Im Juni 1970 erblickte ein weiteres, damals noch nicht wegweisendes Album das Licht der Sonne, auch wenn das Cover zunächst eher an eine dunkle Gruft erinnert. Das von Spinnweben eingerahmte, zu einem Schrei verzogene Gesicht des Uriah Heep Sängers David Byron lässt zunächst eher an eine Gruselstory denken. Trotzdem sollte das der Anbeginn einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte werden, auch wenn die erste Platte da noch so gar nicht darauf hindeutete. Melissa Mills vom Rolling Stone Magazin schrieb dazu: „sie müsse Selbstmord begehen, falls es diese Gruppe schafft“. Ob sie das letztendlich gemacht hat, denn Uriah Heep haben es ja bekanntlich geschafft, darf bezweifelt werden. Aber da hat sie, zumindest was das erste Album betrifft, nicht ganz unrecht. Zwar hatten Uriah Heep mit ihrer ersten Hit Single Gypsy (Platz 30 in den deutschen Charts) einigen Erfolg, aber das ließ noch nicht wirklich auf das schließen, was sich daraus in den nächsten Jahren entwickeln sollte. Das Album mit dem etwas vertrackten Namen …Very ’Eavy …Very ’Umble erscheint Anfang 1970 und wird trotzdem zum Grundstein einer bis heute anhaltenden Karriere. Uriah Heep, benannt nach einer Figur aus Charles Dickens Roman David Copperfield, gingen aus der Band Spice hervor und setzten sich zunächst aus David Byron am Mikrofon, Alex Napier an den Drums, Mick Box an der Gitarre, und Paul Newton am Bass zusammen. Um der Band eine eigene von der Norm abweichende Note zu geben, wurden auf Initiative von David Byron Keyboards in den Sound eingebunden. So kam dann Ken Hensley mit an Bord, der zukünftig einen großen Anteil am Erfolg haben sollte.
Meine ersten Erfahrungen mit Uriah Heep machte ich erst ab Look At Yourself, der dritten Platte der Heeps, die nach Salisbury, mit dem Überhit Lady In Black in der zweiten Jahreshälfte 1971 erschien. Anfang der Siebziger fand ich …Very ’Eavy …Very ’Umble noch ziemlich langweilig. Ich war da doch von den klareren und wesentlich rockigeren Deep Purple oder Black Sabbath Platten erheblich mehr angetan und außerdem fand ich die Glam Rock Szene mit T.Rex, Slade, Sweet und Konsorten auch recht interessant. Erst später traute ich mich an das Debüt von Uriah Heep ran und entdeckte dann das eine oder andere Kleinod darauf. Zunächst ist der Stil eben noch nicht so eindeutig dem Hard Rock zuzuordnen, dazu gibt es zu viel jazzige oder bluesige Einflüsse, die zwar mit progressiven Anteilen verschmolzen wurden, aber nicht die Kraft und Klasse von Yes, Genesis oder Crimson Glory hatten. Der progressive Part wurde später beibehalten und die jazzigen oder blueslastigen Inhalte durch Härte, sprich Hard Rock ersetzt. Dadurch wurden im Laufe der Zeit die Songs eingängiger und melodiöser. Man achte einfach mal auf den Titeltrack Salisbury der zweiten LP und July Morning auf der dritten Platte, bei denen eindeutig Ken Hensley mit den Keyboards dominiert, aber bereits die härtere aber harmonieträchtigere Marschrichtung vorgibt. Bereits ab Look At Yourself spielt sich auch Mick Box an der Gitarre immer stärker in den Vordergrund. Diesem erfolgreichen Stil blieben Uriah Heep auch die folgenden Jahre über treu. Ähnlich wie bei Deep Purple wurde die wohl erfolgreichste Phase erst nach einem Besetzungswechsel gefunden. Mit, bzw. nach Look At Yourself, kamen dann Gary Thain als Bassist dazu und Drummer Lee Kerslake ersetzte Ian Clarke, der wiederum auch nur ein Jahr bei der Band agierte. So entstanden mit Demons And Wizards, The Magicians Birthday, der legendären Uriah Heep Live, Sweet Freedom und Wonderworld ihre größten Erfolge und sie etablierten sich neben Black Sabbath, Deep Purple, Nazareth und Led Zeppelin an der Spitze des Hard Rock – bis auch hier die daseinserweiterten Substanzen ihre Opfer forderten und die Glam Rock Welle bzw. der Punk dem Hard Rock langsam das Wasser abgrub.
