Eventname: The Teenage Rebel Tour 2024
Headliner: Nestor
Vorband: Velveteen Queen
Ort: Moritzbastei, Leipzig
Datum: 08.11.2024
Kosten: 28,20 € VVK
Genre: Sleaze Rock, AOR
Besucher: 300 Besucher (ausverkauft)
Veranstalter: MAWI Concert GmbH, Moritzbastei
Link: https://www.facebook.com/events/1001222238268460
Setlisten:
1. Barrel Of A Gun
2. Trauma
3. Bad Reputation
4. Consequence Of The City
5. Concrete Crusader
6. Take Me Higher
7. Last Sensation
1. We Come Alive
2. Kids In A Ghost Town
3. Addicted To Your Love
4. Stone Cold Eyes
5. Last To Know
6. Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)
7. The One That Got Away
8. Unchain My Heart
9. Signed In Blood
10. Victorious
11. Caroline
12. Firesign
13. On The Run
14. Teenage Rebel
15. 1989
Am heutigen Abend hat die altehrwürdige Moritzbastei (oder kurz MB genannt) in Leipzig eingeladen. Ja, der legendäre Studentenclub, an dessen Entstehung durch profane Schaufelarbeit in den verschütteten Ruinen einer alten Stadtbefestigungsbastion aus dem 16. Jh. schon Angela Merkel in ihrer Leipziger Studentenzeit beteiligt war. Danke Merkel! Und damit ist auch gleich der Auftrag, ansonsten eher unnützes Party-Small-Talk-Wissen an den Leser zu bringen, abgehakt. Kommen wir also zur Sache: Heute hat die MB in ihrem Veranstaltungstonne genannten größten Saal eine Art Zeitreise-Ereignis angekündigt. Geboten werden die erfolgreichen Musik-Genres der 80er: Sleaze Rock und Adult Oriented Rock (AOR), letzterer auch als Radio Rock oder Mainstream Rock bekannt.
Nun, zumindest Sleaze war der Sound, der die Teenies in den 80ern begeisterte: Mötley Crüe, L.A. Guns und natürlich Guns N‘ Roses mögen als Buzzworte für die damals hippe Melange aus Glam, dem punkig angehauchten Sleaze und Hard Rock reichen. Und natürlich werden wir AOR hören, wie ihn in den 80ern Bands wie Heart, Boston, Foreigner, Fleedwood Mac, Surviver, Brian Adams oder die unvermeidlichen Bon Jovi boten und damit in den Radios rauf und runter gespielt wurden. Irgendwann in den frühen 90ern war diese Zeit dieser eher sorglos daherkommenden Musik jedoch vorbei und das musikalische Rad hatte sich weitergedreht. In den USA war die Reagan-Ära mit ihren Konsumversprechen vorbei und überhaupt hatte sich die Welt weitergedreht. Aber nicht heute Abend! Wir drehen sie zurück. Und das Beste: Es treten dazu keine betagten Opas von damals auf, die noch was zur Rente dazuverdienen müssen, sondern frische Bands, die tatsächlich aus diesen Genres schöpfen und damit neue und gleichzeitig irgendwie moderne Musik machen. Oder zumindest modernisiert und gut produziert klingen.
Vorband am heutigen Abend sind Velveteen Queen, ein Quartett (plus Live-Verstärkung am Bass) aus Göteborg. Dort kommt also nicht nur schwedischer Melodic Death her, sondern auch amerikanischer Westküsten-Sleaze, wie man ihn vor über 30 Jahren dort erfunden hat. Sie haben heute einen Zeitslot für sieben Songs, den sie natürlich mit Songs von ihrem in diesem Jahr erschienenen Debütalbum Consequences Of The City füllen. Die Band wird wohlwollend betrachtet, ist aber wahrscheinlich noch zu unbekannt, um bei uns schon viele Fans zu haben. Die Tour sollte das hoffentlich ändern. Sie haben den Vibe von damals ganz gut eingefangen und es geht dabei nicht nur um lässige Outfits (oder was man vor 30 Jahren dafür hielt), sondern vor allem um die Melodien, die Art des Gitarrenspiels, die Darstellung der Songs. Und hier machen Velveteen Queen wirklich einen guten Job.
Und jetzt kommen schon Nestor. Als Bandgeschichte erzählen sie die Story, dass sie als Teenager Ende der 80er schon Musik zusammen machten, dann aber 30 Jahre lang keine Zeit mehr hatten und ihren Leben nachgingen, ehe sie sich vor wenigen Jahren noch einmal entschlossen, diesmal ernst zu machen so richtig mit eigenen Songs, und Album und Tour. Ich weiß nicht, was an der Erzählung dran ist, vielleicht ist das auch genauso gewesen. Jedenfalls in jedem Fall eine gute Story. Nach dem Intro The Law Of Jante, das auch das aktuelle Album eröffnet, stürmt die Band auf die Bühne und wie auch auf dem Album geht es nahtlos weiter mit We Come Alive, der gleich das große Thema einfängt: Die Wiedererweckung von (zum Beispiel) früher einmal lebendiger Musik.
