Nails – Every Bridge Burning

Demolition business as usual

Artist: Nails

Herkunft: Oxnard, Kalifornien, USA

Album: Every Bridge Burning

Spiellänge: 17:47 Minuten

Genre: Grindcore, Powerviolence, D-Beat, Crossover Thrash, Death Metal

Release: 30.08.2024

Label: Nuclear Blast Records

Link: https://www.instagram.com/nailstyranny/

Bandmitglieder:

Vocals und Gitarre – Todd Jones
Gitarre – Shelby Lermo
Bass – Andrew Solis
Schlagzeug – Carlos Cruz

Tracklist:

  1. Imposing Will
  2. Punishment Map
  3. Every Bridge Burning
  4. Give Me The Painkiller
  5. Lacking The Ability To Process Empathy
  6. Trapped
  7. Made Up In Your Mind
  8. Dehumanized
  9. I Can’t Turn It Off
  10. No More Rivers To Cross

Nun weiß man: Nails waren nie weg. Nachdem Stammmitglieder Taylor Young und John Gianelli 2020 die mit Todd Jones aufgestellte Band vier Jahre nach ihrem dritten Album verließen, schwebte der Name eine Weile zwischen kleinem Kult um eine zu früh verschwundene Band und der von der Unausgesprochenheit ihres Endes weiterhin belebten Möglichkeit. Nicht jedoch für Jones selbst. Der schuftete seitdem an der Neubesetzung der Formation und Wiederbelebung seiner Kreativität. Mit Drummer Carlos Cruz und Gitarrist Shelby Lermo fand er schließlich den alles verändernden Funken für ein neues Album, und hier haben wir nun das zentnerschwere Resultat dieses Kraftaktes kondensiert in knapp 18 grindcorige, grimme Minuten.

Die Maschine ist schon heiß, bevor die Ohren warm sind. Nails sind mit Baseballschlägern bewaffnet und machen reinen Tisch mit allen, die acht Jahre nach dem letzten Album ordentlich was zu hören bekommen wollen. Imposing Will, Punishment Map und Every Bridge Burning erfüllen das Programm ihrer Titel. Trapped und Made Up In Your Mind scheren sich nicht einmal mehr groß um Spannungsbreaks oder andere Gangart-Wechsel, sondern dreschen das letzte Bisschen Hirnmasse aus einem heraus – wenn sie einen denn erwischen. Diese Stücke fliegen an mir eher vorbei und um mich herum, statt mich zu packen, was mir zuletzt beim einen oder anderen Song auf Abandon All Life so ging. Hier wird sich das Lager teilen, wobei es vielleicht nicht einmal darauf ankommt, auf welcher Seite der Linie zwischen Grindcore und Metal man lieber steht, sondern auf die eigenen Erwartungen.
Mit Blast Beats und einem anständigen Breakdown fügt sich Dehumanized kraftvoll und nahtlos in den Stil von Nails ein, was angesichts der Tatsache, dass er aus dem Handwerk von Neuzugang Shelby Lermo stammt, etwas…unspektakulär ist? Vielleicht ist der Song ein Beispiel dafür, wie gut sich die Band um Todd Jones neu formiert hat, vielleicht steht er aber auch für verpasste Gelegenheiten, auf diesem Album den Werkzeugkoffer zu erneuern.

Der erste Song, der für mich richtig ooht und aaht, ist nämlich erst der virtuose vierte Give Me The Painkiller: Crossover Thrash prescht in Richtung Speed Metal, Riffs und Gitarrensolo schlittern so leicht auf und ab, dass sich die Finger scheinbar in Luft auflösen. Man muss kein Fan dieser Genres sein, um sich davon beeindrucken zu lassen.

Im Nails-Sounds schwingt bei allem Grindcore der Beat oft auch anders. Auch wenn die ersten drei Songs, was ihre Struktur angeht, untereinander beinahe austauschbar sind – der Anfang knüppelt, das Ende groovt – so machen die viel zu kurzen, verspielten Riffs und Abschnittwechsel Lust auf meeeehr! Das kommt dann endlich in der Mischung aus eleganten Dampfwalzen- und Maschinengewehr-Riffs und dem Groove von Lacking The Ability To Process Empathy.
Nach ein paar Einlagen musikalischer Prügelei, deren einziges Highlight für mich ehrlich gesagt nur der subtilste aller denkbaren Tempowechsel im 38-Sekündler Trapped ist, stürzen die vier apokalyptischen Reiter im Galopp von I Can’t Turn It Off herab und verstreuen kitzelnde Riffs, aufregende Dynamik-Shifts, und lassen neben einem genau richtig kurzen Gitarrensolo sogar ein Drumsolo ab, das die Krönung des energiegeladenen Spiels von Carlos Cruz darstellt.
Überhaupt bieten die letzten beiden Songs endlich die Variationen, die ich auf den letzten beiden „Long“playern Abandon All Life sowie You Will Never Be One Of Us so spannend fand und auf Every Bridge Burning zu oft vermisst habe. Der letzte Track ist traditionell immer der längste und vielseitigste (und in Teilen sludgigste) auf einem Nails-Album und das gilt auch wieder für No More Rivers To Cross. Die Gitarren verführen als Schlangenbeschwörer ebenso zu Hüftschwüngen wie Fäusten in der Luft, und als Kontrast zum Rest des Albums ist dieser Closer wieder besonders düster.

