A Dying Planet – When The Skies Are Grey

Von sterbenden Planeten, eingesperrten Sonnen und der Stunde Null

Artist: A Dying Planet

Herkunft: San Francisco, Kalifornien, USA

Album: When The Skies Are Grey

Spiellänge: 53:33 Minuten

Genre: Progressive Metal

Release: 17.09.2021

Label: Lifeforce Records

Link: https://www.facebook.com/adyingplanet

Bandmitglieder:

Gesang – Paul Adrian Villarreal
Gitarre – Jasun Tipton
Bassgitarre – Brian Hart
Schlagzeug – Marco Bicca

Tracklist:

  1. When The Skies Are Grey
  2. Honoring Your Name
  3. Hope For Tomorrow
  4. Embrace
  5. Far From Home
  6. A Father’s Love

A Dying Planet vereinen zwei Bands, denen ich mit blutendem Herz hinterhertrauere, obwohl sich beide niemals offiziell aufgelöst haben: Da wären zum einen die anbetungswürdigen US-Progger von Zero Hour, deren treibende Kräfte, die Zwillingsbrüder Jasun und Troy Tipton, ebenfalls für die Gründung von A Dying Planet verantwortlich sind. Immerhin gab es 2020 zwei Lebenszeichen von Zero Hour, die seit 2008 kein Material mehr auf die hungrige Meute losgelassen haben. So gab es via Facebook einen kurzen Soundclip zu einem neuen Song und einen Liveauftritt beim Online-Festival Sea Of Tranquility.

Auf der anderen Seite ist die Stimme der nicht minder genialen Niederländer von Sun Caged zu hören – Mr. Paul Adrian Villarreal. Komplettiert wird das Quartett durch die Rhythmusabteilung um Bassist Brian Hart und Drummer Marco Bicca. Leider kann Troy seine genialen Basskünste aufgrund einer schweren Armverletzung seit einigen Jahren nicht mehr ausüben, dennoch würde es mich stark wundern, wenn sein musikalisches Talent nicht beim Songwriting genutzt wurde. Das Talent der Tipton-Brüder konnten Fans bereits bei anderen Projekten wie Abnormal Thought Patterns und Cynthesis bestaunen.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das 2018 in Eigenregie veröffentlichte Debüt Facing The Incurable an mir vorbeigegangen ist. Ich habe es aber für dieses Review gleich mit „aufgesaugt“. Am Mikro war dort noch ein Mix aus verschiedenen Sängern wie dem bereits angesprochenen Villarreal, Erik Rosvold (Zero Hour, Cynthesis), Troy Tipton himself und der Sängerin Luda Arno zu hören. Paul Adrian Villarreal ist nun der hauptamtliche Sänger bei A Dying Planet, die für das vorliegende Album When The Skies Are Grey beim deutschen Label Lifeforce Records (Ost-Power!) unterschrieben haben. Gute Voraussetzungen für allerfeinsten Prog Metal?

Bevor ich mich an das Songmaterial mache, sticht erst mal das geniale Artwork von Henry Moreno ins Auge – da lohnt sich schon der Kauf einer LP, die zudem auch noch in der wunderschönen und limitierten Farbe transparent Türkis kommt. Ich tauche direkt mit dem Titelsong in den Kosmos von A Dying Planet ein. Schnell wird klar, dass es sich nicht um einen Snack für zwischendurch handelt. Der atmosphärische Sound erfordert Aufmerksamkeit. Am besten genießt man die Feinheiten über den Kopfhörer. Nach einem auffordernden Gitarren-Intro ertönt die glasklare Stimme von Mr. Villarreal, wie schon im Opener Resist vom Debütalbum. Wer nicht mit seinen Sangeskünsten vertraut ist, stellt sich an dieser Stelle auch gerne Ted Leonard (Spock’s Beard, Enchant) vor, an den er in hohen Lagen stellenweise erinnert. Obwohl hier nicht Troy an den tiefen Saiten werkelt, fallen mir sofort die Basslinien von Brian Hart auf. Lässig schlängeln sie sich zu groovenden Drums und den tiefgreifenden Vocals durchs Unterholz. Im Mittelteil schlägt die Stimmung um und als Fan fühle ich mich durch die fiesen Riffs direkt an beste Zero Hour Zeiten erinnert – großartiger Einstand.