Zurück zu …Very ’Eavy …Very ’Umble. Der erste Song, Gypsy, der bereits hier schon das Potenzial der Band aufzeigt, beginnt mit einem Riff von Mick Box, das bis heute Wiedererkennungswert hat. Dann wird schnell der Einfluss des Keyboards hörbar. Ken Hensley experimentiert mit verzerrten, schrägen Tönen, die dem Track etwas Hypnotisches geben. Byrons Stimme klingt zum ersten Mal sehr eindringlich und geheimnisvoll und über die Jahre wird diese Stimme die Musik von Uriah Heep prägen. Der als Single auf knapp drei Minuten gekürzte Song kommt auf der LP mit fast sieben Minuten erst voll zur Geltung und ist der beste Song auf der Platte. Mit dem folgenden Walking In Your Shadows wird die noch nicht genau definierte Marschrichtung deutlich hörbar. Noch typisch im sechziger Jahre Stil werden aber bereits erste Schritte aufgezeigt, die später zum Markenzeichen werden sollten. Mehrstimmiger Gesang, der von Ken Hensley, Mick Box, Paul Newton und Frontmann David Byron eingesungen wird. Mit Come Away Melinda, einem von Fred Hellerman und Fran Minkoff komponierten Anti Kriegs Song, der bereits vorher von Harry Belafonte und den The Weavers gespielt wurde, zeigen Uriah Heep, dass sie auch außerordentlich melodiös und gefühlvoll können. David zeigt eindrucksvoll, was für ein unglaublich guter Sänger er ist. Die Fast-Ballade wird mit durch die akustische Gitarre von Mick Box geprägt und auch Ken Hensley zeigt sich von einer sanften Seite. Danach gibt’s einen echten Blues, der auch aufzeigt, dass die Wurzeln von Uriah Heep noch nicht abgelegt sind. Da ja der Hard Rock ganz maßgeblich vom Blues und Blues Rock abstammt, sind diese Einflüsse hier mehr als nur deutlich hörbar. Das machte diese Platte zu dem Zeitpunkt auch noch nicht so durchschlagend erfolgreich. Sogar im Heimatland von Uriah Heep wird das Debüt überhaupt nicht in den Charts gelistet, in Deutschland schaffte sie es immerhin auf Platz 22 der LP Charts und in den Staaten, da mit anderem Cover und ohne den gerade gehörten Lucy Blues, schaffte sie es nur auf Platz 188 der Billboard Charts.
Die folgenden Tracks Dreammare und Real Turned On, bereits auf der zweiten Seite der LP, weisen ebenfalls keine klare Linie auf. Eigentlich sind sie beide mehr oder minder ignorierbar. Etwas Jazz, etwas Blues, ein wenig Prog und ganz, ganz wenig Rock. Diese Richtung sollte sich glücklicherweise Anfang 1971 mit Salisbury ändern, auch wenn da noch einiges bis zum Supergroup Staus fehlte. Wie bereits erwähnt, ist auf dem zweiten Album der wohl größte Hit der Band, Lady In Black, enthalten. Kurios: Der Song gefiel David Byron so gar nicht, und er weigerte sich sogar den einzusingen. So übernahm Ken Hensley das. Bis heute ist Lady In Black bei allen Livekonzerten auf der Setlist zu finden und wird oftmals im Zugabenblock gespielt. Gleiches gilt übrigens auch für Gypsy, das ebenfalls bis heute ein fester Bestandteil der Liveperformances von Uriah Heep ist. Ähnlich verhält sich das mit July Morning, Look At Yourself, The Wizard oder Easy Livin‘, alles Songs der ersten Platten.
Mit I ‚l Keep On Trying geht es auf …Very ’Eavy …Very ’Umble weiter und da sind zumindest schon mal wieder ausbaufähige Melodien und Songstrukturen zu erahnen. Wake Up Set Your Sights ist der letzte Song der knapp vierzig Minuten langen LP, der mit den mehrstimmigen Akkorden schon mal aufhorchen lässt. Genau dieses macht Uriah Heep ab 1972 berühmt und unverwechselbar. Damit ist das Debüt von Uriah Heep gespielt. Und wenn ich es heute höre, dann weiß ich, weshalb ich das 1970 noch so schrecklich fand. Auch heute tue ich mich mit dem ersten Album der Truppe schwer und erfreue mich lieber an Demons And Wizards oder Magicians Birthday.
1996 wurde die erste Platte erneut veröffentlicht und bot einige Bonustracks. Das ist dann eigentlich nur für Sammler interessant gewesen. Auch die 2003er Version wartete mit Bonustracks auf, bei der auch Songs der Vorgängerband Spice zu finden waren. 2016 gab es dann sogar eine Doppel-CD, die bisher unveröffentlichte oder alternative Versionen beinhaltete. Trotz allem bleibt die erste Platte von Uriah Heep ein schwieriges Werk. Da sie aber als Einstieg in die Erfolgsgeschichte dieser bis heute aktiven Band gesehen werden muss, findet sie hier die Plattform und die Anerkennung. Mick Box, als einziges übrig gebliebenes Ursprungsmitglied antwortetet einst auf die Frage, wie er das Erstlingswerk einschätzen würde: „es war eine komische Zeit. Wir gingen zu viert als Spice in das Studio, um unsere erste Platte aufzunehmen, und kamen zu fünft als Uriah Heep wieder raus. Der neue Keyboardsound stand uns gut, und auch, dass wir nun fünf Sänger in der Band hatten, erlaubte es uns, tolle Harmonien zu singen. Ich entdeckte dazu das Wah Wah Spiel, das uns von den anderen Bands unterschied. Wir waren damals sehr stolz auf unser erstes Album.“
Damit beende ich den Rückblick auf das erste Album von Uriah Heep. Wer die Jungs heute sieht, der erlebt eine Liveperformance, die schon Spaß macht. Mick Box, immerhin bereits 73 Jahre jung, hat merklich Spaß an seiner Arbeit und auch die jetzigen Mitstreiter zelebrieren die 50 Jahre alten Songs, als wären sie gerade erst geschrieben. Das inzwischen mitgealterte Publikum feiert die alten Stücke und die Spielfreude der jetzigen Besetzung. Allerdings ist bis auf Gypsy von …Very ’Eavy …Very ’Umble musikalisch nicht viel übrig geblieben. Allerdings ist der Stellenwert des Albums im Laufe der Jahre gewachsen und es ist ein Zeitzeugnis.
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Hier findet ihr den zweiten Teil unserer 50 Jahre Reihe: Deep Purple: 50 Jahre „Deep Purple In Rock“, damit natürlich nicht mehr On Tour