Eventname: Five Angry Men Tour 2024
Headliner: Dymytry
Vorbands: Böse Fuchs, Hiraes
Ort: Backstage München (Club)
Datum: 09.03.2024
Kosten: 25,00 € VVK
Genre: Metalcore, Modern/Alternative Metal, Melodic Death Metal
Besucher: ca. 150 Besucher
Veranstalter: Backstage München (Club)
Link: https://backstage.eu/dymytry-five-angry-men-tour.html
Kennt ihr das? Ihr geht auf ein Konzert, bei dem euch nur eine der Vorbands was sagt, und auf die ihr euch ziemlich freut, vielleicht mit der Option im Hinterkopf, nach deren Auftritt vorzeitig einen Abgang zu machen, um noch ein Bier trinken zu gehen, weil euch der Headliner eher weniger interessiert?
Natürlich gibt es diese Option für einen pflichtbewussten Redakteur nicht, und ich würde auch im Privaten niemals ohne Not einer Band die Chance verweigern, mich auf der Bühne doch noch zu überzeugen. Und meine Fresse – was hätte ich an diesem Samstagabend verpasst, wenn mir Dymytry durch die Lappen gegangen wären!
Auf dem Schirm hatte ich in allererster Linie Hiraes, ein recht neues Projekt der damaligen Cripper-Fronterin Britta Görtz, das es erst seit ein paar Jahren gibt und das sich auf der melodischen Todesbleischiene von Anfang an ganz gut im Gehörgang anfühlte. Die Hyëna von Cripper rotiert immer noch regelmäßig, und in Sachen Performance am Mikrofon macht Britta, die außerdem auch noch bei Critical Mess und Chaos Rising aktiv ist (bzw. war) und inzwischen hauptberuflich als Selbstständige Metal-Gesang unterrichtet, so schnell keiner was vor.
Bereits bei Ankunft am Backstage wird klar, dass dies wohl ein besonderes Konzert wird. Quer über das Gelände, die Treppe hinauf bis zum Galerie-Eingang des Clubs reicht die Warteschlange. An der Abendkasse betretene Gesichter – keine Chance, noch ein Ticket zu bekommen – restlos ausverkauft.
Die taktische Entscheidung, sich in der Nähe des Merchandises auf einer kleinen Erhöhung gegenüber der Bühne zu positionieren, wird sich nicht nur für mich auszahlen, sondern auch für die Kollegin von Powermetal.de, die meinem Beispiel folgt und mit der ich schnell ins Gespräch komme. Der Club füllt sich immer weiter, und ich ahne, dass es bis zum Ende des Abends keine Chance geben wird, diesen Platz zu verlassen. Nun gut – Dienst ist Dienst. Wenigstens ist das „Schussfeld“ halbwegs frei, nur die linke Seite der Bühne versinkt ein wenig im Gegenlicht.
Die Berliner von Böse Fuchs eröffnen den Abend, das Trio hat sich Live-Unterstützung an den Drums mitgebracht und wird vom Münchner Publikum sehr wohlwollend begrüßt. Im Einzelnen sind das Shouterin und musikalischer Tausendsassa Valeria, pseudonym entsprechend dem Bandnamen ebenfalls Böse Fuchs genannt, Kate (verantwortlich für die gefühlvollen Gesangsparts) und Gitarrist Max. Musikalisch fällt eine Einordnung nicht unbedingt leicht, neben harten Gitarrenriffs, Synths und treibenden Drums sticht vor allem das vehemente Wechselspiel der beiden Damen an den Mikrofonen, bestehend aus Geschrei und melodisch-melancholischen Vocals, hervor. Alternative Metal? Nu-Metal? Rammstein meets Oomph! meets Evanescence? Ich bin mir nicht ganz sicher, auf jeden Fall macht es Laune, diesem Spektakel beizuwohnen. Valerias Dreads fliegen nur so durch die Luft, und die Temperatur im bis zum Bersten gefüllten Backstage Club steigt mit jeder Minute.
In der ersten Pause erscheint es mir dann zu riskant, meinen Platz mit guter Übersicht für ein Getränk aufzugeben. Also weiter unterhalten und Fotos sortieren.
