Summer Breeze Open Air 2024 vom 14.08. bis 17.08.2024 in Dinkelsbühl – Donnerstag

Spiel mir das Lied vom Schweiß

Veranstaltung: Summer Breeze Open Air 2024

Ort: Flugfeld des Aeroclub, Flugplatzstr.1, 91550 Dinkelsbühl

Webpräsenz: Website, Facebook, Instagram

Datum: 14.08. – 17.08.2024

Kosten: Festivalticket ab 222 € (inkl. Camping und Vorverkaufsgebühr), Tageskarten 89,99 €.  Parkticket und Frühanreise (Dienstag) kostet extra.

Veranstalter: Silverdust GmbH

Besucher: ca. 45.000

Bands: Aborted, Acranius, Aetherian, Amon Amarth, Ankor, Architects, Asphyx, Before The Dawn, Behemoth, Blind Channel, Bodysnatcher, Brothers Of Metal, Brutal Sphincter, Burning Witches, Carnation, Cradle Of Filth, Crypta, Dear Mother, Delain, Disentomb, Dust Bolt, Dymytry, Dynazty, Eclipse, Einherjer, Enslaved, Ereb Altor, Exodus, Feuerschwanz, Future Palace, Green Lung, Ignea, Imperium Dekadenz, Insanity Alert, Insomnium, J.B.O., Kampfar, Lord Of The Lost, Megaherz, Memoriam, Mental Cruelty, Motionless In White, Nachtblut, Nakkeknaekker, Neaera, Necrophobic, Nestor, Paleface Swiss, Pest Control, Rise Of The Northstar, Robse, Rotting Christ, Samurai Pizza Cats, Spiritworld, Stillbirth, Subway To Sally, The Baboon Show, The Black Dahlia Murder, The Night Eternal, The Ocean, Thron, Unprocessed, Viscera, Warkings

Abgesagt: After The Burial, Spiritworld, Ten56, Evil Invaders

Summer Breeze Open Air 2024 Poster

Übersicht – Direkt zu unseren Highlights vom Summer Breeze Open Air 2024

Der zweite Festivaltag zeigt sich zunächst leicht bewölkt, es ist allerdings gefühlt heißer als der Vortag. Die Sonne strahlt. Schon am Vormittag flüchten viele Besuchende in den spärlichen Schatten. Wer einen Platz im beschirmten Biergarten ergattert, gibt den so einfach nicht her. Wer leer ausgeht, kauert im Schatten von Getränke- oder Imbissständen. Man könnte über diese Bilder schmunzeln, wenn es nicht immer wieder aufzeigen würde, dass viele Festivals bei heftigem Sonnenschein wenig (ungesponsorte) schattenspendende Rückzugsorte anbieten. Zu den Pilgerstätten gehören daher auch in diesem Jahr erfrischende Duschen und Wassersprinkler, die vor allem an der Main Stage die Lebensenergie zurückholen. Wenn ihr glückliche Menschen sehen wollt: Hier tanzen sie durch Regenbögen! Leider fordert die Hitze auch das ein oder andere Tribut und wiederholt sieht man die Sanis, die sich um kollabierte Menschen kümmern.

Apropos Kümmern: Rund um den Eingang zum Infield sind auch in diesem Jahr zahlreiche Organisationen vertreten, die Metal mit sozialem Engagement verbinden und beim Summer Breeze auf ihre Arbeit aufmerksam machen. Die Hardcore Help Foundation (HHF) unterstützt benachteiligte und ausgegrenzte Menschen, um Armut zu bekämpfen und bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Bei der HHF könnt ihr unter anderem Merch spenden, das ihr nicht mehr braucht – und neues kaufen, um die Arbeit der Organisation zu unterstützen. Metalheads Against Bullying setzt sich dafür ein, dass alle Menschen unabhängig von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Hintergrund in einem von Mobbing freiem Umfeld leben können. Bei Deutschlands größter unabhängigen Jugendinitiative gegen Rechtsextremismus und Rassismus Kein Bock Auf Nazis ist der Name ebenfalls Programm.

