid=8985) das Wetter suboptimal gewesen ist (womit aber zu rechnen war), wird auch das diesjährige Extremefest von der Pampe, die man „Wetter“ nennt, nicht verschont. Dementsprechend glücklich kann man sich schätzen, wenn man im Pott zu Hause ist, da das Pendeln dadurch eine durchaus lukrative Alternative zum Beinahe-Erfrieren wird.

So kommt es, dass das eigene Zelt zur Deko verkommt, man das Auto auch nicht mehr verlässt und sich glücklich schätzen kann, dass nicht alle Metaller so verweichlicht sind wie man selbst und brav ihre Pavillons aufgebaut haben, unter die man bequem seine Campingstühle platzieren kann. Dadurch kommt man natürlich auch direkt in Kontakt mit anderen Festivalbesuchern und schnell zeichnet sich eines ab: Das Publikum des Extremefests ist erfrischend anders als das anderer Festivals.

Das mag daran liegen, dass das Extremefest der Nachfolger des Death Feast ist, das bekanntermaßen die derbsten Knüppelbands im Line-Up hatte, die man sich vorstellen konnte. Im letzten Jahr wurde das Festival dann mehr als nur umbenannt; Bands wie Arkona sind auf dem Death Feast undenkbar gewesen, dieses Jahr hat man mit Enslaved oder Nocte Obducta Bands am Start, die gar nicht mal so extrem sind und von vielen Besuchern boykottiert werden, dazu jedoch später mehr. Die beiden genannten Bands sind, um das klarzustellen, wirklich gute Bands, doch es ist in der Tat schade, dass aus einem reinen Grindcore/Slam Death Metal/Porn Grind Festival, dass das Death Feast eben war, ein „beliebigeres“ Festival werden soll.
Aus rein kostentechnischen Gründen kann ich die Überlegungen natürlich verstehen; ein Festival zu organisieren und durchzuführen wird mehr als 10 € kosten. Daher ist es naheliegend, möglichst viele Genres abzudecken, um möglichst viele potentielle Besucher anzusprechen.

Schaut man sich das Line-Up von z.B. Wacken oder dem Summer Breeze an, bemerkt man schnell, dass fast alle Subgenres bedient werden, außer (und das ist der springende Punkt) die Subgenres, die das Death Feast angeboten hat. Das führte dazu, dass das Festival eine Menge Leute gezogen hat, die sich von den anderen Festivals in Deutschland nicht angesprochen gefühlt haben. Das wiederum ist kein Zeugnis von Intoleranz sondern hängt einfach mit der Erwartungshaltung von der Durchführung eines Konzertes ab. Grind Core/Slam Death Metal-Fans feiern ihre Bands anders als es Metal-Fans der anderen Subgenres tun. Sie nehmen sich selber nicht ernst und gehen nicht zum Lachen in den Keller, sondern schmeißen mit Tonnenweise Konfetti um sich, laufen in Tigerkostümen und Schwimmreifen im Kreis und grunzen fröhlich den komplett auf Aussprache verzichtende Gesang der Bands mit. Das mag man albern finden, ist aber wirklich unheimlich spaßig, wenn man den inneren Spießer erst einmal überwunden hat, der Zweifel hat, dass man für so etwas zu alt sein könnte oder ob man überhaupt jemals in einem Alter gewesen ist, in dem man das lustig hätte finden können. Ich persönlich hätte da nicht jedes Konzert Lust zu, aber ein oder zweimal im Jahr ist das schon sehr edel. Und einfach mal was anderes.
Und genau das lockte Jahr für Jahr Leute zum Death Feast und füllte das Gelände; im Kern stumpfe Musik, zu der man einfach feiern kann. Immer und immer wieder. Uff-ta-ta-Beats gepaart mit tiefgestimmten Gitarren und Growling/Grunzen.

