Eventname: Heimburger Metalnacht Festival 2023
Bands: Abglanz, Black Messiah, Equilibrium, Heidevolk, Macbeth, Nameless Death, Nightmare, Quasimodo, Scar Symmetry, SkyEye, Sons Of Odin, Torturized
Ort: Metalnachtplatz, zwischen Heimburg und Benzingerode
Datum: 28.07. und 29.07.2023
Kosten: Zweitagesticket inklusive Camping: 75 €, Tagestickets ab 40 €
Genres: Black Metal, Pagan Metal, Melodic Death Metal, Heavy Metal, Death Metal, Folk Metal
Besucher: Freitag ca. 300 Besucher, Samstag ca. 450 Besucher
Veranstalter: Kneipe „Linde“
Link: https://www.heimburgermetalnacht.de/
Der Himmel brennt, die Engel flieh’n, wenn Metaller gen Heimburg zieh’n (na, wen habe ich beim Mitsingen erwischt? 😄). Nicht nur die Engel fliehen, wenn die Heimburger Metalnacht vor der Tür steht, sondern auch die Regenwolken, die den gesamten Monat über für ungewöhnlich viel Niederschlag sorgten. Wie schon in den beiden Jahren zuvor steht feinstes Festival-Wetter mit sonnigen Temperaturen ganz oben auf der Running Order, obwohl es zunächst nicht so aussieht. Egal, denn die letzten grauen Wolken werden lautstark weggegrölt. Bevor es wieder auf den unheiligen Metalnachtplatz geht, sind Ortskenntnisse gefragt. Deutschland wird seinem Ruf als besonders bürokratisches Land mal wieder gerecht, denn die angestammte Location zwischen Heimburg und Derenburg steht kurzfristig aufgrund geänderter Mähfristen nicht zur Verfügung. Immerhin konnten die Veranstalter für Ersatz sorgen und so geht es weiter in Richtung der Touristenhochburg Wernigerode zwischen Benzingerode und dem namensgebenden Örtchen Heimburg. Während ich mich vor dem geistigen Auge schon im Harz herumirren sehe, sorgen die präzisen Anweisungen via Social Media für den Schubs in die richtige Richtung. Die Zelte sind schon von weitem zu sehen. Es ist angerichtet.
Obwohl im Vergleich zum Vorjahr (zum Bericht) nicht das Wacken-Wochenende auf dieselben Tage fällt, finden nicht allzu viele Metaller den Weg zum familiären Festival. Ca. 300 Karten wurden vorab verkauft, wie Veranstalter Kay Sebastian zu Protokoll gibt. Die Woche, nachdem das benachbarte Rockharz Festival stattfand, sorgte dank vermehrter Werbung allerdings noch mal für den nötigen Schub beim Vorverkauf.
Was hat sich verändert? Auf den ersten Blick nicht viel. Direkt nach der Akkreditierung laufen mir die ersten bekannten Gesichter über den Weg. Familiär wird hier definitiv großgeschrieben. Das bekannte Essensangebot ist nach wie vor überschaubar, wenn auch ausreichend, angesichts der paar Nasen auf dem Platz. Hinzugefügt wurde ein Stand mit Süßkram, was ich sehr begrüße – es geht doch nichts über eine „Bunte Tüte“. Das Infield ist deutlich ebener, was die Fortbewegung und auch das anstehende „Tanzprogramm“ deutlich erleichtert. Nur magentafarbener Internetempfang will sich hier partout nicht aufbauen. Muss ich wohl doch mit Menschen sprechen. Die Running Order verrät, dass das Festival im Vergleich zu den Vorjahren deutlich internationaler geworden ist: Italien, Slowenien, Frankreich, Schweden, Niederlande, Magdeburg. 😉
Die erste Band des Tages kann einem schon fast leidtun. Als die ersten Töne des Intros der italienischen Manowar-Tribute-Band Sons Of Odin erklingen, herrscht gähnende Leere vor der Bühne. Der frühe Start um 15 Uhr an einem Freitag kann gerne für nächstes Jahr nach hinten verlegt werden, denn viele Besucher machen sich erst nach Feierabend auf den Weg, wie zahlreiche Gespräche bestätigen. Je mehr den Fans klar wird, dass hier den „Kings Of Metal“ gehuldigt wird, desto voller wird es auch. Come on, den einen oder anderen Manowar-Song kann nun wirklich jeder mitgrölen. Den Spaß und die Dankbarkeit merkt man den Jungs aus Modena jedenfalls zu jeder Sekunde an. Damit hier keine Zweifel aufkommen, wem hier Tribut gezollt wird, macht der Battle-Hyms-Klassiker Manowar den Auftakt. Spätestens zu Fighting The World sieht man die ersten Fans den typischen „Sign of the Hammer“-Gruß in Richtung der Söhne Odins recken. Ein Problem mit dem Pedalboard des Gitarristen sorgt für eine kurze Unterbrechung im anderthalbstündigen Set. Provokative Ansagen mit einem Augenzwinkern wie „Probably noone knows this song“ wecken die Meute auf: „Other Bands play, Manowar kill!