Metality, Summer Breeze Open Air 2024, Pic. by Alexandra Wahl
Metality, Summer Breeze Open Air 2024, Pic. by Alexandra Wahl

Dieses Jahr ist auch eine Gruppe des Metality e.V. angereist, um hilfsbedürftige Menschen vor Ort zu unterstützen. Metality ist ein gemeinnütziger Verein, der die Werte des Heavy Metal in die Gesellschaft tragen möchte. Frei nach dem Motto: „Wer im Moshpit des Lebens hinfällt, dem wird wieder aufgeholfen„. Beim diesjährigen Summer Breeze half der Verein etwa beim Handicapped-Camping durch Auf- & Abbau von Zelten, erledigte Besorgungen und begleitete Menschen aufs Festivalgelände, die allein nicht die Möglichkeit dazu haben. An Sammelstellen konnten Besuchende des Summer Breeze zudem nicht mehr benötigte Ausrüstung spenden. In diesem Jahr kamen unter anderem Stühle, Betten, Gaskocher, Isomatten sowie über 60 Schlafsäcke und Zelte zusammen, die der Aktion Brücke zugutekamen. Die Hilfsorganisation hilft obdachlosen und bedürftigen Menschen in München und im Landkreis Fürstenfeldbruck.

Wer Interesse hat, sich bei Metality (www.metality.org) zu engagieren, kann dem Verein als Mitglied beitreten. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 6,66 € im Quartal.

Donnerstag, 15.08.2024

Es geht immer noch heißer

Crypta, Summer Breeze Open Air 2024, Pic. by Alexandra Wahl
Crypta, Summer Breeze Open Air 2024, Pic. by Alexandra Wahl

Es ist Zeit für einen reichlichen Death Brunch mit Crypta auf der Main Stage. Die Brasilianerinnen sind erstmals zum Summer Breeze gekommen und dürfen sich über reichlich Zuspruch freuen; bis zum ersten Wellenbrecher herrscht durchaus volles Haus. Tainá Bergamaschi und Jéssica di Falchi an den Gitarren windmillen ihre Köpfe derart irre, als wollten sie dem schwitzenden Publikum frische Luft durch die gnadenlose Hitze zufächeln. Die Headbanger:innen in den ersten Reihen vor der Bühne steigen mit ein und aus Haaren werden auch hier Ventilatoren. Frontfrau Fernanda Lira am Bass grunzt mit den Soli der Kolleginnen um die Wette, das Schlagzeug von Luana Dametto ballert alles weg. Ja, das ist doch mal ein feiner Start auf der Main Stage. Wiederholt schlägt sich Lira auf die Brust, um den johlenden Fans Respekt zu zollen. Insgesamt bleibt die Band eher statisch und auch im Publikum dauert es, bis Bewegung in Form eines kleinen Circlepits aufkommt. Eine mega Sause war das trotzdem. So früh spielen Crypta nicht mehr auf dem Breeze.

Die ukrainische Band Ignea ist ebenfalls zum ersten Mal beim Summer Breeze und findet mit ihrem eingängigen Modern Metal aus Death, Symphonic, Folk und etwas Prog rasch Anklag. Der Wechsel aus Growls und Klargesang von der überaus bewegungsfreudigen Frontfrau Helle Bohdanova funktioniert gut und schnell steigt die nächste Party vor der Wera Tool Rebel Stage. Den Mikrofonständer hat die Band in die Landesflagge gehüllt und bedankt sich für den Support „in these dark times„. Seufzen und Jubel im Publikum. Die Hitze (Fun Fact: „ignea“ bedeutet „feurig“) setzt derweil auch der Technik zu. Kurzzeitig grillt es den Laptop mit den Backing-Tracks. Während ihre Kollegen an den Gitarren grinsend Abba-Riffs spielen und unter Anfeuerungsrufen (aber nicht zu heiß, bitte) des Publikums am Laptop wuseln, überspielt Bohdanova die ungewollte Pause souverän und bewirbt die spätere Autogrammstunde. Kurz darauf kann es weitergehen. Die Nebelmaschine bläst einen ansehnlichen Dunstschleier auf die Bühne – irgendwie ganz nice am frühen Mittag; Bohdanova versetzt das Publikum in eine mystische Bergwelt, um den Track Bosorkun rauszuhauen: Ein Lied über einen ukrainischen Berggeist. Ignea machen richtig Spaß und lösen auch nach dem Auftritt emotionale Fanreaktionen aus. Denn am Merchstand sind direkt nach der Show keinerlei Devotionalen der Band zu sehen, mit denen sich offensichtlich viele Menschen eindecken wollen.