Nails waren in ihrer Mischung aus Grindcore und Metal schon immer geradeheraus und wussten mit Rhythmus- und Riff-Wechseln ihrer Musik die richtigen Schnörkel zuzusetzen.
Und das mit eiserner Konstanz: Der Erstling Unsilent Death (2010) brannte mit roher Energie alles nieder und ebnete den Boden mit dem Signatur-Sound der Band. In diesem überraschte Abandon All Life (2013) mit seinen doomigen bis black-metalligen Kontrasten zum powerviolenten Instrumente-Bashing. You Will Never Be One Of Us (2016) war meiner Meinung nach das interessanteste Album in Sachen Strukturen, Dynamiken und etwas experimentellerer Gitarren.
Auf Every Bridge Burning wurde der technische Aspekt laut Jones etwas heruntergefahren und sich eher auf den Ausdruck der Gitarren fokussiert. Das Album wirkt insgesamt direkter und geht in dieser Hinsicht mehr in die Richtung von Punk und Hardcore als von Metal.

Jones baut seine Songs um Riffs herum, allerdings meint man ab einem gewissen Moment, das eine oder andere bereits von Nails gehört zu haben. Auch wenn der direkte Vergleich mit verdächtigen Tracks dann keine offensichtlich Schuldigen enttarnt, so werde ich bei allem zustimmenden Kopfnicken im Rhythmus der Tracks das Gefühl nicht los, dass etwas fehlt: Neues mit Signifikanz. Natürlich ist der einheitliche Sound schon immer der verlässliche (und völlig beabsichtigte) Teil von Jones‘ Paketlieferung gewesen, und man kann sich durch sämtliche Releases hören, ohne Ausreißer zu erleben, die einen zu sehr aus dem Konzept bringen. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat seine Zielgruppe, die Nails auch mit dem neuen Album wird halten können! Gleichzeitig sind es aber nun einmal die vielseitigeren Songs, die in Erinnerung bleiben. Der pure Grindcore braucht dann schon zusätzlich den Pit. Gab es von ersterer Sorte auf Abandon All Life und You Will Never Be One Of Us noch denkwürdige, die aus der gesamten Diskografie herausstachen, gibt es hier immerhin welche, die aus dem Album hervorstehen wie Nägel, die nicht durch reines Draufdreschen punkiger Flachheit konform gehen.
Und ja, das hier ist alles sehr konform. Sorry, Punks.

Was vielleicht einen Anflug an Experimentellem oder Spontaneität hat, ist das Gitarrenpfeifen am Ende von fünf Songs (von zehn auf der Trackliste), aber auch das verliert spätestens nach dem dritten Mal jeglichen Charakter einer dreckigen Probenraum-Aufnahme und wird in seiner Absicht fast schon zur Karikatur.

In Anbetracht der guten Qualität ist der Sound insgesamt ohnehin etwas zu weit davon entfernt, eine stabile Schicht an Kruste anzusetzen. Was aber wiederum nichts Schlechtes sein muss. Fans der alten Aufstellung dürfte freuen, dass das Album ebenfalls wieder vom un-heimlichen fünften Mitglied Kurt Ballou (Kvelertak, Toxic Holocaust, The Armed, Russian Circles) produziert wurde. Dieser hat diesmal einen Sound fabriziert, welcher der erwähnten Ausdrucksfähigkeit der Gitarren und Identifizierbarkeit ihrer Riffs hervorragend dient: Weniger Abrieb, dafür mehr Klangraum, in dem die Instrumente besser ausholen können. Das Gewicht kommt einfach wuchtiger ohne weißen Vorhang im Weg.

Eine Sache ist vorbehaltlos superb: die Vocals! In seinem Selbstverständnis als Gitarrist mit Nebenjob am Mikro war es für Jones das erste Mal, dass er den Anspruch verspürte, diese über mehrere Monate zu proben, bevor er sie auf das Album meißelte. Diese Angriffslust hört man! Auf dem Vorgängeralbum fand Jones zwar bereits seinen Stil, holt den Rotz nun aber aus bisher nie von ihm gekannten Resonanzraumtiefen. Gerade auf den Tracks Every Bridge Burning und Give Me The Painkiller klingt er wie ein ausgehungertes Rudel bissiger Bluthunde. Die Mehrscreamigkeit hebt den Aggressionspegel des Albums zusätzlich, was emotional eine rein(igend)e Wohltat ist.

Nails – Every Bridge Burning
Fazit
Nails sind immer noch Nails. Auch nach acht Jahren unfreiwilliger Pause ist Todd Jones‘ auditive Demolierungstechnik so verlässlich, effizient und bewusste künstlerische Wahl wie eh und je. Diese Stilsicherheit mag Enthusiasmus oder Schulterzucken auslösen: Für Fans, die den Stil der Band und Kontinuität lieben (die Cover-Figur von Jef Whitehead a.k.a. Wrest prangte bezeichnenderweise ebenfalls bereits auf dem letzten Album), und sich neben der geballten Energie maximal ein paar coole Riffs wünschen, ist Every Bridge Burning bedingungslos zu empfehlen. Für diejenigen, die sich eine gewisse Entwicklung oder stilistischen und technischen Variationsreichtum erhoffen, ist das vierte Album nicht bahnbrechend – wenn auch absolut kein Grund, sich den Moshpit vermiesen zu lassen! Und für die dritte Kategorie der Noch-Nicht-Initiierten spielt es keine Rolle, mit welchem Album sie sich einhören. Ruhig dieses!

Anspieltipps: Give Me The Painkiller, Lacking The Ability To Process Empathy, I Can’t Turn It Off und No More Rivers To Cross
Eva B.
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