Event: 34. Bagaluten-Wiehnacht
Band: Torfrock
Vorband: Die Andersons
Ort: Rosenhof Osnabrück
Datum: 06.12.2025
Zuschauer: 800
Genre: Deutschrock
Link: www.torfrock.de
Eigentlich war der heutige Plan „Grippe auf dem Sofa auskurieren“. Doch wenn Torfrock zur traditionellen Bagalutenwiehnacht im Rosenhof trommeln, hat man halt keine Wahl. Also runter von der Couch, rein ins Auto und ab nach Osnabrück. Um 19 Uhr ist Einlass, und als wir relativ pünktlich eintrudeln, ist der Saal schon ordentlich gefüllt. Fast ausverkauftes Haus heute und warum? Mit Recht! Torfrock mögen in die Jahre gekommen sein und neue Songs sind rar, trotzdem ist es so ein schönes verlässliches Ding. Man kann alles mitsingen, muss sich nicht groß orientieren, einfach rein ins Helm-Getümmel und die Zeit vergessen.
Wir suchen uns mein Lieblingsplätzchen vorne links und jetzt heißt es warten. Aus dem Publikum ertönen eine Art Walgesänge, die sich im Laufe des Bierflusses dann doch immer mehr zum Rosenhofer Männergesangsverein entwickeln.
Wir überlegen, was Die Andersons wohl für welche sein mögen. Als eingefleischte Wohnraumhelden-Fanbeauftragte habe ich bislang meistens Konzerte von Torfrock besucht, bei denen die Hannoveraner vorher ihr Liedgut zum Besten gaben und bin Andersons-mäßig völliger Neuling. Karierte Holzfällerhemden auf der Deko lassen mich auf einen deutschsprachigen Rednex-Verschnitt tippen. Und ich liege so was von erbärmlich falsch!!!
Punkt 20 Uhr entern drei junge Herren in (wie sollte es auch anders sein) roten Holzfällerhemden die Bühne. Zwei Gitarren und ein Cajón, mehr haben sie nicht im Gepäck. Und dann legen sie ohne viel Klimbim los mit Whiskey In The Jar. Ich glaube, es dauert keine Minute, bis auch der Letzte im Saal mitgrölt. Besser hätte man diesen Abend wohl nicht eröffnen können. Es folgen Sweet Home Alabama und Ring Of Fire und der Rosenhof brodelt und feiert. Ich bin kurz sehr zufrieden, da zwischen den Songs Fleischsalat-Rufe laut werden und ich die Bestätigung bekomme, dass nicht nur ich die Wohnraumhelden schmerzlich vermisse, aber das hier ist so ein wertiger Ersatz, dass es einfach nur schön ist. Auch Zu Spät von den Ärzten und Country Roads werden ordentlich abgefeiert. Laut Internetpräsenz heißen die Jungs Ned, Ted und Brad aus Salt Lake City. Ich wage dies zu bezweifeln. Wer nun wer ist, kann ich auch nicht feststellen, auf jeden Fall ist das singende Cajon-Karohemd ’ne Granate am Mikrofon und es macht einfach Spaß, ihre Kunst zu sehen. Ich stehe zwar wie eine Ölgötze zwischen dem feiernden Volk, aber innerlich genieße ich wirklich jede Sekunde, auch wenn mein Sofa unterm Hintern wirklich grad das i-Tüpfelchen auf dem Event wäre. Sie stimmen nun Aloha Heja He an und performen den Song so … ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll … Sie verhonepipeln ihn nicht, sondern spielen ihn mit einer Ernsthaftigkeit und völlig ohne Augenzwinkern, dass ich einfach nur denke: Respekt! Der Song wurde quasi hochwertiger als er je war. Spätestens beim Abschiedssong Feliz Navidad hätten sie mich gehabt, aber tatsächlich war hier jeder im Raum vom Anfang bis zum Ende gnadenlos in ihren Fängen. Besser kann man, glaube ich, nicht anheizen. Instrumente aufs Nötigste reduziert, kein Klamauk, gute Songauswahl und musikalisch echt was drauf. Ich bin maximal zufrieden!
Nach kurzem Umbau läutet Schlag 21 Uhr Oh Tannenbaum den Torfrock-Weihnachtswahnsinn ein. Stefan Lehmann positioniert sich hinter dem Schlagzeug und drischt so auf die Trommeln ein, dass einmal mehr die Notwendigkeit seines „Schall-Glaskastens“ demonstriert wird. Rollo Der Wikinger und Die Sonntagsjäger sind heute die Opener und ich freue mich, dass ich die Torfrocker endlich mal wieder live sehe. Denn machen wir uns nichts vor, Klaus Büchner ist inzwischen 77 Jahre alt, und wer weiß, wie lange er noch aufs Rentnerleben verzichten will. Tatsächlich kommt er mir heute aber viel fitter vor, als noch vor zwei Jahren, und er steht auf der Bühne wie ’ne Eins. Wir hören Die Boxer und Wildsau und beim Grunzteil weiß ich plötzlich, wo Gutalax ihre Inspiration herhaben. Der Klaus könnte da direkt mitmachen!
Auch Stefan Lehmann fällt mir immer wieder ins Auge, mit was für einem Wumms und mit welcher Spielfreude er heute abliefert. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die ganze Band den Abend heute in vollen Zügen genießt. Immer wenn Volker die Gitarre wechselt, nutzt Sänger Klaus die Zeit für ein Gedicht aus seiner Feder. Während ich einige schon aus der Vergangenheit kenne, ist heute doch auch für mich neues Reimgut am Start, und ich mag diese einfachen, witzigen Zwischenspiele wirklich sehr. Wer Gefallen daran gefunden hat: Es gibt immer wieder Lesungen von ihm und inzwischen diverse Gedichtbände, die sich auch hervorragend als Geschenk eignen!
Natürlich fehlen auch Songs wie Die Bagalutenband, Presslufthammer-Bernhard und Leise Pieselt Das Reh heute Abend nicht. Bei Beinhart und Volle Granate Renate eskaliert das Publikum noch mal völlig, Bierbecher und Helme fliegen und mittig vor der Bühne wird ununterbrochen gepogt und gesprungen. Trotzdem bleibt es friedlich und alle fordern mit glücklichen Gesichtern lautstark nach Zugabe, als um 22:15 Uhr der erste Break kommt. Natürlich kommen sie noch mal wieder und nach dem 2. Break kommt Volker Schmidt zunächst allein auf die Bühne und bedankt sich wirklich von Herzen beim Publikum, dass seit so vielen Jahren als „5. Bandmitglied“ die Konzerte möglich macht. Um 22:40 Uhr ist dann Schluss und der Abend endet mit Santa Claus Is Coming To Town vom Band. Wir gehen durch ein Meer aus Bierresten und zerbrochenen Plastikbechern zur Jackenausgabe und machen uns auf den Heimweg. Und sind uns einig: Wenn wir mit 77 Jahren noch 100 Minuten am Stück stehen können, haben wir alles erreicht. Respekt an Klaus Büchner, danke, dass du uns immer noch diese tollen Abende schenkst! Und natürlich danke auch an die restlichen Torfrocker: Ihr seid immer ein Garant für einen schönen Abend! Wir kommen jederzeit gerne wieder!