Selbst ewig nörgelnde Metalpuristen sind sich am Merchstand einig: Mental Cruelty hat heute das geilste Zeug. Das bisher mächtigste Gekreische auch. Die Band aus Karlsruhe freut sich massiv, beim Summer Breeze zu spielen und stimmt das reichhaltige Publikum auf ne satte Dosis „Violence“ ein. Fronter Lukas Nicolai fordert den frohlockenden Turnverein heraus, der sich im Pit warm macht. Gnadenloser als die Sonne feuern Mental Cruelty Energie ins Publikum, das vom Druck der Riffs und Drums fast umgeworfen wird. Die Breakdowns sind Erdbeben. Wer noch nicht wach ist – wir haben immerhin schon fast 13:00 Uhr – ist es jetzt. Ein irrer Mob trotzt der Hitze, mosht und springt mit der Band im Takt. Respekt! Dank an die Grabenschlampen, die erneut für Abkühlung aus dem Wasserschlauch sorgen.

Deutlich entspannter, doch nicht weniger energetisch, lassen es die schwedischen Punkrocker The Baboon Show angehen. Hier stehen Singalongs und Botschaften im Vordergrund. Sängerin Cecilia Boström weiß die Menge aufs Großartigste zu motivieren, grüßt alle Außenseiter:innen und ruft zu Einheit auf, prangert ISMS an. Ein Bad in der Menge lässt sie sich auch nicht nehmen. Sympathisch. Fürs Herz sind auch all die Menschen, die weitab der Bühne ausgelassen vor den Bierständen tanzen.

Bei Paleface Swiss fliegen gleich die Löcher aus dem Käse, denn nun geht sie los, unsere Polonaise. Boah, ist das cheesy. Den Witz macht die Band sogar selbst („We are the reason for the holes in the Swiss cheese.„). Stimmungsmache beherrschen die Schweizer mindestens so gut wie dick aufgetragenen Beatdown/Deathcore. Szeneüblich inflationär gebrauchte Ansage wie „Mach die Scheiße auf“ wirken auf Deutsch allerdings noch ermüdender als auf Englisch. Das Summer Breeze ist reichlich (!) erschienen und rammt die Füße in den Staub. Sänger Marc Zelli singt, rappt und schreit sich den Wolf. Dabei war er am Vortag noch gesundheitlich angeschlagen und kann medikamentenbedingt heute keinen Alkohol trinken, wie er erzählt. Seiner Bitte „Trinkt für mich mit“ kommt das Publikum nur zu gerne nach. Genauso wie der Aufforderung zum Crowdsurfen. Abriss.

An dieser Stelle ein Moment des Schweigens für die zahlreichen Feldmäuse (?), die vor allem vor der T-Stage ein unglückliches Ende finden.

The Black Dahlia Murder müssen musikalisch niemandem mehr etwas beweisen, doch es ist auch Neugier, die viele Zuschauer:innen am frühen Mittag vor die Main Stage lockt. Nach dem tragischen Tod von Frontmann Trevor Strnad im Jahr 2022 wechselte Gitarrist Brian Eschbach ans Mikrofon, Ex-Gitarrist Ryan Knight stieß wieder zur Band hinzu. The Black Dahlia Murder zimmern ein routiniertes Brett zusammen, dem maximal die weiterhin extreme Hitze etwas anhaben kann. Viele Fans flüchten sich in die Sprinkler, die an den Seiten der Bühne wieder für dringend nötige Abkühlung sorgen. Eschbach, gechillt im X-Men-T-Shirt, überzeugt als neuer Sänger wie als Frontmann, wenn er etwa einen Fan im Aborted-Shirt auffordert, Action im Pit zu starten.