“ Geht doch. Der harte Akzent des Sängers macht es zwar nicht einfach, aber sein unablässiges Grinsen ist einfach ansteckend und die Eric Adams typischen Screams hat er drauf. Er fordert lautstark den Support für die anderen Bands und zählt alle mit den Worten „wow, I‘ve done my homework“ auf. Geiler Typ! Das Stageacting der Band ist allerdings verbesserungswürdig, denn so alt und hüftsteif wie ihre Vorbilder sind die Italiener nicht. Gänsehaut gibt es gratis zur Ballade Master Of The Wind. Wer am lautesten schreit, bekommt recht oder den Drumstick, wie das „Woo-Girl“ in der ersten Reihe beweist. Zu Warriors Of The World wacht das Publikum dann endgültig auf und schon stehen die Rausschmeißer in Form von Kill With Power und Black Wind, Fire And Steel vor den Toren Valhallas. Guter Auftakt!
Nach ihrem starken letzten Output Soldiers Of Light freue ich mich besonders auf die Slowenen von SkyEye. Über 1.000 km mit dem Auto hat die Band zurückgelegt, um im Harz zur rocken – Respekt! Meine Erwartungshaltung soll sich schnell bestätigen, denn hier ist richtig Action auf der Bühne. Sänger Jan, den man das gesamte Wochenende über auf dem Gelände antrifft, spielt schon fast in einer anderen Liga. Seine sympathische Ausstrahlung untermauert er mit grandiosen Gesangslinien. Einige Metalheads in der ersten Reihe sind mit den eingängigen Refrains der Slowenen vertraut. Ein lautstarkes „I love you“ wird von Sänger Jan mit einem breiten Grinsen und aufrichtigen „I love you too, man“ entgegnet. Alles ultraböses Teufelspack, diese Metaller. Für den Frontmann gibt es keinen Stillstand. Es geht vor die Absperrung und zurück. Jan versucht alles, um der Meute einzuheizen. Ein Song vom kommenden Album wird ebenfalls zum Besten gegeben. Diese Jungs sollte man auch für größere Aufgaben auf dem Zettel haben.
Vorfreude, Part 2. TFM-Kollege Andi hat mich bereits vor drei Jahren mit dem Brecher Aeternam von Nightmare angefixt. Der „härter, als du denkst“ Power Metal der Franzosen macht süchtig. Die Karriere von Nightmare reicht bis Ende der Siebziger zurück. Witzigerweise dürften die meisten der aktuellen Bandmitglieder zum Zeitpunkt der Bandgründung noch als Quark im Schaufenster gelegen haben. Lediglich Basser Yves tritt als Zeitzeuge und Gründungsmitglied auf die Bühne. Auch Sängerin Madie, die Aeternam mit ihrer kräftigen Stimme veredelte, ist mittlerweile Geschichte. In Heimburg steht Barbara Mogore auf der Bühne und genau davor wird es merklich voller. Da hat sich etwas herumgesprochen. Die Dynamik zwischen den Bandmitgliedern ist ein Traum. Hier wird gepost, was das Zeug hält. Hier stehen keine Anfänger auf den Brettern. Barbara macht ihre Vorgängerin mit einem Mix aus Klargesang und vereinzelten Growls schnell vergessen und Gitarrist Matt Asselberghs ist eine Show für sich. Beide tragen Outfits, die selbst 80er-Glambands in Ehrfurcht erstarren lassen. „Middlefingers up, to those who wanna stop us“ macht Barbara in ihrer Ansage deutlich. Der Sound legt auch noch mal eine Schippe drauf. Das auch beim Rockharz oft zitierte „keeping live music alive“ ist heute wichtiger denn je und wird auch von der Frontfrau in das gut aufgelegte Publikum gefeuert.
