Uada + Ghost Bath + Cloak am 28.10.2024 im Petit Bain, Paris

Monday Madness: Black-Metal-Sturm auf Paris

Eventname: A Decade Of Reflective Divinations Tour 2024

Headliner: Uada

Weitere Bands: Ghost Bath (Special Guests), Cloak (Support)

Ort: Petit Bain, Paris, Frankreich

Datum: 28.10.2024

Ticketpreis: 27,60 € VVK, 30 € AK

Genre: Black Metal

Besuchende: 250

Veranstalter: Garmonbozia (http://www.garmonbozia-inc.com/)

Link: https://petitbain.org/evenement/uada/

A Decade of Reflective Divinations Tour 2024

In Paris gilt das Petit Bain als sichere Adresse für Qualitätskonzerte einer jährlich unüberschaubaren Zahl an französischen und internationalen Bands. Und das aus gefühlt allen Musikgenres. Taucht man an bestimmten Abenden dort auf, bekommt man auf diesem Boot abseits der Touri-Ströme ein ordentliches Anti zum Klischee an Katalogromantik. So auch heute. Na gut, die Dachterrasse mit Blick auf die Seine ist immer nice, aber davon hat man im Bootsbauch drei Etagen tiefer nichts, und bei offensichtlich so heiß erwarteten Bands ist die auch Nebensache. Als ich ankomme, ist es vor dem Eingang still wie am Totensonntag – alle sind schon drin!

Der Saal mit einer Kapazität für 450 Leute ist nicht komplett voll, dafür aber bereits jetzt – an einem Montagabend! – voll genug, dass man spürt: Ein Warm-up hat niemand nötig, das französische Publikum ist jetzt schon chaud.
Noch etwas anderes liegt in der Luft: Räucherstäbchenduft und Kerzenrauch. Klassiker, aber auf solchen Konzerten auch nie verkehrt, oder? Dass der Typ vor mir gefurzt hat, macht mich für die Räucherstäbchen besonders dankbar.
Das Publikum ist relativ gemischt. Ich sehe verschiedene Hautfarben, höre hinter mir Arabisch, und freue mich für Menschen und „Szene“, dass sich Leute jeder Herkunft an diesem Black-Metal-Abend willkommen fühlen. Natürlich erspähe ich auch die Gothic-Frau und den Durchschnittsmetaller mit und ohne Bandshirt. Der Hipster-Professor in der Mitte ist selten, aber nicht ungewöhnlich, wenn der Black Metal modern ist. Die Kutten-Crew aus Männern spät-mittleren Alters samt Nieten-Armbändern habe ich allerdings bisher noch auf keinem Black-Metal-Konzert angetroffen. Ihre Präsenz in der ersten Reihe identifiziert sie als Vorboten der ersten Band:

Cloak, Paris 2024 | Foto: Eva Beck

Um Punkt 19:30 Uhr gehen die Saallichter aus und Cloak betreten die Bühne. Ihr Blackened Heavy Metal geht sofort ab und auch das Publikum ist direkt da, mit Fäusten in der Luft und Bullengebrüll aus den hinteren Reihen. Neben dem Vocalisten ist vor allem der Bassist eine echte Rampensau und genießt sichtlich das Bad im blutroten Scheinwerferlicht. Die Band headbangt sich durch ihr halbstündiges Set, das keine Achsel trocken lässt, und setzt mit ihrer Energie auf jeden Fall den Standard für den Rest des Abends.

Die Stimmung hält sich auch über die 30 Minuten Umbaupause sehr gut. Vor mir tauscht sich die Kutten-Crew angeregt über die KerryKing-Gitarrenserie aus, hinter mir werden neue Bekanntschaften geschlossen und Musikempfehlungen gegeben, die ersten kommen mit frischer Beute glücklich von den Merch-Tischen zurück.

Um halb Neun übernehmen Ghost Bath. Ich bin extrem überrascht, wie anders diese Band live im Vergleich zu dem, was ich erwartet hatte, herüberkommt. Atmosphärischer Post-Black-Metal auf Platte – live eine Punkband? Zumindest sind das die Vibes, die bei mir ankommen und die sind auch noch mal ein großartiger Unterschied zu denen von Cloak.