Auf der Campsite Circus Stage haben tendenziell kleinere Bands und Newcomer die Herausforderung, gegen die zahlreichen Publikumsmagneten auf den anderen Bühnen anzuspielen. Dennoch ist ein Ausflug an die außerhalb des Infields gelegene Bühne fast immer einen Fußmarsch wert. Außerdem könnt ihr dort im Supermarkt das Bier zum halben Preis kaufen. Die Finnen Slow Fall erinnern an die Landsmänner von Amorphis, fahren allerdings oft deutlich blastbeatigere Geschütze auf. Mit Leave. aus Leipzig kehrt nach sehr viel Gebrüll und Geballer endlich einmal Ruhe auf dem Breeze ein. Alternative Metal/Post-Hardcore voller Gefühl und Melodie ist eine willkommene Abwechslung, zudem musikalisch rundum gelungen. Vor der Bühne mag angesichts der genannten Konkurrenz wie bei Slow Fall nicht allzu viel los sein, die Stimmung ist trotzdem gut. Leave. danken dem Publikum, dass es auch kleinere Bands unterstützt und wieder einmal belagern alte und neue Fans nach dem Konzert den schnuckeligen Merchstand der Campsite Circus Stage.

Jinjer, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.
Jinjer, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.

Vorbei an den norwegischen Bring Me The Horizon Epigonen Fixation gönnen wir uns die poppige Seite des Summer Breeze, die Blind Channel aus Finnland mitbringen. Die Nu-Metaller spielen in ihren schwarz-roten Outfits mit dem Ruf als vermeintliche Boyband und begeistern das verblüffend große Publikum unter anderem mit einem Backstreet-Boys-Cover von Everybody inklusive Tanzroutine, das auch die trvesten Metalheads mitsingen können. Der eingängige Genremix von Blind Channel geht dem Summer Breeze definitiv gut rein und wie Electric Callboy versteht es die Band, Hardstlye-Beats massentauglich unter Gitarren zu schmuggeln. Partymetal!

Hand of Juno, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.
Hand of Juno, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.

Hand Of Juno machen bereits beim Soundcheck neugierig – weil richtig laut. Obwohl Jinjer gerade die Main Stage zerlegen, haben sich auf der Campsite Circus Stage vergleichsweise viele (trotzdem: wenige) Zuschauer:innen eingefunden, um sich Hand Of Juno reinzuziehen. Die italienische Combo um Sängerin Melissa Bruschi lockt mit Industrial Metal, hautbetonten Outfits und will beim Summer Breeze Debüt neue Fans erspielen. Das funktioniert sehr gut. Rasch versammeln sich in den ersten Reihen nackensporterfahrene Metalheads und lassen die Köpfe wirbeln. Ein Blick auf die in der Menge anwesenden Shirts – Korn, Crypta, Manowar – ist so gemischt wie die Musik der Band, die richtig Bock hat. Im Verlauf des Konzerts wächst das Publikum auf vorzeigbare Größe und es kommt mehr Bewegung in den Mob. Beim Lied Psychotic Banana sorgen aufblasbare Bananen für angemessenen Ulk und es finden sich sogar echte Exemplare der gelben Energiestengel im Publikum, die grinsend verspeist werden. Auf der Bühne lächelt die Band, davor neue Fans, die zum Abschluss einen kleinen, feinen Pit in den Sand trampeln. Eine Frau vor uns dreht sich um: „Das war ja voll gut, völlig unerwartet.“ Stimmt. Darauf eine Banane.

Behemoth, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.
Behemoth, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.

Es ist Zeit für die ganz dicken Dinger. Die Mainstage wird von einem weißen Leintuch verdeckt, ein Strahler wirft einen hellen Spot darauf. Plötzlich tauchen Schatten im Lichtkegel auf und sprechen Worte, die nach Beschwörung klingen. Leider erschwert oder ruiniert die mittlerweile tiefstehende Sonne die Sicht auf das Schattenspiel. Die ersten Töne erklingen und der Vorhang fällt, Behemoth betreten die in orange-rotes Licht getünchte, diabolisch anmutende Bühne. Die Polen wissen, wie man einen starken Auftritt inszeniert! Die Black Death Metaller sind musikalisch und inszenatorisch definitiv eine Wucht. Behemoth heizen der Menge richtig ein und auch die mitgebrachte Pyrotechnik sorgt dafür, dass erneut der Schweiß in Strömen am Körper hinunterfließt. Vom brennenden Schlagzeug über Flammensäulen bis hin zu Feuerfächern ist alles dabei. Circelpits werden gebildet und ein Crowdsurfer jagt bereits den nächsten. Keine Frage, hier kommen auch die Grabenschlampen erneut ordentlich ins Schwitzen. „O Father O Satan O Sun!“, beendet einen weiteren grandiosen Auftritt von Behemoth, bei der nur die Tageszeit und die strahlende Sonne, nicht ins perfekt in Szene gesetzte Bühnenbild passte.

