Haken – Affinity

“Feiner Prog aus England“

Artist: Haken

Herkunft: London, England

Album: Affinity

Spiellänge: 61:27 Minuten

Genre: Progressive Metal, Progressive Rock

Release: 29.04.2016

Label: Inside Out / Century Media

Link: https://www.facebook.com/HakenOfficial und http://www.hakenmusic.com/

Produktion: Fascination Street Studios von Jens Bogren

Bandmitglieder:

Gesang – Ross Jennings
Gitarre – Charlie Griffiths
Gitarre und Keyboard – Richard Henshall
Bassgitarre – Conner Green
Keyboard – Diego Tejeida
Schlagzeug – Ray Hearne

Tracklist:

  1. affinity.exe
  2. Initiate
  3. 1985
  4. Lapse
  5. The Architect
  6. Earthrise
  7. Red Giant
  8. The Endless Knot
  9. Bound By Gravity

Haken - Affinity

 

Die Band Haken gibt es noch keine zehn Jahre, gegründet wurde sie im Jahr 2007. In dieser Zeit haben sie die Männer aus dem schönen Großbritannien aber schon einen klangvollen Namen als eine der essentiellen Progressive Metal-Bands erarbeitet. Sie durften bereits mit Bands wie Between The Buried And Me, The Neal Morse Band und Leprous auf der Bühne stehen und haben auch schon namhafte Festivals gespielt, wie z. B. das Hellfest in Frankreich. Nach einem Demo-Album in 2007 folgten drei Alben und eine EP, bevor jetzt am 29.04.2016 mit Affinity das vierte Studioalbum erscheinen wird.

Auf diesem Album lief vieles in gewohnten Bahnen, aber allein schon beim Songwriting ging man komplett neue Wege, wie Charles Griffiths erläutert. Früher war es so, dass Richard Henshall mit den ersten groben Songgerüsten auf die Jungs zukam, und diese als Basis für die weitere Ausarbeitung genutzt wurden. Bei diesem Album waren nun alle von Anfang an gleichberechtigt gefragt, ihre Ideen vorzulegen.

Während man sich mit dem Vorgängeralbum Mountain noch eher den Klängen der 70er Jahre, als die großen Jahre der progressiven Musik, verschrieb, und man dies den Songs auch definitiv anhörte, bezieht man sich bei Affinity eher auf die 80er Jahre, was vielleicht allein schon der Songtitel 1985 ausdrücken mag. Ganz besonders bei diesem Song, aber auch an vielen anderen Stellen des Albums, sind diese Querverweise sehr fein herausgearbeitet, und um es gleich vorwegzunehmen, da haben die Jungs echt eine tolle Teamarbeit geleistet.

Mit exe-Dateien soll man ja normalerweise vorsichtig sein, aber diese Audio-Datei affinity.exe darf man gefahrlos abspielen. Mit einer Länge von noch nicht einmal anderthalb Minuten kann man sie getrost als Intro bezeichnen, das die Tür öffnet und den Hörer eintreten lässt in die wunderbare Klangwelt von Haken.

Das folgende Initiate erinnert mich sehr an das Meisterwerk Destrier von Agent Fresco. Die Isländer verstehen es ja auch so hervorragend, mit ihren Songs stellenweise scheinbar ziellos vor sich hin zu wandern und dann plötzlich eine wahre Klangexplosion zu entfachen. Und dann  gibt es mit 1985 das erste Monumentalwerk mit einer Länge von knapp über neun Minuten, wobei dieser Song damit nur der drittlängste des Albums ist. Und wer bei den ersten Klängen des Songs nicht sofort an Owner Of A Lonely Heart vom Meisterwerk 90125 der Band Yes aus dem Jahr 1983 (nein, nicht 1985) denkt, der hat was verpasst. Aber das ist natürlich nicht der einzige Rückgriff auf die 80er Jahre, und ich habe nach dem Genuss dieses Albums erst einmal eine ganze Anzahl CDs aus meinem Regal gekramt und die mal wieder in das Schubfach des Players gepackt. Definitiv unter diesen CDs waren auch die Meisterwerke der 80er und 90er von Peter Gabriel die auf dem Best-of-Album Shaking The Tree aus dem Jahr 2000 so schön konzentriert zu hören sind, und Dream Theater durfte genau so wenig fehlen. Und dann klingen da aber auch tatsächlich sehr groovige Djent-Töne à la Uneven Structure durch, so dass man fast die Entwicklung des Progressive Metal bzw. Progressive Rock in einem Song serviert bekommt.

