Rock In Rautheim 2024 am 10.05. und 11.05.2024 in Braunschweig

Das inklusive Festival erobert die Herzen der Metalfans im Sturm

Festivalname: Rock In Rautheim 2024

Bands: Fheels, Quasimodo, April Art, Masters Of Ceremony Plays Heavens Gate, Rage, Metzer 58, Frozen Crown, Sascha Paeth’s Masters Of Ceremony, Tailgunner, Brothers Of Metal, Dirkschneider

Ort: Gelände der Lebenshilfe, Heinz-Scheer-Straße 2-3, 38126 Braunschweig

Datum: 10.05. bis 11.05.2024

Kosten: Wochenendticket 60,50 € VK/AK, Tagestickets: Freitag/Samstag 38,50 €, Ermäßigungen für Menschen mit Behinderung, Kinder unter 12 Jahren haben freien Eintritt

Genre: Alternative Rock, Heavy Metal, Modern Metal, Power Metal, Punkrock

Besucher: ca. 2.500 pro Tag

Veranstalter: Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH (https://www.lebenshilfe-braunschweig.de/)

Link: https://www.rock-in-rautheim.de/

Setlisten: Einige Setlisten des Wochenendes findet ihr HIER

Das inklusive Festival Rock In Rautheim im Südosten Braunschweigs legte die Messlatte in den vergangenen beiden Jahren extrem hoch (zu unseren Berichten: 2022 & 2023) und sorgte mit seinen für dieses Jahr angekündigten Acts für Vorfreude: Rage mit Orchester, Udo Dirkschneider, April Art oder die alten Nummern von Heavens Gate sind nur einige Namen, die mich und zahlreiche andere Fans in die niedersächsische Stadt locken. Die laute Zusammenkunft von jung bis alt, von Menschen mit und ohne Behinderung ist einfach ein friedliches Heavy-Metal-Familientreffen.

Freitag – 10.05.2024
Impressionen – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Mein erstes Open Air des Jahres steht an und die Laune könnte nicht besser sein. Bei feinstem Festival-Wetter, 22 Grad und strahlender Sonnenschein, treffe ich mit guten Freunden im Schlepptau auf dem Gelände des Veranstalters, der Lebenshilfe Braunschweig, ein. Was hat sich verändert? Auf den ersten Blick ist die Bühne sowohl in die Höhe als auch in die Breite gewachsen. Im letzten Jahr ist mir tatsächlich entgangen, dass auf dem Veranstaltungsgelände auch der international renommierte Edelbass-Hersteller Sandberg zu finden ist. Sachen gibt’s. Eine Stunde vor dem offiziellen Einlass hat das Team noch keine Listen für die Akkreditierung parat. Obwohl dennoch alles glattläuft, könnte man solche Absprachen verbessern. Der Einlass der Fans läuft reibungslos. Auf dem Infield suche ich akribisch nach weiteren Neuerungen. Das Essensangebot wurde um Burger und Chili, beides auch vegan/vegetarisch erhältlich, erweitert. Schnappes gibt es vom regionalen Urgestein Jägermeister. Schnabulöses wie Eis, „Bunte Tüten“ und die obligatorischen Bratwürste und Pommes sowie Döner sind geblieben. Allgemein sind die Preise für Getränke und Essen nur geringfügig angestiegen. Auch die freundlichen Gesichter und die entspannte Atmosphäre sorgen direkt wieder für einen hohen Wohlfühlfaktor. Das Merchangebot wird von uns inspiziert und dabei fällt auf, wie gut der Turnbeutel verarbeitet ist. Das RIR-Merch wird in der Werkstatt der Lebenshilfe produziert. Von Veranstalter Marco Spiller erfahre ich, dass die Zuschauerzahl um satte 1.000 Nasen gegenüber dem Vorjahr angewachsen ist. Sichtlich stolz über die 2.500 Gäste pro Tag erzählt er mir, dass er maximal mit 2.000 Menschen rechnete. Scheinbar gab es kurz vor dem Start noch zahlreiche kurzentschlossene Metalfreunde. Dann kann es ja losgehen!