Ghost Bath, Paris 2024 | Foto: Eva Beck

Ghost Bath haben mit ihrem DSBM unpassend passend viel Spaß und das spiegelt sich wie selbstverständlich im Publikum wider, der Schweißgeruch wird säuerlicher, die Luft dicker. Ich meine, Leute, hier bauen drei Gitarren und ein Bass den Sound, da kommt jeder Partikel ins Vibrieren! Auf der kleinen Bühne können nicht alle der vier Saitenzupfer gleichzeitig vorne stehen, und so wechselt man sich gleichberechtigt damit ab, den Jubel am Bühnenrand in Empfang zu nehmen und sich mit den 250 Leuten in der Distortion zu aalen. Was für eine Bande guter Kumpels da unterwegs ist, merkt man noch mal mehr, als Merch-Manager Alex ans Mikro geholt wird, um ein paar so richtig fiese Screams abzulassen.

Nach einer ebenfalls sehr kurzen halben Stunde gibt’s die letzte Pause. Der Saal leert sich proportional zu Blasen, denn alle gehen noch mal brav aufs Klo – für Uada will man ready sein!
Während des Aufbaus wird ein bisschen Salbeirauch auf der Bühne verwedelt. Wie die Mitglieder der anderen Bands auch, tunen Uada, bereits in ihre Jacken gehüllt, ihre eigenen Instrumente. Es ist ein bisschen schade um das Mysterium in der Auftrittskunst, wenn Musikschaffende das selbst machen, aber die aktuelle Realität des (Live-)Musik-Business, und sicher auch Visum-Kosten, machen das Praktizieren von Mysterien mit einer größeren Crew fast schon zu einer Luxusangelegenheit.

Uada gehen, Uada kommen, begleitet von Wolfsheulen und Akustikgitarre; vom Band, aber wen stört‘s, solange man stimmungstechnisch ins Schwarze trifft. Dann durchflutet gleißendes Licht den Saal und macht aus den Musikern anonyme Silhouetten, die sich synchron im Takt bewegen und ihren fetten Sound durch ihre Instrumente jagen. Und das übrigens, wie auch schon bei den vorherigen Bands, mit einer für das Petit Bain typisch ausgezeichneten Klangqualität. Die Leads und Soli kommen hervorragend durch und auch die Vocals gehen nicht unter, wie das bei diesem Genre live schon mal der Fall sein kann – alles ist perfekt eingebettet in das Rauschen der Gitarren und das Hämmern der Drums. Uada sind dabei keine sonderlich visuelle Band, das Licht-„Design“ ist kalt und statisch, die Bewegungen der Musiker sind kein Blickfang, und Gesichtsausdrücke sucht man unter den Kapuzen sowieso vergeblich. Ein Nachteil ist das nicht! Man zählt anscheinend auf die Musik als Hauptverbindung zum Publikum, und damit auf Immersion und Ekstase, die im Publikum aber fast automatisch entstehen.

UADA, Paris 2024 | Foto: Eva Beck

Das Publikum ist so gut gelaunt, dass niemand die plötzlich notwendige Unterbrechung krumm nimmt: Drummer Patrick Fiorentino rennt raus, kommt mit neuem Becken zurück und beginnt einen recht langen Kampf mit der Schraube. Der Rest der Band weiß den gesamten Prozess professionell und buchstäblich zu überspielen: Mit noisigen Gitarrensounds halten sie die Spannung so lange wie nötig (wenn man der Situation so zuschaut, ist das Ganze auch fast ein Nervenkitzelbonus zur Show), und versammeln sich um das Schlagzeug wie ein Schutzschild. Ein kurzes „Alles klar!“-Nicken zwischen Fiorentino und Superchi, und es geht weiter, als sei nichts gewesen.
Besonders laut werden die Kernstücke der Alben Cult Of A Dying Sun und Djinn begrüßt. Mahnende Finger zittern mit den Tremolos, Klauen greifen in Bühnenrichtung. In der Mitte der Menge hat sich eine besonders ausgelassene Anhängerin ihren Platz mit Armen und Haaren um das Dreifache erweitert. Den kann sie aber nicht ewig behaupten, denn ab der Hälfte des Sets gibt es für die Leute kein Halten mehr: der Moshpit übernimmt. Als sich die Wogen irgendwann wieder glätten, flacht die Stimmung aber nicht ab; bis zum letzten Song schwappt es im Publikum in kleinen Wellen noch gut über.
Zurück lässt die Band wie vor Erleuchtung glänzende Augen in heiter-verdutzten Gesichtern. So sollten Montage immer sein!

Hier tobt ein starkes Dreierpack durch Europa, mit amerikanischem Black Metal verschiedenster Interpretationen! Wenn ihr auch nur eine dieser Bands durch eure Stadt oder euer Lieblingsfestival stürmen seht, liefert euch ihnen aus, bereuen werdet ihr nichts!