Trotz der stellenweise sehr mächtigen Gitarrenwände geht es mit Lapse insgesamt relativ ruhig weiter, das sehr jazzig angehauchte Keyboard-Solo erinnert mich an Jordan Rudess. Mit dem längsten Stück des Albums, dem fast 16 Minuten dauernden Architect ist es allerdings zunächst einmal mit der Ruhe vorbei. Da schlackern einem schon die Ohren, was da für Gitarren- und Keyboard-Läufe, auch hier immer begleitet von dem sehr akkuraten und so variablen Schlagzeugspiel von Ray Hearne, aus den Boxen flirren. Zur Hälfte des Songs wird es dann sehr ruhig, fast schon sphärisch, und ich fühle mich zurückversetzt in die 70er (nein, nicht die 80er) Jahre, als Mike Oldfield der Welt so grandiose Werke wie Ommadawn, Hergest Ridge oder Tubular Bells beschert hat. Aber nach den knapp vier sehr relaxten Minuten gibt es dann den harten Aufschlag in der Realität und tatsächlich so etwas, wie Shouts und Growls auf die Ohren. Ein wüstes Durcheinander aus Saitenfraktion, Keyboard und Schlagzeug prasselt auf mich ein, und es hat doch sicherlich ein System, das ich nur einfach nicht durchschaue. So muss das! 🙂

Bei Earthrise habe ich sicherheitshalber Wikipedia zu Rate gezogen, aber die Band Subsignal gab es da definitiv noch nicht 😉 Na ja, Haken haben ja nicht gesagt, dass jeder Song auf Affinity eine Reminiszenz an die 80er Jahre sein soll. Ein sehr entspannter, schöner und verhältnismäßig eingängiger Song. In Richtung Tiefenentspannung geht es dann mit Red Giant weiter, der mit sehr viel elektronischen Elementen und Keyboard- bzw. Synthesizer-Klängen arbeitet. Warum man im letzten Drittel dann doch nach mächtig Fahrt aufnimmt, hat sich mir nicht erschlossen, aber dafür ist es ja Progressive Metal 😀

Wie variabel und abwechslungsreich dieses Album ist, beweist dann gleich wieder The Endless Knot. Da könnte man glatt auch mal an Tool denken, und, ich traue es mich kaum zu schreiben, auch Skrillex schauen mal kurz vorbei. Sehr, sehr geil, dieser endlose Knoten, aber herausragend ist hier für mich das sehr geniale Schlagzeug-/Percussion-Spiel.

Mit dem zweitlängsten Stück des Albums, nämlich Bound By Gravity, geht es dann sehr ruhig dem Ende zu. Das Gitarrenspiel erinnert mich mächtig an die sehr schönen Klänge der niederländischen Post Rock-Band Cartographer, abgesehen davon kommen Subsignal-Fans bei diesem Song wieder voll auf ihre Kosten. Sehr gelungen dann die letzte Minute, die den Bogen schlägt zum Anfang des Albums. Für diesen Song sollte man zu den anstehenden Konzerten ein Feuerzeug mitnehmen, auch wenn man Nichtraucher ist.

Fazit: Nachdem ich mit dem letzten Album Mountain und der hier vollführten tiefen Verbeugung vor den 70er Jahren als eine der wenigen überhaupt nicht klar kam, hat mich dieses Album mehr als entschädigt, denn es ist vom ersten bis zum letzten Ton überaus hörenswert. Wer das Album Mountain mochte, dem wird es vielleicht umgekehrt gehen. Ich kann allerdings mit den moderneren Klängen und den Verweisen auf die 80er Jahre, und hier u. a. auf das Meisterwerk 90125 von Yes, sehr viel mehr anfangen. Wem es genauso geht, der wird etwas über eine Stunde bestens unterhalten.

Anspieltipps: 1985, The Architect, The Endless Knot und Bound By Gravity
Heike L.
9.5
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