Born Of Osiris, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.
Born Of Osiris, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.

Die US-amerikanische Prog-Metalcore-Combo Born Of Osiris ist nach dem Weggang ihres langjährigen Keyboarders und Begleitsängers Joe Buras (für viele Fans insbesondere live Herz und Seele Band) als Quartett unterwegs und behilft sich – wie auch beim Bass – mit Backing Tracks. Ja, dabei geht etwas verloren. Wer jedoch eine seelenlose Show vermutet, liegt falsch. Drummer Cameron Losch macht mit den beiden Gitarristen Lee McKinney und Nick Rossi (auch für Bass und Synths verantwortlich) ordentlich Rabatz, Frontmann Ronnie Canizaro hat das Publikum schnell im Griff. „Bounce, Bounce. Hands up. Wave your Hands.“ Das komplette Programm mit schweißtreibender Action im Pit, Surfern und einer monströsen Wall of Death. Dieses Biest von einem Konzert – nein, nein, kein Behemoth, ahahahaaaaa – verschlingt mich und spuckt mich erst wieder aus, als in nächster Nähe ein heftiger Kampf um Plektren beginnt. Echt jetzt, die Show ist schon vorbei? Schlagzeuger Losch ist danach noch lange an der Absperrung vor der Bühne, um sich freundlich mit Fans zu unterhalten und geduldig Fotos zu machen.

Noch jemand anderes ist dankbar, während eines Behemoth-Konzerts nicht vor leerem Publikum spielen zu müssen: Jesus Piece. Die Hardcore/Metalcore-Band bedankt sich herzlich für die moshfreudige Truppe, die den wuchtigen Auftritt der Amerikaner mit angsteinflößender Action belohnt. Angewandte Szenenexpertise. Der Pit vor der Wera Tool Rebel Stage verschwindet in einer riesigen Staubwolke, sodass die Bühne bei Gegenlicht fast nicht mehr zu sehen ist. Uncool für einige Violent Dancer, die sich bedrohlich nahe kommen. Aber natürlich sind am Schluss wieder alle brav und haben sich lieb. Trotzdem: Respekt, Jesus Piece, da habt ihr was angezettelt.

Madball geht immer. Das Konzert der New Yorker Veteranen lässt sich dann auch mit einem „wie immer“ beschreiben, was so viel heißt wie: totale Eskalation. Frontmann Freddy Cricien fegt sofort wild über die T-Stage, während er das Publikum zu Höchstleistungen anfeuert. Seine Ansagen fühlen sich auch nach Jahren im Business ehrlich und authentisch an, wie es Madball selbst sind. Es ist ein Gütesiegel, wenn eine Band dreißig Jahre lang die gleichen Merchmotive verkauft. Den hinteren Reihen tritt Cricien einige Mal verbal in den Arsch, er will noch mehr Bewegung im Publikum, das aus allen Nähten platzt. Entgegen einiger Zuschauer:innen gibt es bei Madball keinerlei Anzeichen von Müdigkeit.

Impalement, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.
Impalement, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by by Désirée Virgil.

Mit in die einziehende Nacht gereckten Fäusten empfängt das Publikum an der Campsite Circus Stage die Schweizer Black/Death Metaller Impalement. Die stehen mit nackten Oberkörpern auf der Bühne. Nietengürtel. Blutverschmierte Brust. Das wird böse, sehr böse. Einst von Sänger/Gitarrist Beliath als Soloprojekt gegründet, ätzt die zum Quartett gewachsene Band vor Schwärze triefende Brutalität in den Staub. Schlagzeuger Frostbitten ist eine dämonische Macht. Bei den ersten Menschen im Publikum macht sich ein leichtes Brennen in der Nackenmuskulatur bemerkbar, Arme werden zu Devil Horns emporgerissen, Begeisterungsrufe wie „Geile Scheiße“ mischen sich mit dem infernalischen Getöse. Erfrischend.