„We’re back once again, this is how it sounds“

Fheels – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Die Hamburger Alternative Band Fheels darf das Festival eröffnen. Wie aus dem letzten Jahr gewohnt, ist der Sound perfekt abgemischt. Jedes Instrument bekommt seinen Platz und die teils psychedelischen Soundlandschaften finden direkt Anklang bei meinem Kumpel und mir. Sänger und Gitarrist Felix Brückner verfügt in seinem rezitativen Gesangsstil über eine herausragende Range. Felix ist seit einem Snowboard-Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen und weist auf die Hürden anderer Festivals hin. „Meist muss ich auf die Bühne getragen werden“, sagt er und dankt dem Team für die ausgezeichnet umgesetzten Lösungen vor Ort. Die abgespacten Duelle zwischen ihm und Keyboarder Tobias Nitzbon beamen mich in eine andere Welt. Ich träume von Muse, Tool und Radiohead, ehe mich harte Akkorde wieder zurück in die Realität befördern. „Wir haben unseren Backdrop vergessen, deshalb könnt ihr unseren wunderschönen Namen nicht lesen“, haut Brückner mit einem Lächeln raus. Fheels ist definitiv ein Name für mein Notizbuch und mein Kumpel und ich halten Ausschau nach kommenden Konzerten in der Nähe. Starker Auftakt!

Quasimodo – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Bei der zweiten Band des Tages gibt es ein Wiedersehen mit den sympathischen Jungs von Quasimodo. Zu den oldschool Klängen der Berliner durfte ich schon bei der letztjährigen Ausgabe der Heimburger Metalnacht abschädeln. Zu meiner Verwunderung ist heute nicht Chris „Keksgrinder“ Carl am Mikrofon zu hören. Kaum hatte ich ihm letztes Jahr diesen festen Posten angedichtet, schon ist er auch wieder weg. Blues-Röhre Saskia Hedzet (Last Jeton) war schon auf Cancer City (2022) zu hören und verleiht Songs wie Boneshaker oder Cancer City eine ganz eigene Note. In ihrem NWOBHM-Gedächtnisoutfit hinterlässt sie einen starken Eindruck am Mikro und darf nebst Feuerbällen natürlich auch „ihren“ Song Lady Insane ins Publikum feuern. Die Reihen füllen sich und die oldschool Riffs hauen einiges weg. Gitarrist Marco bedankt sich bei den Fans in Salzgitter. Nah dran, aber doch vorbei. Der Staffelstab aka Mikrofon wird an Torger von Godsnake weitergereicht, der die nächsten drei Songs mit seiner markanten Stimme veredeln darf. Basser Ronald möchte auch mal ran und rotzt lässig Motörheads Loser auf den heißen Asphalt in Rautheim. Thrash will be Thrash. Da für Pride Is Gone nicht, wie auf Platte zu hören, Tankards Gerre verfügbar war, übernimmt Headshot-Frontfrau Daniela kurzerhand. Von ihrem „lieblichen“ Organ konnte ich mich bereits im letzten Jahr auf dem RIR überzeugen. Einen haben wir noch: Torgers Bandkollege und Ancient-Curse-Fronter Pepe Pierez wird auch noch zur Party eingeladen und begrüßt die Fans mit einem herzlichen „Habt ihr Bock auf 80s Metal?“, ehe alle sich alle anderen SängerInnen um ihn versammeln, um Shot In The Dark zu performen. Fetzt!

Die nächste Umbaupause wird genutzt, um Bratwurst sowie Softeis zu konsumieren und dem bunten Treiben zuzuschauen. Das Leben kann schön sein. Die zahlreichen Sitzmöglichkeiten, auch im Schatten, erleichtern den Festivalbesuchern und mir den Tagesablauf erheblich.

