Wage War – Stigma

Volle Fahrt auf Kurs Mainstream

Artist: Wage War

Herkunft: Ocala, USA

Album: Stigma

Spiellänge: 31:00 Minuten

Genre: Metalcore, Modern Metal, Octane Metal

Release: 21.06.2024

Label: Fearless Records

Link: https://wagewarband.com

Bandmitglieder:

Gesang/Shouts – Briton Bond
Gitarre/Lead Vocals – Cody Quistad
Gitarre – Seth Blake
Bassgitarre – Chris Gaylord
Schlagzeug – Stephen Kluesner

Tracklist:

1. The Shows About To Start
2. Self Sacrifice
3. Magnetic
4. Nail5
5. Blur
6. Tombstone
7. Happy Hunting
8. Hellbent
9. In My Blood
10. Is This How It Ends

Wage War spielen nun schon seit mehreren Jahren in der oberen Liga des ultra-modernen Metalcore. Immer wieder aufs Neue haben die fünf Jungs aus Ocala den Spagat zwischen massivem und brachial überproduziertem Metal und radiotauglichen Melodien gewagt und geschafft. Nun ist das neue und mittlerweile fünfte Album Stigma draußen, und während es einerseits durchaus gut seinen Platz in der Diskografie der Band findet, so sticht es dennoch hervor. Stigma ist differenzierter als seine Vorgänger, hier steht Metal direkt neben Radiorock. Letztlich kommen Modern-Metalcore-Ultras ebenso auf ihre Kosten wie Pop-Metal- und Octane-Fanatiker, nur die Wage-War-Stammfans der ersten Stunde werden wohl enttäuscht, und sie erhalten sehr viel Angriffsfläche für ihre Kritik …

Schon gleich zu Beginn entscheidet sich die Band nämlich, die Fans der alten Alben zu verprellen, denn The Shows About To Start klingt erst mal nach EDM. Bis nach einer Weile die Metal-Kanone gezündet wird, denn ab da fühlt sich der gewiefte Wage-War-Kenner sofort an Godspeed vom letzten Album erinnert. Das ist geil, aber halt auch schon ziemlich modern und fernab jeglicher traditioneller Spielweisen. Die Band scheint übrigens bewusst den Stil speziell dieses Songs auf der neuen Scheibe anzusteuern, denn mit The Shows About To Start, Happy Hunting und In My Blood bedienen sich gleich drei Nummern in Anlehnung an Godspeed der treibenden Kraft eines stampfenden, schnellen Four-on-The-Floor-Rhythmus – Energie und Struktur sind in all diesen Songs vergleichbar. Langsamer, aber ähnlich geht es bei Self Sacrifice zu. Das ist insgesamt ein kompromissloses und wuchtiges Omen für gewaltige Liveshows, die sämtliche Clubs und Festivalbühnen in Grund und Boden prügeln möchten, es demonstriert allerdings auch einen Kritikpunkt, den Puristen vielleicht anmerken mögen: Denn insgesamt mangelt es dem Album doch an den ausgefeilten und technisch anspruchsvollen Riffs, die wir von früheren Veröffentlichungen kennen. Stattdessen setzt man mehr denn je auf einfachere Gitarrenparts, Synthesizer und technische Spielereien in der Produktion. Das ist kein Schwachpunkt, allerdings eine deutliche stilistische Veränderung zum Vorgängeralbum Manic, die gewiss so mancher der Band als endgültigen Sell-Out auslegen wird. Dieser Kritik spielt auch die Dichte an offensichtlichen Radiosongs in die Karten: Davon gibt es mit Magnetic, Blur, Hellbent und Is This How It Ends gleich vier, von denen Magnetic ja bereits seit Monaten auf Reddit in sämtlichen Metalcore-Kanälen zerrissen wird, gleichzeitig jedoch als Single bereits millionenweise Streams auf Spotify gesammelt hat. Besonders auffällig ist an der Stelle auch der neuerdings sehr hohe Gesangsanteil von Shouter Briton Bond. Das ist ungewohnt, aber kommt gut und fügt sich toll in die softeren Nummern des Albums ein. Aufgrund ihrer Dichte passen sie übrigens durchaus gut ins Album und stellen dabei eindrucksvoll unter Beweis, dass das Songwriting von Wage War auf einem Niveau angekommen ist, das nur wenige Künstler zu erreichen in der Lage sind. Ja, es mag nicht jedem gefallen, dass Wage War nun weniger wütend klingen, aber die Songs bleiben im Ohr und kommen ganz offensichtlich bei vielen an. Es wirkt, als mauserte sich die Band zur regelrechten Hit-Maschine.

Wage War – Stigma
Fazit
Stigma ist leichte und schwere Kost zugleich, wenn man den Kontext miteinberechnet. Verdaulich sind die Songs allemal, und wer den Metal-Idealismus und Traditionalismus beiseitelegt, hat mit Sicherheit Spaß an der Scheibe. Man entschied sich wohl beim Songwriting für weniger Komplexität und mehr Struktur bei voller Fahrt auf Kurs Mainstream, behielt dabei aber noch allerlei Schwermetall als Ballast an Bord. Künstlerisch ist das Album ein enormer Fortschritt, denn die Band beweist mehr denn je Vielseitigkeit und ein präzises Gefühl für Hits. Dass nahezu alle Songs kürzer oder nur minimal länger als drei Minuten sind, entblößt, dass die Band hier das Spiel von Effizienz und der völligen Kapitalisierung von Musik nach dem Vorbild der Pop- und Rapszene mitspielt. Das ist zwar ein bisschen schade, mag für fünf Mittdreißiger Metaller mit hohen Karriereambitionen und vielleicht größeren finanziellen Träumen aber durchaus nachvollziehbar sein. Denn liebe Hater und Puristen, seien wir ehrlich: Wer als erfahrener Musiker für den Rest seines Lebens eine Aussicht auf Shows in großen Arenen und Headliner-Slots auf großen Festivals anstelle von mittelgroßen Clubshows bekommt, ist kaum dafür zu verurteilen, seine Musik an den Mainstream anzupassen, wenn das der Preis dafür ist. Die Jungs leben bisweilen vom Metal, und das ist in den meisten Fällen selbst in der Liga von Wage War zeitweise ziemlich brotlos, und wenn Stigma gut vermarktet wird (und davon ist auszugehen), leben die Jungs den amerikanischen Traum. Und das sei ihnen gegönnt.

Anspieltipps: Self Sacrifice, In My Blood
Jakob P.
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