Architects, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.
Architects, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.

Die Uhren stehen auf Headliner, den heute die kultisch verehrten Architects übernehmen. Das pompöse Bühnenbild mit Steg verteilt sich auf zwei Ebenen mit imposanten Videowänden. Ganz großes Kino. Sänger Sam Carter führt sympathisch durch die Show aus altem und neuem Material, die Zeit zwischen den Tracks nutzt er wiederholt für persönliche Ansagen, grüßt die Familie via Kamerastream und dankt den Fans für die Unterstützung. „Architects, Architects“ Sprechchöre gehen nicht nur der Band runter wie Öl, sondern sorgen auch im Publikum für emotionale Stimmung, die sich in zahlreichen (Carter zählt mit) Pits entlädt. Die eine oder andere Träne dürfte ebenfalls vergossen worden sein, als Carter ergriffen über den verstorbenen Bandkollegen und Freund Tom Searle spricht. Das abschließende Animals singen gefühlt auch Menschen mit, die noch nie eine Architects-Show gesehen haben.

Rotting Christ, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.
Rotting Christ, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Mario Toerlitz.

An mitreißender Stimmung mangelt es Rotting Christ ebenfalls nicht. Die griechischen Black-Metal-Urgesteine feiern unheilige Messe und alle sind gekommen. Also alle, die nicht bei Architects sind. Rotting Christ verschmelzen auf der Bühne zu einer faszinierenden Einheit aus Präsenz, Musik und Licht. Atmosphäre pur, fast greifbar, abgerundet durch Spoken Word Passagen. Raise your Horns!

Epische Melancholie ist bei Heretoir angesagt, deren einlullende Songs ein Portal zum Hineinfallen öffnen. Der Zeitpunkt könnte nicht besser für die post-rockenden Augsburger gewählt sein. Dein T-Shirt noch leicht nassgeschwitzt vom letzten Pit, die Füße und Rücken machen sich bemerkbar. Die brütende Hitze des Tages ist schon lange der Nacht gewichen, die kühl und dunkel nur darauf wartet, dass du sie mit geschlossenen Augen und Heretoir erkundest. „Unfassbar„, sagt Bandkopf David Eklatanz, als er die zahlreichen Menschen vor der Wera Tool Rebel Stage sieht, die das erleben wollen.

Dark Tranquillity, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.
Dark Tranquillity, Summer Breeze Open Air 2024, Pic by Christian Melchinger.

Dark Tranquillity spielen beim diesjährigen Summer Breeze bereits ihr zweites Konzert, nachdem sie am Dienstag für eine Überraschung gesorgt hatten. Insgesamt sind die vom Lord des Lächelns, Mikael Stanne, angeführten Schweden zum neunten Mal beim Summer Breeze und danken den Fans für jahrelange Treue. Das Set der Band, die wieder vor einer riesigen Videoleinwand agiert, umarmt die Mitternacht und bietet Dark Tranquillity die Gelegenheit, nach einer halben Stunde Klassiker die Stücke des neuen Albums Endtime Signals zu spielen. Denn just zur Geisterstunde ist der offizielle Release. Die neuen Songs finden unter den jubelnden Fans sofort Anklang, doch es gibt auch kritische Stimmen, die reservierter auf die „Albumpromo“ reagieren. Mit dem Evergreen Misery’s Crown können Dark Tranquillity wieder alle gemeinsam abholen.

Das Beste kommt zum Schluss? In unserem Fall stimmt das, denn wir lassen den Donnerstag mit The Ocean ausklingen, deren postmetallischen Klänge uns in eine andere Dimension schießen. Wir schwimmen durch sanfte Beats und behutsamen Gesang. Dann Gewaltausbrüche, massive Gitarrenwände, Blast Beats, der Bass wummert fast schmerzhaft in den Ohren, manchmal Keys. Dann wieder Ruhe, tief einatmen für die nächste Explosion. Nach knapp 20 Minuten ist Sänger Loïc Rossetti bereits im Publikum, schreit die Lyrics auf den Händen der Fans kniend in den Nachthimmel. Es folgen weitere 40 Minuten Genuss.

Hier geht es zum Bericht vom Summer Breeze Freitag.

Beteiligte Mitarbeitende