Eventname: Sear Bliss 2024
Headliner: Sear Bliss
Vorbands: Hrast, Eridu, Rivers Ablaze
Ort: Backstage München (Club)
Datum: 13.10.2024
Kosten: 25,- € VVK
Genre: Atmospheric Black Metal, Melodic Black, Death Metal
Besucher: ca. 80
Veranstalter: Backstage München
Setlisten:
Ich will ehrlich sein – die einzigen Bands des heutigen Abends, mit denen ich mich bereits intensiver beschäftigt habe, sind Eridu und der Headliner Sear Bliss. Während die letztgenannten Ungarn im Zeichen atmosphärischen Schwarzmetalls auf beinahe 30 Jahre seit dem ersten Demo zurückblicken, sind die Münchner von Eridu erst seit 2019 am Start (bzw. seit 2011, wenn man das Vorgängerprojekt Gilgamesh einbezieht) und nicht nur durch die Verortung der lyrischen Thematik im alten Mesopotamien etwas Besonderes innerhalb des metallischen Dunstkreises.
Unterstützung bekommen die genannten Bands durch je einen weiteren Act aus der jeweiligen Heimat. Rivers Ablaze stammen wie auch Sear Bliss aus Ungarn, während Hrast in bayerischen Gefilden zu Hause sind.
An diesem Sonntagabend ist der Backstage Club eher spärlich mit Besuchern gefüllt, und auch die meisten Fotografen, die ich vor dem Gebäude treffe, wollen ins Werk zu Kamelot. Am Ende wird der Club schätzungsweise zu etwas mehr als der Hälfte ausgelastet sein, und ich teile mir den Bereich vor der Bühne mit zwei Kollegen.
Viel Bühnenlicht gibt es wenig, als Hrast dann als Erste die Bühne betreten und wenig später, nach einem kurzen Intro, geht es auch schon mit These Woods Crush Omnipresence aufs Ganze. Der Mann am Mikro, dessen Namen ich auch der Encyclopedia Metallum nicht entlocken kann, steht in schwarzer Lederjacke, die Kapuze zunächst noch tief ins Gesicht gezogen, wie in Fels gemeißelt auf der Bühne und lässt mit volltönendem Geschrei keinen Zweifel daran, was die Stunde geschlagen hat. Eine Reihe weiter hinten lässt der zierliche Mann am Bass die lange, blonde Mähne nur so fliegen, und die doppelte Klampfenfraktion rechts und links drischt nur so in die Saiten.
Der Sound von Hrast ist klassischer, atmosphärischer Schwarzmetall, sehr klar und straight gespielt, ohne zu viele Schnörkel, und hier live mit deutlich mehr Wucht als auf der Platte. Ich denke an Bands wie Battle Dagorath oder Woods Of Desolation, dabei eher das Level des Könnens meinend, dessen wir hier Zeuge werden, als einen direkten Vergleich der Musik an sich anzustellen, der Begriff Atmospheric Black Metal ist eh ein weites Feld.
Kaum überraschend, dass dieses Soundgewitter gut ankommt, Mähnen fliegen und Köpfe nicken, und ich muss mich mehr als nur einmal daran erinnern, dass die Kamera und ich noch einen Job zu erledigen haben.
Das Set endet – für meinen Geschmack viel zu früh – nach vier langen Stücken mit La Mort D’Hiver. Was für ein geiles Gerumpel, im Nachhinein ärgere ich mich, das Debüt Beyond The Ethereal Horizon nicht am Merch abgegriffen zu haben. Wenn die Scheibe jemals auf Vinyl erscheint, wird das ein Pflichtkauf.
In der Pause gibt’s den obligatorischen Fotografendialog zu den Themen buntes Schummerlicht, Nebel und so weiter. Ein paar Schüsse sind allem Jammern zum Trotze doch geglückt.
Die Zweiten im Bunde sind Eridu, thematisch im Zweistromland und seinen Mythen von vor 5000 Jahren angesiedelt, und da ich die Band rund um den charismatischen Frontmann Emanuel (Bühnenname: Enki, nach der assyrischen Gottheit) bereits mehrfach erleben durfte und um ihre Livequalitäten weiß, beginnt damit bereits mein Highlight des Abends, was nicht heißen soll, dass die nachfolgenden Bands auch nur im Ansatz das Gegenteil wären.
Die Show – man kann es nicht anders nennen – beginnt mit der Bauchtanzeinlage einer attraktiven, jungen Frau, die sich, in passende Gewänder gehüllt, anmutig über die Bühne bewegt. Und dann bricht Enuma Elish vom aktuellen Album los, der babylonische Schöpfungsmythos, ein wunderbar melodisches Stück, das mit seinem beschwörendem Chor-Refrain bereits jetzt ein Klassiker ist. Ich bekomme ein bisschen feuchte Augen, so erhaben prügelt der Song auf den Backstage Club herab, ein starker Einstand.