Aber, um wieder zur Gegenwart und dem Extremefest 2013 zu kommen, es scheint, als ob sich das Death Feast nicht gerechnet hat, weshalb man von der Linie abgerückt ist. Wem die Entwicklung nicht gefällt, wird ja auch nicht gerade mit einer Pistole am Kopf dazu gezwungen, eine Karte zu kaufen, wobei es natürlich nicht gerade einfach ist, Cliteater live zu sehen. Womit wir auch bei der ersten Band wären, die ich vollständig genießen durfte, da ich von Ultima Mondo Cannibale nur einen Teil mitbekommen habe (der äußert deliziös war). Die Holländer von Cliteater wissen, wie man die Massen zum Kochen bringt, dementsprechend voll und turbulent ist es auch vor der Bühne. Die bunte Meute feiert die Band extremst, was auch vom überaus sympathischen Sänger honoriert wird. Nach der mehrfachen Durchführung seines Markenzeichens – den Sprungkick – springt er von der Bühne und teilt mit den Fans in den ersten Reihen fast schon brüderlich sein Mikrofon.

Die nächste wirklich überragende Band spielt auf der Tent Stage in einem, wer hätte es gedacht, Zelt. Sie heißen Zombie Inc. und sind für mich eine der Entdeckungen des Festivals. Getreu dem Namen treten die Jungs als Zombies auf und feiern ein Fest auf der Bühne, das seinesgleichen sucht. Jedes Lied bringt seine Besonderheiten mit sich, was die Band trotz des extremen Härtegrades extrem abwechslungsreich macht. Es macht einfach nur verdammt Laune, der Gruppe beim Musizieren zuzuhören! Eine Liveband, wie sie sein sollte!

Bei Milking The Goatmachine herrschte in meinem Kopf erst einmal Verwirrung: Wo ist der Sänger??? Es stehen keine Mikrofone in der ersten Reihe und dank den Masken kann ich nicht sagen, wer der Sänger ist. Erst bei der Ansage des nächsten Liedes fällt der Groschen: Der Schlagzeuger singt! Cool! Die Band spielt übrigens wie Cliteater auf der Hauptbühne. Interessante Randnotiz: Während auf der Hauptbühne der Klang gut und scharf ist, haben alle Bands im Zelt einen halligen Klang. Das mag natürlich dem Zelt geschuldet sein und ist am Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, gibt aber vielen Bands eine zusätzliche Note, die auch nicht störend ist. Sonne Adam z.B. profitieren davon immens, da sie auf Platte viel Wert auf Hall legen.

Bei den drei genannten Bands ist immer gut was losgewesen, doch bei Enslaved soll sich das ändern: Wer will, kann problemlos in die erste Reihe. Und das bei so einem großen Namen. Wer jetzt noch die Einleitung im Hinterkopf hat, weiß auch warum: 95% der Besucher sind wegen Knüppelmusik gekommen, weshalb Enslaved die erste deplatziert wirkende Band ist, trotz eines guten Auftrittes. Mir gefallen Enslaved live besser als auf CD, da das Klangbild natürlicher wirkt. Da ich die Gruppe immer schon einmal live sehen wollte, nutze ich natürlich die Gunst der Stunde und guck sie mir von sehr weit vorne an, bedauere aber das mangelnde Interesse, auch wenn ich es verstehen kann. Es ist halt der Nachfolger des größten Knüppelfestivals Deutschlands.

Die Enttäuschung des Abends ist aber Legion Of The Damned. Auch wenn die Holländer viel Publikum ziehen, frage ich die ganze Zeit, wann der Frontmann endgültig seine Stimme verliert. Oft verzichtet er auf seine krächzende Stimme und brüllt die Worte einfach mit seiner klaren Stimme ins Mikrofon, was lang nicht so gut rüberkommt wie der gewohnte Gesang. Vor ein paar Jahren klang das noch anders. Schade, dabei hatte ich gehofft, dass Legion Of The Damned durch die Veränderungen im Line-Up interessanter werden.