April Art – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Schluss mit Altherrenrock, Zeit für Modern Metal und junges Blut. Blut ist auch gleich das Stichwort für das knallrote Outfit der hessischen Band April Art, die zur Verstärkung eine kleine Fangruppe dabeihaben. Von der ersten Sekunde an drückt der abermals optimierte Sound dicke Riffs in meine Magengegend. Dazu gesellen sich dezente Elektrosounds und mein Metalcore-Herz hüpft vor Freude. Sofort ist richtig Bewegung auf der Bühne und den Fotografen wird einiges geboten. Der liebe TFM-Kollege Lars wurde bereits auf dem Rockharz 2022 von April Art weggehauen und ich war somit „vorgewarnt“. Frontfrau Lisa-Marie (eine von zahlreichen Powerfrauen an diesem Wochenende) lässt Langeweile nicht gelten und versucht, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Prompt fliegen die Fäuste zu Rising High und spätestens zu Sky Is The Limit hebe ich mal kurz ab. Die Dame am Mikro strahlt positive Energie für ein ganzes Team aus und erinnert mich aufgrunddessen und dank rauer Stimme an Guano-Apes-Frontröhre Sandra Nasić. Moderner Metal ohne Growls ist mal eine erfrischende Abwechslung. Rautheim springt, egal ob 8 oder 80 Jahre alt. Das Verständnis der MusikerInnen auf der Bühne ist großartig. Nicht nur die Frontfrau sorgt für Highlights mit Rap-Einlagen, auch die Instrumentalfraktion sorgt mit schönen Soloeinlagen für herunterklappende Kinnladen. Zusatzapplaus gibt’s fürs Biertrinken auf der Bühne. Irgendwie muss man ja der Hitze entkommen. 😁 Die Single Jackhammer wird am heutigen Tag veröffentlicht und nach kurzem Warm-up sitzen die „I got that Rock ’n‘ Roll, Roll, roll, roll, roll, roll“ Chöre wie angegossen. Eine kleine Einlage zum Metallica-Klassiker Master Of Puppets wird eingestreut und nun heißt es alles hinsetzen und auf Kommando springen. „Ich brauche das ganze Rautheim-Paket“. Das Publikum frisst Lisa-Marie aus der Hand und ich schließe mit ihren Worten: „Danke Rautheim, ihr geilen Schweineeeee“. ❤️

Sascha Paeth’s Masters Of Ceremony Play Heavens Gate – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Was jetzt folgt, darf mit Fug und Recht als emotionales Klassentreffen bezeichnet werden. Die Wolfsburger Heavens Gate wurden Ende der Achtziger von Sänger Thomas Rettke zusammen mit Thorsten Müller, Bonny Bilski, Sascha Paeth und Manni Jordan gegründet und feierten vermutlich in Japan größere Erfolge als in unseren Breitengraden. Dass auch am heutigen Tag Heavens-Gate-Fans zugegen sind, ist an einigen klassischen Fantasy-Shirts aus der Primetime der Band zu sehen. Ich freue mich schon wie ein kleines Kind. Gitarrist und Produzent Sascha Paeth (u. a. Avantasia, Aina) lässt die Erinnerungen am heutigen Tag mit seinem Projekt Masters Of Ceremony aufleben. Ausnahmesänger Thomas Rettke ist leider nicht mit an Bord. Die Aussicht, nur für wenige Nummern auf die Bühne zu kommen, überzeugte ihn scheinbar nicht. Stattdessen darf ein anderes Ausnahmetalent die Klassiker intonieren. Die Amerikanerin Adrienne Cowan wird an diesem Wochenende neue Fans gewinnen, da bin ich mir sicher. Komplettiert wird das Line-Up, wie auf dem bisher einzigen MOC-Album Signs Of Wings (2019), von „Highspeed alien drum bunny“ Felix Bohnke (Edguy, Avantasia), Bassist André Neygenfind und Keyboarder Corvin Bahn. Adrienne ist instant Under Fire und beweist mit dem gleichnamigen Klassiker der Scheibe Hell For Sale! ihr Können. Auf die Frage, wie viel er denn für die Hölle zahlen möchte, antwortet Sascha salopp mit „5 Mark“. „But you will find a way, you had time enough to wooooorry“: We Got The Time von der Überscheibe Livin‘ In Hysteria wird mithilfe des Publikums und geilem Keyboardsolo zum Hit. Obwohl die Fans zunächst etwas müde wirken, ist sich Adrienne sicher, dass das Publikum die Texte besser kann als sie. Scheinbar war die Zeit knapp, um alles zu lernen, deshalb kommt auch ein Teleprompter zum Einsatz. Nicht lange muss ich auf meinen Lieblingssong Livin‘ In Hysteria warten. Die „Hysteriaaaaa“ Screams sitzen! Das Wochenende über mutiert die Power-Metal-Granate mit Meat-Loaf-Gedächtnispart zum Running Gag in meinem Freundeskreis. Scheinbar wird niemand diesen Ohrwurm los. Trotz des Fehlens von Thomas Rettke sollen sich auf diesem Klassentreffen „Ehemalige“ die Klinke in die Hand geben. Miro Rodenberg haut zu Best Days Of My Life in die Tasten. Adriennes Gesangsperformance wird von Song zu Song besser und neben ihr sorgt Keyboarder Corvin immer wieder für leuchtende Augen. Um die Nostalgie perfekt zu machen, gesellen sich für die Zugaben In Control und Gate Of Heaven Robert Hunecke-Rizzo am Bass und Thorsten Müller an den Drums hinzu. Gelungene Zeitreise!