Man sieht der Band an, wie sehr sie die Bühne und den Zuspruch des Publikums genießt, vor allem Zahak an der Rhythmusgitarre grinst sich einen ab und lässt immer wieder übermütig die Zunge sehen. Frontmann Enki verausgabt sich komplett und schreit ins Mikro, als wäre Nergal persönlich hinter ihm her.
Auch das erste Album kommt nicht zu kurz, Astral Warfare und der Titelsong Lugalbanda stehen auf der Setlist. Mit Evocating Enlil gibt’s dann auch noch einen Gilgamesh-Song auf die Ohren, eine stampfende Hymne über den Herren des Windes.
Gegen Ende dürfen wir nochmals der Bauchtänzerin huldigen, und das Set schließt mit Let Them Call On His Name von Enuma Elish. Einfach nur großartig, ich könnte mir jeden einzelnen Song noch weitere dreimal anhören.
Nach der deutschen Fraktion sollen nun die Ungarn folgen, und Rivers Ablaze machen sich bereit. Ein Hauch von Déjà-vu, als Sänger Oszkár die Bühne entert, ähnlich imposant wie der Fronter von Hrast und ebenfalls kapuzenbewehrt, nur die tätowierten Arme liegen frei.
Rivers Ablaze waren mir bisher leider kein Begriff, können aber seit 2020 bereits mit ganzen vier Alben aufwarten, jedes Jahr eine neue Scheibe, das letzte 2023 – Donnerwetter.
Anders als bei Hrast regiert hier aber eher die Death-Metal-Keule, und der progressive Teil, den man der Band zuschreibt, manifestiert sich vor allem in vertrackten Rhythmen und ausgelassener Frickelei auf dem Griffbrett. Neben Geschrei gibt es auch cleane Parts im Gesangsrepertoire. Dennoch kann man nicht behaupten, dass die Songs zu verkopft oder schwer verdaulich wären, größtenteils angenehm straight und kompromisslos ballert das Quintett alles in Grund und Boden, ab und zu verliert man sich aber auch in elegisches Griffbrettgewichse, etwa bei Citadel Of Anitmatter. Bis auf das Debüt bekommen alle Alben Aufmerksamkeit in diesem Set.
Der Rausschmeißer ist dann ein ganz aktuelles Stück, Artifact Of Miocene Volcanism, und es gibt zum Abschied noch mal richtig auf die Fresse.
Klare Sache – eine schöne Neuentdeckung, diese Jungs würde ich gern nächstes Jahr auf dem einen oder anderen Festival sehen!
Was ich völlig vergessen hatte – Sear Bliss arbeiten für eine gesteigerte Epik ihrer Songs zusätzlich zu Bass, Gitarren und Schlagzeug mit einem Blechblasinstrument, einer Posaune!
Majestätisch meldet sich genanntes Gerät immer wieder in den instrumentalen Passagen zu Wort, ein überaus passender Schnörkel am Black-Metal-Grundkonzept der Band.
In den drei Jahrzehnten ihres Bestehens haben die Ungarn ihren Sound konsequent weiterentwickelt, kaum etwas erinnert heute noch an die ungeschliffenen, jedoch nicht uncharmanten Anfangstage, wenn ich mir heute beispielsweise 1100 Years Ago von Phantoms aus dem Jahr 1996 anhöre (der letzte Song im heutigen Set) und gleich darauf zum Beispiel Seven Springs vom 2018er Letters From The Edge, am heutigen Abend übrigens Song Nummer zwei, mit seinen verträumten Zwischensequenzen und den gekonnten Prügelparts, dann wird überdeutlich, wie sehr diese Band gereift ist über all die Jahre. Spaß macht das alles, unabhängig vom Alter der Songs, ich kann mich an kein Album erinnern, das mir nicht wenigstens ein bisschen gefallen hätte.
Auch bei Sear Bliss – das zieht sich irgendwie durch den ganzen Abend – ist der Frontmann definitiv eine Erscheinung, Sänger und Bassist András Nagy dominiert die kleine Clubbühne hinter seinem kettenbehangenen Mikrofonständer und ballert sich durch den Katalog der Band. Wir hören Infinite Grey, Night Journey, Watershed und (brandneu) Chasm vom ganz aktuellen Album Heavenly Down.
Ein bockstarkes Line-Up, ein mehr als großartiger Ausklang für diese Woche. Einfach nur danke!