Event: Sepultura – European Farewell Tour 2024
Bands: Sepultura, Jinjer, Obituary, Jesus Piece
Ort: Inselpark Arena, Kurt-Emmerich Platz 10, 21109 Hamburg
Datum: 01.11.2024
Kosten: VVK ab 57,50 €, sold out
Zuschauer: ca. 3.500
Genre: Thrash Metal, Groove Metal, Death Metal, Metalcore, Modern Metal
Link: https://inselparkarena.de/
Setlist Sepultura:
- Refuse/Resist
- Territory
- Slave New World
- Phantom Self
- Attitude
- Means To An End
- Kairos
- Breed Apart
- Guardians Of Earth
- Choke
- False
- Escape To The Void
- Kaiowas
- Dead Embryonic Cells
- Agony Of Defeat
- Orgasmatron (Motörhead-Cover)
- Troops Of Doom
- Inner Self
- Arise
- Ratamahatta
- Roots Bloody Roots
Sepultura verabschieden sich von den Bühnen dieser Welt. Seit 40 Jahren beackert die Truppe aus Belo Horizonte, Brasilien, die Konzertsäle und lieferte 15 Studio-LPs. Von den ursprünglichen Bandgründern um die Brüder Cavalera ist niemand mehr dabei. Genauso wie die Bandmitglieder sich verändert haben, so hat sich der Sound von Sepultura über die Jahrzehnte immer wieder verändert. Death Metal, Thrash Metal, Groove Metal, selbst Nu Metal-Einflüsse sind auf den CDs der Band zu finden.
Die Feiertage in Germany haben lokal unterschiedliche Gewichtungen. Während der 1. November in vielen Teilen Süddeutschlands ein hoher Feiertag ist, herrscht in Hamburg normales geschäftliches Treiben. Bereits gegen 17 Uhr öffnen die Türen der Inselpark Arena. In der Halle im Stadtteil Wilhelmsburg tummeln sich primär Basketballspieler. Das bedeutet, wir sind in einer Sporthalle, in der das Thema Sound und optische Möglichkeiten immer eine Rolle spielen.
In Wilhelmsburg ist Pyrotechnik nicht möglich, da einiges an Holzverkleidung in der Sporthalle verbaut ist. Der Sound ist für eine Sporthalle nach persönlichem Standort unterschiedlich. Es ist kein Konzertsaal und insgesamt können die Fans in Hamburg auch noch weit schlechtere Soundmixturen bekommen als am heutigen Tag.
Bereits um 17:50 Uhr steht die erste Band auf der Bühne. Jesus Piece spielen Metalcore mit der dicken Hose. Problem dabei: Um auf dicke Hose zu machen, sollte sich die Truppe eine dicke Hose aneignen. Eine junge US-Band steht auf den Brettern, die zeigen will, wie cool und hart die Herren sind. Nur wirken viele Sachen überambitioniert. Vielleicht sollten sich die Herren einfach darauf konzentrieren, gute Songs am Stück zu liefern. Bei dem Social-Media-Menschen von Tankard hinterlässt das Dargebotene sogar Kopfschmerzen. Der musikalische Ansatz von Jesus Piece ist mit dem späteren Headliner Sepultura nicht kompatibel.
Das ändert sich umgehend mit den Florida-Death-Metallern Obituary, die im Gegensatz zu den Vorgängern eine dicke Hose haben und diese mit fetten Riffs und ordentlichem Gekeife von John Tardy kombinieren. Bei Einbeziehung der Vorgängerbands von Obituary stehen hier 40 Jahre musikalische Erfahrung auf den Brettern. Elf Nummern knallt das Quintett dem Publikum auf die Ohren, darunter mit Slowly We Rot den Titeltrack des Debütalbums. Weitere Highlights gibt es mit Chopped In Half oder Turned Inside Out vom 1990er-Longplayer Cause Of Death.
Natürlich gibt es Kost des aktuellen Albums Dying Of Everything, wobei vor allem War und der Titeltrack eine gute Figur machen. Leider haben Obituary nur 40 Minuten, sodass es kein I’m In Pain oder Find The Arise zu hören gibt. Schade, hier wäre ein Verzicht auf den deplatzierten Opener und eine längere Spielzeit für Obituary eine bessere Wahl gewesen. Die Truppe hinterlässt einen hervorragenden Eindruck und die Fans sind bereit für Sepultura.