Rage – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Die Spannung steigt, das Kribbeln im Bauch wird stärker. Ähnlich wie Kollege Meddes, der extra für diesen Auftritt anreist, habe ich Rage zwar schon einige Male gesehen, aber bis heute nicht mit Orchester. Der Sache geschuldet, dauert der Aufbau für das Orchester nebst beeindruckendem Bühnenbild etwas länger. Die Wartezeit wird gerne in Kauf genommen, denn man hat schon großes vom Lingua Mortis Orchestra gehört. Heute in Form der, wie es Peavy ausdrückt, „Abteilung Braunschweig“. Um genau zu sein, handelt es sich um das Orchester der TU Braunschweig, angeleitet von „El Maestro“ Pepe Herrero. Der Vorhang fällt, das Licht spiegelt die Stimmung wider. Heute Nacht sind zahlreiche Hobbyfotografen auf der Jagd nach Polarlichtern. Die erleuchtete Pracht auf der Bühne reicht mir jedoch voll und ganz. Die Overture verzaubert und bereits mit dem Opener From The Cradle To The Grave wird klar, wie sehr das Orchester die Durchschlagskraft und Dramatik der Songs steigert. Das Infield ist pickepackevoll und die Fans sind hungrig. Gefüttert werden sie mit Singalongs à la Back In Time oder Over And Over. Die Leitmelodie von Empty Hollow verursacht bei mir in Kombination mit Orchester Gänsehaut am Schienbein. Der Sound war am heutigen Tag eh schon stark, wird aber von Rage noch mal getoppt. „El Maestro“ Pepe Herrero konzentriert sich nicht nur aufs Dirigieren, sondern lässt auch seine Mähne kreisen – sehr sympathisch, der Gute. Jean macht Kilometer und seine Soli durchdringen Stahl und Fleisch. Zu oft habe ich mich nur auf Aushängeschild Peavy fokussiert, sodass ich Jean und Lucky einfach noch mal hervorheben muss. Vielleicht die beste Besetzung der Bandgeschichte (Stefan Weber mit einbezogen, der eine Pause einlegt), obwohl ich stets ein Verfechter der Besetzung Wagner/Smolski/Terrana war. Eine Weltpremiere samt Orchester gibt es mit der Nummer Cold Desire vom aktuellen Album Afterlifelines. Was für ein Brett! Den Ohrwurm zu Phantom Der Oper gibt es gratis. Erneut für Erpeltapete sorgt das Intro zum großartigen Resurrection Day. Überhaupt ist die Songauswahl mehr als gelungen, das unvermeidbare Higher Than The Sky mal ausgeklammert. Aber es gibt ja immer ein erstes Mal. Für andere Fans das erste Mal überhaupt mit Rage und für mich mit dem LMO. Die Zugaberufe hallen noch lange nach. Nach gefühlt viel zu kurzer Spielzeit ist der Zauber auch schon vorbei. Bleibt zum Abschluss des ersten Tages nur die Frage, was schöner ist? Das Bühnenbild, das Orchester, das Wetter oder Jeans Haarpracht? Danke für 40 Jahre Magie, Rage!