Die nächste Umbaupause wird von Veranstalter Kay genutzt, um etwas Organisatorisches loszuwerden. Abglanz tauschen ihren Slot mit Scar Symmetry, sodass die schwedischen Headliner heute zum Abschluss spielen. Zwei „Geburtstagskinder“ dürfen auf die Bühne und werden besungen, ehe das Kay das Publikum zu noch mehr Party animiert.
Nach dreimal Power Metal zum Auftakt nimmt die Magdeburger Todesblei-Macht Torturized die Aufforderung des Veranstalters beim Wort und liefert einen Abriss par excellence. Ohne jeden Zweifel sind Band und Publikum sofort „im Modus“. Einige Fans sind auch extra für „ihre Jungs“ angereist. Bevor es zur Sache geht, gibt es ein Stößchen mit Schnappes auf der Bühne. Mut antrinken oder wie? Frontsau Lu sieht „ein paar Arme“, ist aber noch nicht zufrieden und fordert einen Circle Pit, der zu Asylum vom letzten Album Aftermath abgeliefert wird. Den Sänger hält heute nichts an seinem Platz. Vor die Absperrung – Handshakes. Auf die Absperrung – High Fives. Vor lauter Aufregung sagt er den falschen Song an und erntet Spott von Gitarrist Siggi. Moshpits und „Einer geht noch rein“-Gesänge dominieren den Metalnachtplatz. Hopfenkaltschale wird vom „Bierlieferanten“ auf die Bühne gebracht und ein Drumstick für die Dame in Reihe eins überreicht. Lu freut sich über die Resonanz und bittet um Unterstützung für das tolle Festival. Wie kann man das Fass zum Überlaufen bringen? Richtig, in dem man seinen Sänger plus den Gitarristen (in Flipflops!) in den Moshpit entsendet. Genau dort bin ich dann auch für den Rest des Sets zu finden. Für diese Momente lebe und atme ich. Das Leben ist zu kurz für Stillstand. Eines steht fest: Die Magdeburger wissen, wie man müde Knochen zum Tanzen bringt.
Etwas Mystisches ist im Anmarsch. Black Metal mit dicht gewebter Atmosphäre aus dem Harz, so könnte man Abglanz in wenigen Worten umschreiben. Neben der aktuellen EP Call Of The Woods hat die Band aus Goslar scheinbar auch einige Fans im Gepäck. Das grüne Licht bei Dunkelheit sorgt für die nötige Stimmung. Klassischer Black Metal ohne unnötige Raserei und mit atmosphärischen Passagen funktioniert live unglaublich gut. Der Sound ist mittlerweile auch auf höchstem Niveau. Während Abglanz mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, ist selbiges auf der Bühne untersagt. Spaß oder Black Metal – du kannst nicht beides haben. Eine Nummer wird als „Gruß vom Brocken“ angekündigt und das Publikum geht mit. Immer wieder wird die Metalnacht-Flagge in den ersten Reihen hochgehalten, wie schon den ganzen Tag über. Die Verbundenheit ist groß. Neben dem harschen Gesang von Pravum Noctis ist Basserin Mara ein Highlight für sich. Wie in Trance schlägt sie die Saiten ihres wunderschönen Hagstrom-Basses an und lässt ihre lange Mähne fliegen. Dass sie erst seit diesem Jahr Teil der Band ist, fällt nicht weiter auf. Überhaupt sind Abglanz erst seit 2020 zusammen aktiv und weisen dafür einen erstaunlichen Tiefgang in ihren Kompositionen auf. Der besagte Trancezustand überträgt sich auch auf mich. DIE Überraschung bis hierhin.