Aber egal, es stehen noch zwei Tage an, da kann man mit einer Enttäuschung leben, zumal die erwähnten Bands gut bis sehr gut gewesen sind. Am Samstag spielt dann MEIN persönliches Highlight des Festivals, was ich vorher so nicht erwartet hätte: Carach Angren. Böse Zungen könnten jetzt behaupten, dass ich von der Veränderung des Line-Ups profitiere, da Carach Angren auf dem Death Feast niemals eingeladen worden wäre. Das stimmt auch. Da ich keine Lust auf Prinzipienreiterei habe, lasse ich auch keine Band liegen, nur weil mir die Neuausrichtung eines Festivals nicht vollends zusagt. Man soll nehmen, was man kriegt und nicht darüber mosern, was alles sein könnte ;).
Die Band ist live jedenfalls der Hammer! Drei Leute stehen auf der Bühne und spielen orchestralen Black Metal. Hatte man im Vorfeld vermuten können, dass das ganze Orchester nur vom Band kommt, muss man jetzt feststellen, dass das ein Trugschluss war. Die Musik aus der Konserve beschränkt sich auf ein Minimum, der Keyboarder kann wirklich komplett das spielen, was man auf der CD hört! Wahnsinn. Das Trio ist wohl auch die einzige Band, die es auf dem Extremefest vollbracht hat, ein Lied OHNE Gitarre zu spielen, was zur Abwechslung wirklich gut rüberkam. Die Band werde ich hoffentlich noch sehr oft und mit mehr Spielzeit sehen!

Ulkigerweise spielen danach direkt Fleshgod Apocalypse, auch nicht 100% passend, aber noch im grünen Bereich. Die Italiener(!) haben tatsächlich ein Klavier(!!) dabei, was ein bisschen den orchestralen Klang aufhübscht, der ansonsten komplett vom Band kommt. Eine andere Herangehensweise als Carach Angren, die in diesem Kontext aber auch gut funktioniert. Fleshgod Apocalypse sind richtige Bühnenfanatiker, das Outfit sieht so genial aus und die Ansagen werden so großartig rübergebracht, dass man den Auftritt so schnell nicht vergessen wird. Ich hätte nicht gedacht, dass die live etwas taugen, aber ich würde allein schon für das Lied The Forsaking den vollen Eintrittspreis bezahlen! Der Klavierspieler ist so überzeugend, Wahnsinn. Mir fehlen da ein bisschen die Worte!

Da Necrophobic abgesagt haben (was den meisten Besuchern egal sein dürfte), geht’s wieder ins Zelt, Sonne Adam hab ich ja bereits erwähnt, deshalb direkt ein paar Worte zu Helrunar. Zuerst denke ich, ich würde es mir nur einbilden, aber auch andere Zuschauer sind der Meinung: Frontmann Skald Draugir hat eine echt arrogante Ausstrahlung. So sehr ich sein musikalisches Schaffen auch schätze, aber live werde ich mit ihm nicht warm. Sehr, sehr schade, aber Arroganz ist für mich echt ein Stimmungskiller.

Dark Fortress fand ich auf dem Party San 2012 nicht wirklich gut (sogar schlecht), auf dem Extremefest geben sich die Black Metaller deutlich besser. Zwar schaue ich den Auftritt nicht vollständig an (wie bei Marduk habe ich den Sängerwechsel immer noch nicht verkraftet), aber die Setlist ist besser, vor allem das Material von Stab Wounds gefällt mir live richtig gut. Ist auch ein übermäßig geniales Album gewesen.

Auf der Hauptbühne spielt der Grund, warum ich Dark Fortress verlasse: Tankard. Gerre hat wieder an Gewicht zugelegt (schade für ihn), fegt aber immer noch wie ein Blitz über die Bühne (gut für die Fans). Wer Tankard schon einmal live gesehen hat, weiß GENAU, was ihn erwartet. Die Truppe spielt lang genug, um eine Routine erarbeitet zu haben.

