Open Air Seedorf 2024 am 20.07.2024 auf der Pferdewiese in Seedorf

Wie funktioniert ein Metal-Festival auf dem Dorf?

Festivalname: 14. Open Air Seedorf 2024

Bands: Illdisposed, Bad Butler, Hell In The Skies, Dishonor, Heaven’s Guard, Defhead, Maybe Tomorrow, Mirco M

Ort: Pferdewiese, Seedorf (bei Bad Bevensen)

Datum: 20.07.2024

Kosten: 15,00 €

Zuschauer: ca. 600

Veranstalter: Seedorfer Dorfgemeinschaft e.V.

Links: https://www.oas-seedorf.de/

Manche Dinge fallen einem über die Füße. Illdisposed waren am Freitag auf dem R.U.D.E. Festival bei Magdeburg und schrieben, dass am Samstag in Seedorf gespielt wird. Den Ortsnamen Seedorf gibt es wohl 100-mal in Germany. Etwas überraschend ist die Postleitzahl. Die startet mit einer Zwei vorne. Genaueres Prüfen führt zum Ergebnis, dass das angesprochene Seedorf bei Bad Bevensen in der Lüneburger Heide liegt. Ein in der näheren Umgebung mir unbekanntes Festival, wo Illdisposed aufschlagen? Da kann Mensch mal vorbeischauen. Ein weiteres Argument: 15 € Eintritt. Also am Samstag mal kurz ins Auto gesprungen. Anstatt die B4 immer geradeaus zu fahren, führt eine nicht endende Umleitung zu einer mehr als verspäteten Ankunft. Dieser Verspätung fällt die erste Band Maybe Tomorrow leider zum Opfer. Kurz umgesehen: Portion Pommes 2,50 €, 0,4 Becher Wasser 2,00 €. Geht also doch anders, als dass Menschen, die auf ein Festival wollen, vorher einen Kredit aufnehmen müssen.

Organisatoren sind das 300-Seelen-Dorf Seedorf, die einen Verein gegründet haben, der das Open Air Seedorf durchführt. Das gesamte Dorf scheint auf den Beinen zu sein. Es gibt einen Tisch für die Generation 65+ des Dorfes. Genauso sind kleine Kinder, natürlich mit Gehörschutz, auf dem Gelände unterwegs. Das Festival hat auch einen gewissen Dorffestcharakter. Die Menschen am Tresen oder Einlass sind ehrenamtliche Helfer aus dem Dorf. Es ist kochend heiß am heutigen Samstag und die Bühne steht etwas ungünstig. Während ihres Auftritts stehen die Künstler und Künstlerinnen in der prallen Sonne. Defhead erwehren sich nach Kräften, trotzdem sind die Herren auf der Bühne nach wenigen Minuten komplett durchgeschwitzt. Headbangen auf und vor der Bühne ist am frühen Nachmittag Hochleistungssport. Es gibt von der Band aus Hannover einen Mix aus Hard Rock, Heavy Metal mit progressiven und auch jazzigen Einflüssen.

Heaven´s Guard – Open Air Seedorf 2024

Die Umbaupausen ziehen sich etwas, dann stehen Heaven’s Guard, ebenfalls aus Hannover, auf der Bühne. Komplett in schwarzen Kutten und die Sopranistin Doreen Fleck in Leder gehüllt, sorgen die Damen und Herren für reichlich Headbangen zu einem dunklen Stilmix, der auf Symphonic Metal beruht. Das Keyboard und die Samples sorgen für das Volumen, da das Quintett nur mit einer Gitarre unterwegs ist. Für Menschen mit einer Vorliebe für Bands wie Xandria, Sirenia oder Tristania wäre der Fünfer eventuell ein Tipp.

Weiter geht es mit Metalcore aus Bremervörde. Dishonor sorgen erstmals für Bewegung vor der Bühne und sind stilistisch die bisher gradlinigste Band. Es ist vor allem Zeit für die junge Generation, sich vor der Bühne auszutoben und den hohen Temperaturen zu trotzen. Deutschrock? Bei einem gemischten Publikum gehen solche Töne immer. Mirco M ist ein Trio aus Itzehoe, das von Mirco M eigentlich als Soloprojekt gestartet wurde. Der Sound ist modern ausgelegt und die Texte nicht vergleichbar mit so manchem Schund, den das Genre hervorbringt.