Und schon am ersten Song merkt man, dass hier ist keine Parodiecombo wie Steel Panther am Start ist. Nein, sie machen tatsächlich diesen alten Mainstream-Rock, weil sie ihn einfach mögen. Natürlich mit einem gewissen Schuss Selbstironie, schließlich weiß jeder, dass die große Zeit dieses Genres seit einigen Jahrzehnten vorbei ist. Aber das ist kein Hindernis, die Musik von damals wieder aufleben zu lassen. Über die Qualität der Songs wurde schon genug in diversen Albumreviews geschrieben. Hier nur so viel: Alles ist sehr gut auskomponiert, viele Melodien sind Ohrwürmer, viele Songs zitieren Originale aus den 80ern, aber bleiben dabei so eigenständig, dass man sich immer nur an bestimmte Songs erinnert fühlt, es jedoch keine Kopie von Passagen daraus ist, sondern eher das Spiel mit wohlbekannten Harmonien oder Instrumenteneinsätzen. Und so ist es für den Kenner alter Mainstream-Rock-Perlen durchaus interessant, in den Songs von Nestor nachzuhören, was wohl bei diesem oder jenem Lied die Vorbilder waren.
Kids In A Ghost Town, der Titeltrack des Debütalbums, macht gleich da weiter, wo der erste Song endete, und erinnert mit leicht melancholischem Einschlag an eine vergangene Beziehung in der Jugend. Inhalt vieler Nestor-Texte sind die typischen Themen von AOR-Songs: Liebe, Herzschmerz, Beziehungsstreit, das Anschmachten des anderen Geschlechts, Verlorenheit in der Jugend … Nestor bleiben dem Genre also auch textlich treu. Überhaupt ist genregemäß das meiste Material Midtempo-Musik. Die unvermeidlichen Balladen gibt es natürlich auch. Addicted To Your Love hat starke Survivor-Vibes und kreuzt dazu noch ein Stakkato-Keybord ein, wie Bon Jovi zu Runaway-Zeiten. Nebenbei darf ruhig die äußerst gute Stimme von Sänger Tobias Gustavsson erwähnt werden, der jeder Textzeile in den Songs die richtige Tiefe und Betonung gibt.
Stone Cold Eyes klingt ein wenig wie Hold Back The Night von Giant – mit etwas höherem Takt. Bei Last To Know geht es wieder mehr in die Survivor-Richtung. Doch alles bleibt eigenständig genug, um nicht als Kopie oder Hommage zu gelten, sondern ist absolut ein eigener Song. Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore) schließt sich an. Und um die Qualität noch einmal hervorzuheben: Im Gegensatz zu einigen Alben der alten Bands aus der Originalzeit würden bei Nestor so ziemlich alle Songs auf den bisher veröffentlichten Alben auch als Singles funktionieren. Da gibt es kein Füllmaterial, keine nicht bis zum Ende gedachten Songs, die noch Feinschliff vertragen hätten.
Mit The One That Got Away folgt eine Ballade vom neuen Album. Wie alle Songs auch hierin typisch für den Mainstreamrock der 80er und auch hierbei perfekt die wesentlichen Zutaten eingefangen. Unchain My Heart mit schönem, mitreißenden Gitarrenpart erinnert wieder an alte Survivor-Zeiten. Signed In Blood ist einer der Zugabe-Songs aus der Neuauflage der Debüt-LP, nachdem die Band zu Napalm Record gewechselt war. Victorious ist schon als Singleauskopplung bekannt und wird im Doppelpack mit dem auch auf dem Album folgenden Caroline gespielt, natürlich mit vom Publikum inbrünstig mitgesungenem Textabschnitt am Ende. Firesign ist wiederum ein wenig an dem Sound von Rainbow orientiert.
Die Zugabe beginnt mit On The Run. Auch den Titelsong des aktuellen Albums haben sich Nestor für die Zugabe aufgehoben. Teenage Rebel (Teenage Rebel, 2024) kommt nicht nur äußerst klassisch daher, es beinhaltet auch ein sehr gutes Gitarrensolo von Jonny Wemmenstedt. Das zeichnet allerdings so einige der Songs aus. Ganz zum Schluss folgt noch 1989 als Hymne auf eine vergangene Zeit, im Text verknüpft mit der Erinnerung an eine ebenso vergangene Beziehung. Damit ist der Abend zu Ende und ich denke, jeder in der ausverkauften Moritzbastei war sehr zufrieden mit der Zeitmaschine, die ihm hier geboten wurde.