Ruppig und destruktiv legt Honoring Your Name los, bevor mich der Gesang wieder in eine warme Decke hüllt. Die Emotionen eines einzigen Songs reichen bei anderen Bands für ein ganzes Album. Aufgrund der unverkennbaren Handschrift von Jasun Tipton fühle ich mich immer wieder zu Zero Hour oder Cynthesis hingezogen. Trotzdem ist A Dying Planet eine eigenständige Angelegenheit, die mal zum Träumen einlädt, um dann wieder alle Gedankenkonstrukte einzureißen. Fans der letzten Alben von Fates Warning dürften sich ebenfalls heimisch fühlen.

Etwas gemäßigter geht Hope For Tomorrow zu Werke. Beeindruckt bin ich von der ersten Sekunde an von Marco Biccas Drumming. Man höre sich nur mal das filigrane Beckenspiel an. Der mehrstimmig eingestreute Gesang ist ein toller Schachzug in dem sich ständig steigernden Songaufbau. Sanfte Töne wiegen mich in Sicherheit, bevor der nächste Song die Oberhand gewinnt.

Bei diesem handelt es sich mit dem knapp 15-minütigen Embrace um das längste Stück des Albums. Stakkatoriffs türmen sich vor hallenden Saitenanschlägen auf. Villarreals Stimmfarbe wird ein wenig dunkler, um nicht zu sagen düster, was gut zur Grundstimmung des Songs passt. Gitarrenwände wechseln sich mit akustischen Klängen ab, in denen wieder einmal das Drumming im Rampenlicht steht. Ich mag es, wenn Schlagzeuger in der Lage sind, einen Song nicht totzuprügeln, sondern selbst für Atmosphäre und Melodien sorgen – well done, Mr. Bicca. Sänger Paul liefert sich im verzerrten Modus ein Duell mit seiner eigenen Stimme. A Dying Planet spielen mit den Erwartungen der Hörer und schieben einer wilden Passage wieder verträumte Sequenzen hinterher. Zum Schluss gibt es sogar noch ein amtliches Keyboard-Gefrickel auf die Ohren. Alles, was ein Longtrack braucht.

Far From Home treibt die laut-leise Dynamik ans Limit. Auf den akustischen Teil mit seinen introvertierten Vocals zu Beginn folgen fast schon Ambient-artige Sounds, nur um dann ordentlich die Hütte abzureißen. Danach geht es mit der stromlosen Klampfe wieder in den dunklen Keller der Seele. Dann darf die elektrische Gitarre wieder den Ton angeben und mein persönlicher Held des Albums wieder die Felle verdreschen. Die Band packt in dieser Reise alles ins Gepäck, was ihren Sound ausmacht, ohne dabei aufgesetzt zu klingen.

Der Vorhang des grauen Himmels zieht sich ein letztes Mal zu. A Father’s Love hält einige elektronische Sound-Spielereien bereit und liefert wiederum die charakteristische Gitarrenarbeit von Jasun Tipton. Das Niveau bleibt hoch, nur im Refrain gerät mir musikalisch zu viel durcheinander. Das trübt wiederum nicht den starken Eindruck dieses Werks aus der Qualitätsschmiede Tipton.

A Dying Planet – When The Skies Are Grey
Fazit
Ich möchte es als Kompliment weitergeben, denn When The Skies Are Grey kann ohne Längen am Stück gehört werden. Sicherlich werden dazu mehrere Durchläufe benötigt, um alle Details zu erfassen. Dennoch spielen A Dying Planet keinen Prog für Musikstudenten, sondern stellen Atmosphäre und Songs in den Vordergrund. Wer mit den Arbeiten der Tipton-Brüder vertraut ist oder generell gerne progressive Musik amerikanischer Prägung hört, wird mit diesem Output sehr glücklich werden. 2021 scheint ein gutes Jahr für Progfans zu sein.

Anspieltipps: When The Skies Are Grey, Embrace und Far From Home
Florian W.
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