Vorfreude, Part 3. Scar Symmetry höre ich nun schon eine halbe Ewigkeit und konnte sie bisher nie adäquat live genießen. Da war mal ein Auftritt auf dem Legacy Festival in Dessau, den aber die Rahmenbedingungen unbrauchbar machten. Damals waren die beiden Sänger Roberth Karlsson und Lars Palmqvist noch brandneu in der Band und gehören mittlerweile genauso zum Inventar wie die Gründungsmitglieder Henrik Ohlsson (Drums) und Saitenmagier Per Nilsson. Scar Symmetry werden für mich immer DIE Band unter dem Radar bleiben. Unfassbar talentiert und mit tonnenweise genialem Material bestückt, blieb ihnen fast dauerhaft der ganz große Durchbruch verwehrt. Der Start des einzigen Deutschlandkonzerts zieht sich etwas hin. Der Aufbau der Technik dauert länger als erwartet, aber das Warten lohnt sich. Die abgefahrene Lichtshow mit dem Suchscheinwerfer bietet was fürs Auge und auf der Bühne ist ständig was zum Staunen. Seien es die beiden gut aufgelegten Sänger oder die Saitenkünste von Per und Tourgitarrist Morgan. Fast alle Bandmitglieder steuern Gesangspassagen bei. Obwohl sich die Reihen vor der Bühne extrem gelichtet haben, darf ein bisschen Moshpit-Action zum Bandhit The Illusionist nicht fehlen. Ebenfalls sind die ersten Crowdsurfer des Tages zu verzeichnen. Im Kontrast zur dystopischen Musik mit Virtuosen an den Instrumenten stehen die Ansagen von Per Nilsson, die einfach nur smart und herzlich sind. „We drove all the way from Sweden to Heimburg, to eat some Heimburgers“, gibt er mit einem Lächeln preis. Nach dem Konzert hat er noch Zeit für einen kurzen Plausch und rundet damit den ersten Tag samt Fanboy-Erlebnis ab.
Die Camper bekommen zum Tagesstart – und zum Wohle der Natur – eine kleine Dusche von oben ab. Ich habe meinen verwöhnten Hintern im Trockenen zu Hause geparkt und bin pünktlich zum Start wieder in Heimburg bei bestem Festival-Wetter. Heute ist Tag des Wiedersehens. Quasimodo machen den Auftakt. Die Band, die mit Unterbrechungen seit Mitte der Achtziger unterwegs ist, ist einfach old school as fuck. Ein Teil der Band besteht aus Mitgliedern der Eierlikör- und Lemmy-Verehrer von The Bøneshakers, die 2021 (zum Bericht) meinen Einstieg in die Welt der Metalnacht erschütterten. Noch ist recht wenig los, aber die Stahlhelme in der ersten Reihe sitzen wie eine Eins. Schon mit den ersten Riffs erinnert mich der Sound an die Recken von Tankard. Nicht von ungefähr, denn Tankard-Frontsau Gerre sang neben 17 (!) anderen Szenegrößen auch auf dem letzten Quasimodo-Album Cancer City. Auf der Suche nach einem festen Sänger sind die Berliner nun in Chris „Keksgrinder“ Carl (was für ein Name!) fündig geworden. Dieser darf auf seinem ersten Gig mit der Band direkt in Heimburg ran. „Wie Rob Halford“, mit einem Teleprompter bewaffnet, haut er die Themen um Biker und Antikapitalismus amtlich raus. Unterstützung am Mikro bekommt er vom Bøneshakers-Frontmann und Torger von Godsnake, der ebenfalls auf dem aktuellen Album zu hören ist. Jedes Mal sorgt Chris mit seinen Ansagen für Stimmung auf dem Platz. „Jetzt muss ich schon wieder richtig singen“. Der Bass dengelt, der Spaß kommt nicht zu kurz – so muss es sein. Extra für den Gig gibt es auch Shirts für einen schmalen Taler, obwohl das natürlich „kein Grund ist, den Gig vorzeitig zu verlassen“, wie der neue Frontmann anmerkt.