Alsdann entern Hiraes die Bühne, und wer Sängerin Britta schon einmal live erlebt hat, der weiß, dass spätestens ab jetzt die Nackenmuskeln in echter Gefahr sind. Das Material, mit dem die fünfköpfige Truppe angetreten ist, tritt mächtig in den Arsch, und es ist nicht zu übersehen, dass die Band extrem Bock hat. Mit Songs wie Through The Storm, 1000 Lights oder auch Dormant haben Hiraes die Menge fest im Griff. Die zum Teil thrashigen Elemente, die seinerzeit bei Cripper noch zu finden waren, sind dem eher melodisch-groovenden Death Metal gewichen, getragen von Brittas durchdringenden Growls, kein schlechter Tausch. Der aktuelle Longplayer ist brandneu, erst Ende Januar auf Nuclear Blast erschienen, dementsprechend gibt‘s eine Menge davon zu hören. Bei We Owe No One wird das Publikum eingeladen, die Refrainzeile aus vollem Halse mitzugrölen – was man sich nicht zweimal sagen lässt. Britta lässt dabei immer wieder derart derb die Mähne kreisen, dass selbst der Corpsegrinder beeindruckt wäre. Zum Schluss springt sie noch von der Bühne und performt den Ausklang des Hiraes-Auftritts inmitten der feiernden Menge. Da bleibt kein Hemd trocken, eine einzige Saunalandschaft.
Und dann der Headliner. Meine Stehplatznachbarn haben bereits ausführlich von den Qualitäten dieser Band geschwärmt, demnach sind Dymytry in ihrem Heimatland Tschechien bereits seit Längerem eine ziemlich große Nummer, und nach einer recht beachtlichen Anzahl an Veröffentlichungen in ausschließlich tschechischer Sprache leitete die Neuaufnahme des 2019er-Albums Revolter als Revolt und auf Englisch eine stärkere Orientierung hin zum internationalen Musikmarkt ein. Dazu gibt es auch gleich einen neuen Sänger, der ausschließlich angelsächsisch singt, und AFM Records sind als Plattenlabel am Start, man macht also Nägel mit Köpfen. Ich bin gespannt, aber auch ein wenig skeptisch. Lustig maskierte Typen mit Instrumenten? Gab‘s das nicht schon mal? Und wahrscheinlich auch noch in besser?
Nur fünf Minuten später dämmert mir, wie sehr ich mich geirrt habe, und wie unnötig meine Skepsis war. Dymytry haben sich nichts Geringeres auf die Fahnen geschrieben, als den Backstage Club komplett zum Ausrasten zu bringen, und besonders nach der hochkarätigen Vorbereitung durch die beiden anderen Bands scheint jetzt alles möglich. Eine Gruppe fröhlicher Tschech:innen hat sich im rechten, hinteren Bereich ganz in unserer Nähe eingefunden und feiert noch einmal zwei Stufen lauter als der Rest des eh schon bebenden Saals. Es ist als Eigenschaft schwer zu greifen, aber die Band und vor allem ihr Frontmann, der offenbar deutscher Muttersprachler ist, haben dieses gewisse Etwas, das es braucht, um Menschen völlig mit einem Bann zu belegen und nach Belieben in eine selige Feierekstase zu verfrachten. Der Wechsel zwischen Nackenbrechern wie Revolt oder Awaking The Monster und endlos groovenden Hymnen (Revenant, 1939), die teilweise richtig ans Herz gehen, trifft nicht nur meinen Nerv. All das hat man schon irgendwie, irgendwo einmal gehört, aber eben – anders als befürchtet – nicht besser.
Die Band ist dann von der Resonanz auch in hohem Maße angetan, ist sich aber auch nicht zu schade zu versuchen, auch das letzte Quäntchen Energie herauszuholen, indem man zwar eine bessere Stimmung als kürzlich in der Schweiz attestiert, den Essener Gig jedoch mit einem breiten Grinsen als noch ein wenig energiegeladener bezeichnet. Der gefühlte Abstand zwischen den Musikern und dem Publikum ist in Wirklichkeit noch weitaus geringer als durch die eh schon recht überschaubare physische Distanz zwischen Bar und Bühne im kleinen Backstage Club vorgegeben. Da lässt man es sich auch nicht nehmen, zusammen mit dem Publikum ein Geburtstagsständchen für eine gewisse Birgit anzustimmen, die sich erst nach einigem Suchen zu erkennen gibt.
Im Übrigen bekommt dann auch Drummer Miloš einen ausgedehnten Slot, um sein Können zu demonstrieren, während die anderen die Bühne räumen. Fast zehn Minuten lang drischt er virtuos auf seine Felle ein, im Sitzen, im Stehen, in jeder möglichen Pose. Die Drumsticks fliegen gen Decke und werden souverän wieder aufgefangen. Zum Schluss steht er auf seinem Set, grinst selig und lässt sich feiern.
Irgendwann gegen Ende wird es kurz seltsam, als mysteriös die baldige Ankunft eines Hubschraubers verkündet wird. Das Geheimnis lüftet sich schnell, als plötzlich niemand Geringeres als Süd und Ost von Hämatom auf die Bühne stürmen und zusammen mit Dymytry dem inzwischen schier in Flammen stehenden Club auch noch das Letzte abverlangen.
Nach zwei Zugaben ist der letzte Aufguss beendet, und ich spüre meine Beine nicht mehr. Absolut platt schleiche ich Richtung Parkplatz. Dieser Abend wird mir noch lange in Erinnerung bleiben!