Moment, die kommen noch gar nicht. Nichts gegen Jinjer, die Truppe aus der Ukraine ist durch den Krieg in ihrer Heimat genügend gebeutelt. Auch dass die Band seit Kriegsausbruch fast ohne Unterbrechung auf Tour ist, verdient mehr als nur ein Ausrufezeichen. Mit den eingenommenen Geldern fördern Sängerin Tatiana Shmayluk und Co. verschiedene Projekte in ihrer Heimat. Trotzdem sei eine Frage erlaubt: Was verbindet die Musik von Jinjer mit Sepultura? Es gibt nochmals eine Portion Metalcore. Nicht überzogen vom Auftritt wie von Jesus Piece, aber eben eine Musik, die in den vergangenen circa 15 Jahren groß geworden ist und wenig bis gar nichts mit dem verbindet, was Sepultura auf die Bretter legen. Folglich gibt es bei dem zusammengestellten Package das Phänomen der Wanderung. Während die Jinjer-Fans nach vorne drängen, um diverse Kreise zu laufen, verlassen viele Old-School-Fans die Halle. Es ist heiß in der Sporthalle und der Sauerstoff ist knapp. Da schadet eine längere Pause nicht.
Gegen 20:30 Uhr sind Jinjer mit ihrem Set durch und die Fans warten gespannt auf den Gig von Sepultura. Der Umbau ist zügig erledigt und überraschend schnell erlischt das Licht in der Halle. Es gibt vom Band War Pigs von Black Sabbath und Polícia von Titãs. Dann erlischt das Licht komplett und die Protagonisten kommen auf die Bühne. Zunächst der neue Drummer Greyson Nekrutman. Nachdem Sepultura verkündigt hatten, dass die lange Karriere zu Ende geht, folgte der langjährige Drummer Eloy Casagrande dem Ruf von Slipknot. Um es vorwegzunehmen: Nekrutman macht seine Sache mehr als gut. Es folgen die Saitenarbeiter Paulo Xisto und Andreas Kisser, die schon mal mit dem Klassiker Refuse/Resist starten, bei dem Sänger Derrick Green sofort mit einsteigt. Der erste Eindruck ist top. Die Saiten schreddern und grooven, Green scheint gut bei Stimme und keift ordentlich aus den Boxen.
40 Jahre Bandgeschichte bedeutet ein nahezu unendliches Potenzial an Must-Play-Tracks. Territory, ebenfalls von der Chaos A.D., knüpft nahtlos an den Vorgänger an, der Moshpit tobt und die Security stellt die vor der Bühne ankommenden Menschen wieder auf die Füße. Slave New World komplettiert den Chaos A.D.-Auftakt und das Chaos feiern die Fans mit Sepultura Gesängen.
Bei hohen Temperaturen und wenig Sauerstoff sind Pausen wichtig. Die neueren Sachen wie Phantom Self, Means To An End oder Guardians Of Earth sorgen für die entsprechende Abkühlung. Dazwischen geht es immer wieder hoch her, wenn Attitude oder Breed Apart aus den Boxen knattern.
Escape To The Void kündigt Andreas Kisser an. Der Soundmixer erweist sich als Schlaftablette und öffnet für Green das Mikro zu spät. Schade, das fast 40 Jahre alte Stück hätte eine perfekte Performance verdient. Sogar das Debüt Morbid Visions findet mit Troops Of Doom Berücksichtigung im Set. Eine beeindruckende Performance gibt es zu Kaiowas, bei dem zunächst Kisser und Green zusätzliche Percussions bedienen. Im Laufe der Nummer kommen diverse Gäste auf die Bühne, die die Percussions übernehmen, sodass sich das Quartett auf seine primären Tätigkeiten konzentrieren kann. Richtung Ende des Sets geht es nochmals tief zu den Klassikern mit Inner Self und Arise, was die letzten Kräfte im Publikum mobilisiert.
Zugabe? Na klar! Roots ist das wohl bekannteste Werk, aber auch eine Scheibe, zu der es sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Ratamahatta, inklusive Drum-Solo, und das unvermeidliche Roots Bloody Roots machen den Deckel auf mehr als 100 Minuten Sepultura am heutigen Abend.
Gibt es was zu Meckern? Bei einer Farewell-Show über das Set zu meckern bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen. Es muss und wird bei einer Gesamtwerkschau immer Kompromisse geben und die Geschmäcker sind unterschiedlich. Das Quartett hat kräftig abgeräumt und entlässt die Fans zufrieden in das Hamburger Nachtleben. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann die beiden Metalcore-Bands, die sich inkompatibel zum Headliner angefühlt haben.