Samstag – 11.05.2024

Da die Sonne bereits wieder Vollgas gibt, parken wir unsere Hintern auf den Bierbänken im Schatten. Der zweite Tag des inklusiven Festivals beginnt lustiger als erwartet. Der Grund: Der Kollege oder die Kollegin am Bedienpult für die zwei Leinwände neben der Bühne scheint gut gelaunt zu sein. Via Paint (!) wird Werbung at it’s best präsentiert. So wird Blaubeer-Softeis angepriesen, aber auch betont, dass auf der Food-Meile KEINE Senfeier angeboten werden. So kann’s weitergehen! 😁

Metzer 58 – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Auf der Bühne machen sich gerade noch die ItalienerInnen von Frozen Crown warm und überziehen ihr Warm-up etwas. Hat da gestern jemand etwas zu hart gefeiert? Wie dem auch sei, kurze Zeit später ist Zeit für die erste Band des Tages. Die inklusive Punkband Metzer 58 aus Münster steht in den Startlöchern. Kai aka Bombe sorgt mit einer La-Ola-Welle für den ersten Stimmungscheck. Der Frontmann war bereits gestern einer der Aktivsten vor der Bühne. „Das letzte Mal, als wir hier waren, wart ihr alle noch sooo klein“, haut Basser und Sänger Lennart raus und hat angesichts der gestiegenen Zuschauerzahlen gar nicht mal unrecht. Hier wird gewiehert und ein Fick darauf gegeben, dass man solo ist. Für die Uhrzeit ist es ordentlich voll vor der Bühne und mitgesungen wird ebenfalls. Aus gutem Grund, denn der Punkrock mit Mitsingpotenzial wirkt ansteckend. Abwechselnd wird Metzer 58 zur Jazzband deklariert und in Anspielung auf den gestrigen Headliner muss das Publikum selbst zum Orchester werden. Ralf „arbeitet in einer Werkstatt, wäre aber lieber arbeitslos“, so simpel findet man ein Thema für einen amtlichen Punksong und leitet nebenbei mit „dem schönsten Keyboardsolo der Welt“ ein. Bombe entledigt sich seines T-Shirts und Lennart entert die erste Reihe und zu früh zum „Sssssssaufeeeen“ ist es sowieso nie. Eine echte „tu, wonach dir ist, Hauptsache du hast Spaß dabei“ Band.

Frozen Crown – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Ähnlich wie Metzer waren Frozen Crown bereits gestern im Publikum zu finden. Mit pfeilschnellen Power-Metal-Riffs europäischer Prägung legt das Mailänder Sextett los. Neben Inklusion beweist das Rock In Rautheim das immer größere Standing von Frauen im Metal. Ja, leider ist das auch anno 2024 in einem männlich dominierten Genre noch nicht selbstverständlich. Dreifache Frauenpower ist bei Frozen Crown am Start. Sängerin Giada „Jade“ Etro kann mich nicht so richtig in ihren Bann ziehen. Zu gleichförmig wirkt ihre Stimmlage. Auch die eingestreuten Blastbeats und Folk-Elemente (vom Band) wirken teils deplatziert. Das Publikum ist dennoch hungrig auf Power Metal und ist mit Engagement dabei. Die Riffs drücken weiterhin gut und Bassist Francesco wirkt wie von der Tarantel gestochen. Die Zugaberufe und Frozen-Crown-Sprechchöre bescheinigen der Band einen guten Auftritt, der mich am heutigen Tag leider nicht überzeugen kann.