Oldschool geht es weiter mit Nameless Death aus Thüringen. Ich will ehrlich sein, dem Rest der Zuschauer liegt der „Ufta-Death-Metal“ mit deutschen Texten deutlich mehr als mir. Das ist authentisch und aufgrund der Ansagen auch charmant, aber nicht ganz meine Welt. „Nu wat ruhiges“, kündigt der dornengespickte Frontmann den Song Schmerz als „Lied über einen alten Freund“ an. „Ein schönes Festival mit schönen Leuten“ wird hier genauso unterstrichen wie die hervorragende Organisation und der damit verbundene Dank. Die Zugabe-Rufe geben dieser Verpflichtung recht.
Bevor die nächste Band in den Startlöchern steht, begegnen mir mit René und Flemming (beide Helgrindur) erneut bekannte Gesichter vom 2022er Metalnacht Festival. Flemming darf später auch noch mit Black Messiah auf die Bühne.
Macbeth-Shirts und Patches, wohin man sieht. Vor dem Auftritt schon eine kleine Schlange vor dem Merchstand. Habe ich was verpasst? Ebenfalls seit Mitte der Achtziger mit Unterbrechungen unterwegs, ist dieser Name bisher komplett an mir vorbeigegangen. Ganz ohne den Namen Sodom komme ich nicht am Sound der Erfurter vorbei, ohne hier irgendwelche Kopiervorwürfe abzuladen. Die Ähnlichkeit liegt einfach an der Mischung aus Heavy Metal und Thrash nebst Kriegsthematiken. Die nicht mehr ganz jugendlichen Herren auf der Bühne zeigen so manchem Jungspund, wo der Hammer hängt. Hier werden Kilometer gemacht, Plätze getauscht, gepost und gemosht, was das Zeug hält. Als Show für sich seien hier Reibeisenstimme Oliver Hippauf und Basser Hanjo Papst genannt. Energie für eine ganze Armee haben die beiden. Der Gitarrensound ist arschgeil. Ähnlich wie die legendären Ansagen des Herrn Angelripper kann auch Rampensau Oliver mit heiserer Stimme punkten. „Heute Morgen habe ich mich gefühlt wie ein Trümmerhaufen“, sagt er, nur um kurze Zeit später die erste Reihe entlangzurasen und die Fans abzuklatschen. Das Publikum ist so gut gelaunt wie gestern bei Torturized und wird mit Gratisshirts belohnt. Die Attacke in Form eines derben Moshpits folgt der Ansage des „Brutz und Brakel Gedächtnissongs“ Brandstifter auf dem Fuße. Zu Maikäfer Flieg testet Oliver die Vorschul-Kenntnisse der Fans. Das Boot sorgt mit der bekannten Melodie für zusätzliche Gänsehaut. Purer Abriss!
Hilfe! Die holländischen Heiden fallen ins Sachsenland ein. Na ja, ganz so barbarisch wie die besungene Kultur und Mythologie germanischer Stämme kommen die Folk/Pagan Metaller aus dem Nachbarland auf der Bühne nicht rüber. Ganz im Gegenteil. Das größtenteils mehrstimmige, in niederländischer Sprache vorgetragene Liedgut von Heidevolk hat eher was Versöhnliches an sich. Einfach Arm in Arm mit den besten Kumpels feiern und das Horn zu Bandklassikern wie Saksenland, A Wolf In My Heart oder der aktuellen Single Drinking With The Gods erheben. Einige Fans treten nach ausreichender Stärkung an den Essensständen auch in passenden Gewandungen auf den Platz. Die sechs Herren auf der Bühne haben jedenfalls richtig Bock und punkten neben den eindrucksvollen Gesängen auch mit melodischen Gitarrenläufen und sympathischen Ansagen in gebrochenem Deutsch. Der Abschluss sorgt noch einmal für richtig ausgelassene Stimmung. Der Song erzählt die Geschichte eines schelmischen Wesens namens Vulgaris Magistralis, das auf einem Mammut reitet und auf einem funktionierenden Vulkan kocht – kranker Scheiß!