So langsam ist die Sonne verschwunden und Hell In The Skies aus Eberswalde sind Band Nummer sechs am heutigen Tag. Es gibt erneut einen wilden Genre-Mix. Doom und Stoner Rock ist bekannt und nicht neu. Diese beiden Formen aber noch mit Heavy Metal und Hard Rock anzureichern und somit das Repertoire entsprechend aufzuweichen, mutet etwas überfordernd an. Eine junge Band, die bisher zwei EPs veröffentlicht hat, wird ihren musikalischen Weg weiter gehen und sich stilistisch finden. Handwerkliches Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden.

Bad Butler – Open Air Seedorf 2024

Einen sehr weiten Weg haben Bad Butler aus Saarbrücken. Saarbrücken? Das ist doch die Heimat der Möchtegern-Rumänen von Powerwolf. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Tom Diener, ehemaliger Drummer und Gründungsmitglied von Powerwolf, war bis 2023 an den Drums bei Bad Butler aktiv. Leider erkrankte Diener und verstarb dieses Jahr. Musikalisch gibt es klassischen Heavy Metal, der einen Schlenker zum Power Metal wie auch zum Hard Rock unternimmt. Zum Ende covern sich die Saarländer mit All Over You vorwärts. Für die alkoholgetränkten Menschen vor der Bühne die Chance zum Mitgrölen. Ken Holst, Gitarrist von Illdisposed, beobachtet das Treiben, schüttelt mit dem Kopf und verschwindet.

Der Headliner stellt alle bisherigen Bands musikalisch in den Schatten. Illdisposed sind seit 30 Jahren im Death Metal unterwegs. Genau das zeigen die Herren auch auf der Bühne, egal ob es die eine oder andere Rückkopplung gibt. Aus dem Rahmen fällt Sänger und Bandchef Bo Summer. Warum versucht er krampfhaft Deutsch zu reden, wenn der Wortschatz sehr begrenzt ist? Das Publikum mit „alle schwul und behindert“ zu betiteln, hätte an einem anderen Standort gegebenenfalls zum sofortigen Konzertende geführt. Was auch immer im Kopf von Summer vorgeht – mit derartigen Aussagen wird er sich keine Freunde in der Metalszene machen.

Illdisposed – Open Air Seedorf 2024

Klar, die wirklichen Metalheads vor der Bühne sind in der Minderheit und eine gewisse Lustlosigkeit nach dem Motto „was machen wir hier eigentlich“ ist bei den Dänen zu spüren. Es ist nicht überall Party.San oder ein Death-Metal-Fest. Die wirren Ansagen von Summer lassen den guten musikalischen Auftritt in den Hintergrund rutschen. Ein Beispiel ist Dark vom 2004er-Erfolgsalbum 1-800 Vindication, bei dem Summer von einer Sängerin unterstützt wird. Beide schouten um die Wette und der Song sorgt für geschlossenes Headbangen bei der Metal-Fraktion. Der Klassiker Purity Of Sadness von 1995er-Longplayer Submit schließt das circa 45-minütige Set der Dänen ab. Während alle anderen Bands beim Merch präsent sind, sind Illdisposed sofort verschwunden. Auf die Nutzung des Merchstands zum Verkauf von entsprechenden Artikeln verzichten die Dänen ebenfalls.

Kommen wir zum Fazit: Metal auf dem Dorf funktioniert, solange es Konsens-Metal ist. Eine Status Quo oder Sabaton Coverband dürfte besser funktionieren als Illdisposed. Die Masse der Besucher kommt wegen der Sause auf das Gelände. Die Art und die Qualität der Musik scheint eher zweitrangig zu sein, solange dazu Party geht. Alle Bands, egal ob Headliner oder Band vom Dorf, spielen 45 Minuten. Interessant ist das Open Air Seedorf vor allem für Nachwuchsbands. Nicht alle Bands können heute überzeugen, aber der eine oder andere Tipp ist für entsprechende Genre-Liebhaber dabei.