Coilguns – Odd Love

Eine ungewöhnliche Liebe. Zweifellos.

Artist: Coilguns

Herkunft: La Chaux De Fonds, Schweiz

Album: Odd Love

Spiellänge: 48:04 Minuten

Genre: Hardcore Punk, Noise, Post-Hardcore

Release: 22.11.2024

Label: Humus Records

Links: Website

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre – Louis Jucker
Gitarre, Backing Vocal – Jonathan Nido
Bassgitarre, Synths, Backing Vocals – Kevin Galland
Schlagzeug, Percussion – Luc Hess

Tracklist:

1. We Missed The Parade
2. Placeholders
3. Generic Skincare
4. Black Chyme
5. Bandwagoning
6. Caravel
7. Venetian Blinds
8. Featherweight
9. The Wind To Wash The Pain
10. Bunker Vaults (Intro)
11. Bunker Vaults

Im Jahr 2019 besuchte ich eine Haken-Show, im Vorprogramm spielten unter anderem die mir damals unbekannten Coilguns. Aufgrund des Headliners erwarteten wir eine Band aus dem Prog-Umfeld (Fun Fact: drei Bandmitglieder von Coilguns waren Tourmusiker beim The Ocean Collective), doch was da von der Bühne schallte, war anders. Laut, rau, vielleicht etwas chaotisch, auf jeden Fall voller Energie. Noise, Hardcore, Punk, bisschen Emo, am Schluss dann wohl am ehesten Mathcore. Sänger Louis Jucker hüpfte während des Auftritts von der Bühne in das zu diesem Zeitpunkt spärliche Publikum und kauerte sich vor einigen Besuchenden auf dem Boden zusammen, trommelte mit der Handfläche auf ihren Fußspitzen herum. Die gelungene Irritation kommentierte er entspannt mit „Alles gut, wir sind lieb und freundlich, nur ein wenig verrückt.“ Oder so ähnlich.

Die Geschichte der 2011 gegründeten Coilguns ist eng mit der Entwicklung des eigenen Labels von Gitarrist/Bandgründer Jona Nido (Humus Records) verbunden, das mittlerweile bis zu 150 Veröffentlichungen von Schweizer Künstler:innen aus verschiedensten Genres umfasst. 

Ihr viertes Studioalbum Odd Love – ein Großteil davon geht auf Nidos Demos zurück, die er im Frühjahr 2020 schrieb – haben Coilguns im Gegensatz zu den vorangehenden Alben nicht komplett in Eigenregie produziert. Für Mix und Mastering ließen sie sich vom Grammy-nominierten Tom Dalgety (u.a. Ghost) sowie Robin Schmidt (u.a. The Gaslight Anthem) unterstützen. Dieser Produktionsprozess macht sich bemerkbar. Bei allem Respekt für den DIY-Anspruch der Band und ihren eigenen Sound: So klar und druckvoll wie auf Odd Love haben wir Coilguns selten gehört. 

Der Albumtitel Odd Love fasst die Beziehung der Band zu ihrer Musik, zum Business und zu ihrem Bandleben zusammen, wie Jucker im Pressetext erklärt. Das Sonderbare, Seltsame („odd“) stehe bei Coilguns auf der Tagesordnung, Liebe sei der Antrieb dahinter, so der Frontmann. „Wir sind eine laute, kauzige Band aus einer fein aufgeräumten Uhrenmacherstadt“ [La Chaux De Fonds].

Die Schweizer bewegen sich stilistisch weiterhin zwischen Post-Hardcore, Alternative Metal und Mathcore, was ihnen in der Vergangenheit Vergleiche mit Converge und The Dillinger Escape Plan eingebracht hat. Auf Odd Love treten sie auch in die Fußstapfen von At the Drive-In. Mit Schwung. Und euch in den Arsch.

Der Opener We Missed The Parade ist eine flott eingeknüppelte Portion Hardcore und damit ein guter Anheizer. Das etwas ruhigere, punkigere Placeholders besticht ebenfalls mit flinker Trommelei und gepfiffener Hookline. Generic Skincare fährt Gitarrenwände und Breakdowns auf, das bedrohlich-hypnotische Black Chyme ist eine für die Band typische Noiseattacke.

Die Klangwelt von Bandwagoning versetzt zumindest mich anfangs an Bord der Nostromo, während ich vor einem Xenomorph davonlaufe. Die Gitarren und Drums feuern sich gegenseitig an, die Lyrics sind mehr eingesprochen als gesungen, es wird immer schneller. Mitreißende Wutrede.

Caravel nimmt wieder Tempo raus, die Stimmung bleibt anklagend, düster und spiegelt sich musikalisch in Dissonanzen. Coilguns bekommen das trotzdem harmonisch hin. Venetian Blinds hält die eingeschlagene Stimmung weiter aufrecht, gibt noch etwas Melancholie hinzu – und fiepende Gitarren. Der anfängliche Ambient-Rock-Track Featherweight zeigt sein wahres Gesicht nach knapp drei Minuten und wandelt sich mit Juckers Schreien zum atmosphärischen Headbanger.

Intim und schwermütig können Coilguns auch, wie das an Hurt von Nine Inch Nails erinnernde The Wind To Wash The Pain beweist. Danach gönnen sich Coilguns zum Abschluss mit dem zweiteiligen Bunker Vaults ein über achtminütiges Post-Rock-Stück, das die stilistische Bandbreite des Albums untermauert.

Coilguns – Odd Love
Fazit
Coilguns präsentieren sich auf Odd Love zugänglicher, was weniger einem Zugeständnis an konventionelle Hörgewohnheiten gleichkommt. Vielmehr ist es die berühmte konsequente Weiterentwicklung, welche die Schweizer auf ihrem vierten Studioalbum vollziehen. Doch Coilguns ecken noch immer an, der stilistische rote Faden hat gewollte Schlaufen und Knoten. Eine ungewöhnliche Liebe ist Odd Love zweifellos.

Anspieltipps: We Missed The Parade, Placeholders, Bandwagoning
Christian D.
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