In der nächsten Pause wird es emotional. Kay kündigt einen kleinen Jungen an. Dieser erzählt von seinem kürzlich verstorbenen Opa, der heute seinen Geburtstag gefeiert hätte. Ohne Scheu animiert er die Besucher dazu, achtsamer zu sein und seine Liebsten öfter in den Arm zu nehmen und einfach zu sagen „Ich hab‘ dich lieb“. Auch beim Schreiben dieser Zeilen kochen die Emotionen wieder hoch.
Es wird Zeit für den Headliner! Kaum eine Band hat auf dem benachbarten Rockharz Festival wenige Wochen zuvor für so viel Gesprächsstoff gesorgt wie Equilibrium. Auch auf dem Campground in Heimburg fällt der Name immer wieder in hitzigen Diskussionen. Der Grund? Nach ohnehin zahlreichen Besetzungs- und Stilwechseln haben sich die Mannen um Mastermind René Berthiaume von ihrem langjährigen Sänger Robse getrennt. Das offene Casting brachte den neuen, bis dato eher unbekannten Neuen am Mikro namens Fabian Getto hervor. Ein ziemliches Energiebündel, dessen Gesangsleistung beim ersten Gig auf dem Rockharz für unterschiedliche Meinungen sorgte. Mal sehen, was er heute auf die Bretter zaubern kann. Die erste Single mit dem neuen Frontmann namens Shelter zeigt vermutlich die endgültige „neue“ Richtung der bayrischen Band auf. Hier ist von der ersten Sekunde an Feuer auf der Bühne. Die Social-Media-Crew der Band sorgt für einen harten Fotografen-Überschuss und man muss vor der kleinen Bühne aufpassen, niemanden umzurennen. Bin ich persönlich als Anhänger der ersten Stunde und dem Debüt Turis Fratyr zugetan, hat sich der Sound doch stark modernisiert und legt Wert auf elektronische Zusätze. Dem gut aufgelegten neuen Fronter frisst das Publikum förmlich aus der Hand und singt, klatscht, springt und hat einfach Spaß. Egal, ob beim Cover des Hooters-Klassikers Johnny B., Born To Be Epic oder Heimat, das Fabian seiner „neuen kleinen Heimburger Familie“ widmet, hier ist Party angesagt. Immer wieder werden Circle Pits gefordert und auch abgeliefert. Die lautstarken Zugaberufe werden mit dem Bandklassiker Blut Im Auge belohnt. Der „Neue“ nimmt sich nach dem Konzert Zeit für seine ebenfalls neu hinzugewonnenen Fans. Die neue Ära der Band ist eingeläutet.
Bevor die letzte Band des Festivals auf dem Plan steht, gibt es hinter dem Campingground noch ein kleines Feuerwerk zu bestaunen.
Jetzt gibt es erstmals Keyboard- und Violinenklänge bei Black Messiah auf die Ohren. Vor der Bühne tummeln sich noch erstaunlich viele Feierwütige. Von Müdigkeit keine Spur. Dafür ist der tanzbare Folk Metal der Mannen aus Gelsenkirchen genau richtig. „Heimburg, ich will euch singen und tanzen sehen“, schreit Sänger Zagan in den Harzer Nachthimmel, um anschließend festzustellen,´, „dass man als letzte Band vorher nicht saufen darf.“ Das Söldnerschwein sorgt für Stimmung, ehe der 98er-Track Pagan Winter sich ebenso atmosphärisch präsentiert wie die geschmackvolle Lichtshow. Die Knochen werden doch langsam müde und können nur noch durch das Sauflied überrumpelt werden. Prost und gute Nacht!
Wie immer komme ich zum gleichen Fazit wie die Bands auf der Bühne: Tolle Organisation und Umsorge, die ihresgleichen sucht. Ein Gefühl wie ein jährliches Familientreffen mit guter Musik. Also, alle ab in den Harz, nicht nur zum Wandern und Sightseeing. Am 26. und 27. Juli 2024 geht es weiter auf dem Metalnachtplatz. HIER könnt ihr euch Karten organisieren. Bis dann!