Sascha Paeth’s Masters Of Ceremony – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Sascha Paeth darf mit den Masters Of Ceremony erneut auf die Bretter und dieses Mal eigenes Material vom Signs Of Wings Album zum Besten geben. Zu meiner Freude darf Adrienne Cowan jetzt ihre volle Bandbreite abrufen und killt direkt zu Beginn mit grandiosen Screams und Growls. Über weite Strecken ist ihr Gesang direkt vor der Bühne leider etwas zu leise gemischt. Dennoch reißen ihre Schreie in Sick sämtliche Mauern ein. Das Publikum wirkt zu Beginn etwas müde oder gar gelangweilt. Ist die Mischung aus atmosphärischen Parts und harten Riffs etwa zu komplex? Egal, ich schwebe abwechselnd auf Wolke 7 und bange im Takt. Auf tödliche Screams in Die Just A Little folgt ein unfassbar smoothes Solo. In Adrienne wohnen ein Engel und ein Teufel. Die Abrissbirne The Time Has Come holpert zunächst etwas, lässt dann aber nichts als verbrannte Erde zurück. Gegen Ende sind auch die Fans voll dabei und freuen sich hoffentlich genau wie ich auf das doppelte Comeback Adriennes 2025 mit MOC und ihrer anderen Band Seven Spires. Hell Yeah!

In der Pause unterhalten wir uns mit einem älteren Ehepaar, das in der Nachbarschaft des Festivalgeländes wohnt. Sie loben die Freundlichkeit und Aufnahmebereitschaft des Festivalpublikums. Diese Tatsache ist neben den vielen Kids und natürlich den beeinträchtigten Menschen auf dem gesamten Gelände genau das, was Rock In Rautheim so liebenswert macht.

Tailgunner – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Da Livedrummer Shakes West von der US-Metal-Legende Riot V wenige Tage vor dem RIR aufgrund eines medizinischen Notfalls ins Krankenhaus musste und die Band keinen Ersatz parat hatte, springen die britischen Newcomer von Tailgunner kurzfristig ein. Ich muss gestehen, sehr zu meiner Freude, da ich die Jungs und Mädels um Induction-Sirene Craig Cairns ins Herz geschlossen habe. Können mich die Songs des Debütalbums Guns For Hire live genauso überzeugen? Nach dem Sirtaki-Intro wird direkt losgelegt, wie die Feuerwehr. Speed-Metal-Riffs peitschen in Songs wie White Death das Fleisch von den müden Knochen. „We are here to put British Heavy Metal back on the map“, haut Fronter Craig nicht ohne Stolz heraus. Das synchrone Gepose sitzt ebenso tight wie die Spandex-Hosen des Fünfergespanns. Scheinbar wird die Band hier nach Kilometern bezahlt, denn für Geld in der Kasse sorgt allein Bassist Thomas mit seinen ständigen Positionswechseln. Dazu dengelt sein Bass richtig fett aus den Boxen. Double-Leads huldigen Maiden genauso wie frühen Helloween, was das Keeper-Shirt von Axtmann Zach zusätzlich unterstreicht. Kein 80s Metal ohne Gitarrenduell. Rhea und Zach „batteln“ um die Gunst des Publikums, ehe das bekannte „Mountain King“-Thema in Priests unsterblicher Hymne Painkiller mündet. „He is the Painkiller“ – so, das Publikum ist endgültig wach. Nach diesem Weckruf laufen die „We stand, we fall“ Shouts in Blood For Blood wie geschmiert. Zu Shadows Of War wird schön synchron die Hüfte geschwungen und Craig tauscht seine Lederkluft gegen eine Tobi-Sammet-Gedächtnisjacke. Zum Abschluss wird mit Don’t Talk To Strangers noch Dio gehuldigt. Die Enkel des britischen Kuttenmetal setzen ein dickes Ausrufezeichen!