Samstag spielt die Band mit dem extrem hitverdächtigen Namen Gutalax, der zu vielen, vielen Wortspielen führt, die IMMER etwas mit Fisch zu tun haben. Das kann auch nervig sein. Die Band jedenfalls ist nicht nervig und zieht eine Menge Leute. In Schutzanzügen gekleidet, brennt die Gruppe zusammen mit den Fans eine Party ab, die man sonst nur von Hauptakts erwarten würde. Es scheint fast, als ob sich der Trend der Vortage auch am finalen Tag fortsetzen würde: Die Hauptakts sind, böse gesagt, nur Beiwerk, mit der einen oder anderen Ausnahme. Ich war bisher noch auf keinem Festival, an dem die Luft um 14:30 Uhr so brannte wie auf dem Extremefest. Stumpfe Musik, aber guter Auftritt. So wie es sein muss!

Sterbhaus finde ich auf Platte ganz okay, aber ich rege mich jedes Mal über den Namen auf. Trotzdem schaue ich mir die Band an, die gut, aber nicht überragend wirkt. Negator schaue ich nur kurz, bei der Band zeichnet sich der „das alte Zeug war besser“-Trend ab. Gospel Of The Horns sind live ein Kracher, mussten aber meiner Gier nach Neuem weichen, da Sterbhaus gleichzeitig spielten. Schade, schade.Grind Inc. spielen eigentlich relativ generischen Death Metal/ Grindcore, bringen aber trotzdem das Zelt zum Beben. Seltsam, aber erfreulich. Nocte Obducta teilen das Schicksal von Enslaved.

Und Vader haben mit die meisten Zuschauer. Für mich die letzte Band des Abends, die ich vollständig sehe, da es danach nicht nur unangenehm kalt wird, sondern auch noch aus Eimern gießt. Da ich Vader bisher nur als Headliner auf dem Rude und mit mehr Spielzeit gesehen habe, fand ich die „komprimierte“ Form nicht ganz so stark, wofür die Polen ja nichts können. Der Auftritt war souverän und hat die Aufmerksamkeit auch verdient, die er bekam.

Dann kommt der Grund, warum über den Samstag hinweg immer mehr Leute vom Gelände fliehen und nach Hause fahren: Borussia Dortmund vs. Bayern München. Ich finde echt schade, dass viele Metalheads früher gefahren sind, zumal ein Fernseher aufgestellt wird und jeder, der das Spiel sehen will, dies auch kann. Und weil ich das will, kann auch ich das. Die Stimmung ist bis zum 0:1 gut, dann bis zum 1:1 nicht mehr und ab dann bis zum 2:1 wieder gut. Außer ein paar fehlgeleiteten Schäfchen, die tatsächlich die Bayern angefeuert haben, gehen sich die meisten den Rest von Thyrfing angucken. Der Fernseher war übrigens auf stumm geschaltet, so dass man im Hintergrund in der ersten Halbzeit auch Hail Of Bullets hören konnte. Hätte ich nicht gewusst, wer spielt, hätte ich auf Asphyx gewettet…

Fazit: Für mich war es das erste Extremefest und wenn man im nächsten Jahr den Kurs so beibehält, auch nicht mein letztes! Doch ich bin sicher nicht allein mit dem Wunsch nach mehr Goregrind und ähnlichen Genres. Samstag hätte Spasm bestimmt niemanden gestört und statt Nocte Obducta wären viele Besucher mit Jig-Ai zufriedener gewesen. Durch das „Aufweichen“ des Line-Ups hat man scheinbar genau das Gegenteil von dem erreicht, was man wollte: Das Festival war, nun ja, familiär. Der Parkplatz war maximal halbvoll, wer gezeltet hat, brauchte oft zwischen 1-3 Minuten bis zur Bühne, obwohl das Gelände auch zu anderen Zeiten hätte führen können, wenn es voller gewesen wäre. Vielen Grindern sind wohl zu wenig Knüppelbands gekommen, um sich eine Karte zu kaufen und Fans von Enslaved oder Nocte Obducta gab es zu wenige Bands ihres Geschmackes, um die 60 € (VVK) bzw. 75 € (Abendkasse) für die drei Tage zu bezahlen. Hoffentlich kommt der Veranstalter Rock The Nation zum gleichen Urteil und kehrt „back to the roots“ – so könnte aus einem sehr guten wieder ein großartiges Festival werden!