Veranstalter Marco kommt mit den verbliebenen Mitgliedern von Riot V auf die Bühne. Die Band ist trotz der Umstände angereist und sendet Grüße an ihren Drummer. Zur Freude der Fans gibt es noch ein kurzes Snippet aus dem Bandklassiker Swords And Tequila (mit einem großen Schluck aus der Tequila-Flasche) und ein krasses „Thundersteeeeel“ von Sänger Todd Michael Hall obendrauf.

Bothers Of Metal – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Es wird voll vor der Bühne und die zahlreichen Shirts kündigen es an: Es ist Zeit für schwedischen Power Metal der Brothers Of Metal. Die mythologisch anmutende Band war bereits 2022 zu Gast in Rautheim. Die Fans sind von der ersten Sekunde an in Singlaune und gesprungen wird, was das Zeug hält. Die dreifache Gesangspower macht im Vergleich zur doch recht eindimensionalen Musik richtig Laune. Mats Nilsson mimt den Animator und wechselt zwischen englischer Sprache und deutschem Kauderwelsch. „Do you like magic? Ok, 16 people like magic“, sorgt für Lacher und natürlich dürfen auch die „noch ein Bier“ Sprechchöre nicht fehlen. The Other Son Of Odin wurde bereits vor zwei Jahren veröffentlicht und wird als Vorbote des neuen Albums, das noch in diesem Jahr erscheinen soll, gespielt. Mats sendet eine Liebeserklärung an Thor und will die Stimmung mit dem „angriest Song“ namens Berzerkir weiter anheizen. Kollege Kai würde das Ganze wohl als Schlager-Metal abstempeln, aber erlaubt ist, was gefällt. Vor allem Powersnake und Chain Breaker heben meine Stimmung. Die Freude in den Gesichtern der Band und der Fans ist nicht zu übersehen. Mats hat den Schalk im (Stier)Nacken und vertreibt sich die Zeit zwischen zwei Songs mit dem alten Volkslied Mein Hut, Der Hat Drei Ecken. Das Heer ist noch mal gefordert. Passend zum Song wird das Publikum in Fire Blood And Steel unterteilt. Der Mix aus Power Metal und Partylaune funktioniert einfach.

Dirkschneider – Rock In Rautheim 2024, Pic by Jürgen F.

Der Letzte macht das Licht aus. Der Part des Rausschmeißers bleibt dem Udo, dem Dirk, dem Schneider vorbehalten. Wenn man langsam etwas müde wird, hilft nur noch good old Udo. Hat auf dem Rockharz funktioniert und wird hier ebenso funktionieren. Mit dickem Basssound seines alten Weggefährten Peter Baltes, den wuchtigen Drums seines Sohnes Sven, Saitenhexer Andrey Smirnov und natürlich Accept-Klassikern im Gepäck kann nichts schiefgehen. Eines der besten Riffs der Metalgeschichte wird in Breaker in den Nachthimmel gefeuert und die „He’s a breaker, he’s a taker“ Chöre sitzen bei den Fans ebenso wie Son Of A Bitch oder I’m A Rebel. Selbstverständlich darf auch eine Überhymne wie Princess Of The Dawn nicht fehlen. „Udo, Udo, Udo“ und Metal-Heart-Sprechchöre gehen Hand in Hand und das Mitsingen der Gitarrenmelodien hat Tradition. „Heidiiiii, heido, heida. Heidi, heido, heida. Heidiiiii, heido, heida. Ha ha ha ha ha ha ha.“ Fans wissen, dass jetzt Accepts Pendant zu Priests Painkiller folgt: Nachdem alle so schnell wie ein Hai geschwommen sind, werfen wir noch ein paar „Bälle“ an die Wand. Udo ist und bleibt deutsches Kulturgut und mit seiner Version von Sinatras My Way entschwinden alle Arm in Arm in die Nacht.

Was bleibt mir zum Schlusswort noch anderes zu sagen, als dass das Rock In Rautheim einen festen Platz in meinem Eventkalender und in meinem Herzen hat! Bei dem angekündigten Line-Up für 2025 (siehe Plakat) ist mein Comeback garantiert.