Artist: Kadavar
Herkunft: Berlin
Genre: Hard Rock, Psychedelic Rock, Stoner Rock, Doom Metal, Proto Metal
Label: Clouds Hill
Link: https://www.kadavar.com/
Bandmitglieder:
Gesang, Gitarre – Christoph „Lupus“ Lindemann
Schlagzeug – Christoph „Tiger“ Bartelt
Gitarre – Jascha Kreft
Bass – Simon „Dragon“ Bouteloup
Vor dem Auftritt von Kadavar am 26.10.2025 in der Großen Freiheit 36, Hamburg (Bericht hier), hatten wir die Möglichkeit, mit Drummer Christoph „Tiger“ Bartelt über die Entwicklung in den vergangenen vier Jahren und das neue Album Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin (K.A.D.A.V.A.R.) (Review hier) zu sprechen.
Time For Metal / Jürgen F.:
Hallo Christoph, vielen Dank für deine Zeit. Seit 2022 war wenig bezüglich Studioarbeit von Kadavar zu hören, dann veröffentlicht ihr gleich zwei LPs. Was ist bei Kadavar Post Covid passiert, bis zur Veröffentlichung von I Just Want To Be A Sound und jetzt Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin?

Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Ja, wir sind zu viert. Jascha ist Mitte 2022 zu uns gestoßen und seitdem haben wir uns sehr viel damit beschäftigt, als Quartett zusammenzuwachsen. Wir haben unsere ersten zwei Platten geschrieben. Es sieht im Moment so aus, als ob die zwei Platten sehr schnell gekommen sind. Aber die Vorarbeit und die ruhige Phase vorher hatten den Grund, dass wir uns als Quartett gründlich kennenlernen wollten. Wir haben super viel experimentiert und nicht sofort Songs geschrieben. Wir haben Zeit benötigt, um aus dem sehr bekannten Trio eine Viererband zu machen. Das erste Album ist ein sehr universelles, poppiges Album, was für uns ein großes Experiment war und wovon jetzt die Zweite vielleicht so klingt, wie die Fans Kadavar kennen. Die ganze Phase von 2022 bis jetzt ist eigentlich im Grunde das neue Zusammenfinden, Neues ausprobieren und wieder den Zugang zum Alten bekommen.
Time For Metal / Jürgen F.:
Wie ist denn das Songwriting mit eurem Zugang Jascha Kreft für die neuen Platten gelaufen? Hat sich der Prozess deutlich verändert zum vorigen Songwriting als Trio?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Unser Songwriting hat sich stetig geändert und weiterentwickelt. Wir haben nach der 2019er-Platte angefangen, Sachen zu ändern und neue Sachen auszuprobieren. Jeder hat seine Demos vorbereitet und wir haben immer im Proberaum zusammengespielt. Die neuen Sachen sind im Proberaum entstanden. Als die Pandemie ausbrach, haben wir angefangen, mit Synthesizern und mit Arrangements, die nicht immer sofort gespielt werden mussten, sondern als freier Flug angedacht waren. Als Jascha dazukam, haben wir genauso weitergemacht. Er hat seine Demos mitgebracht. Jascha ist sehr fleißig, schreibt viel, und wir haben eigentlich erst mal geschaut, was der Status quo ist. Wir haben in den vergangenen Jahren Ideen gesammelt und sind von dem „Jeder macht sein Ding“ wieder in den Prozess gekommen. Wir bringen Stücke wie früher zusammen und wir machen wieder mehr Performance mit unseren Instrumenten. Das heißt, wir haben uns erst vom gemeinsamen Prozess wegentwickelt, alles immer gleichzeitig zu machen, und entwickeln uns jetzt langsam wieder dahin zurück.
Time For Metal / Jürgen F.:
Du bist auch der Produzent der Kadavar-Platten. Für die 2025er-Alben haben Kadavar auf analoge Technik gesetzt. Wie kann sich der Fan das vorstellen? Sitzt ihr im Proberaum und zockt gemeinsam mit analoger Technik?

Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Jein, also diese Platte ist in unserer Regie entstanden. Und wir haben teilweise die Songs zusammen geübt, aber größtenteils haben wir unser Arrangement erst mal zusammen gemacht, und als das Ganze stand, haben wir dann noch mal neu aufgenommen. Ich habe als Produzent viel Wert darauf gelegt, dass die Performance auch als „nicht Live-Show“ spürbar ist. Das heißt, wenn ich meine Drums aufgenommen habe, dann habe ich mich wirklich da eine halbe Stunde hingesetzt und mit Schweiß und Headbangen und allem, was dazugehört, die Takes eingespielt. Ich habe das von den anderen Bandmitgliedern genauso eingefordert. Ich wollte nicht den Fehler machen, dass wir in einem Demostatus bleiben. Wenn da jemand auf der Couch beim Aufnehmen saß, dann habe ich halt auch auf meinem Regiestuhl mitgeheadbangt und habe angefeuert. So ungefähr begreife ich die Arbeit. Es hat viel mit der Technik und mit dem Klang zu tun, aber eben auch mit der Aufgabe, aus meinen Bandkollegen etwas rauszukitzeln.
Technisch setzen wir auf Röhren, Gitarrenverstärker, alte Preamps, also Mikrofon-Preamps, Röhrenmikrofone, Bandmaschinen, alte Transformatoren, durch die man den Mix durchschiebt, damit es alles noch ein bisschen wärmer und säuseliger und schöner wird. Federhallgeräte, alte Germanium-Transistor-Technik. Alles, was ich in den letzten 20 Jahren gesammelt habe, kommt zum Einsatz. Jede Menge Kompressoren, echte Hallgeräte. Diese Aufnahmetechnik ist meiner Meinung nach immer noch unerreicht und du kannst mit digitalen Nachbauten mittlerweile nah herankommen, aber du erreichst das Original nicht. Es ist viel Strom, der durch Eisenspulen gelaufen ist und sich auf einem Magnetband nach rechts und links ausgerichtet hat. Das klingt einfach anders.
Time For Metal / Jürgen F.:
Kadavar waren bei dem größten Metal-Label der Welt und jetzt beim zumindest im Segment Metal nahezu unbekannten Label Clouds Hill. Wie ist es dazu gekommen?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Das ist eine lange Geschichte. Bei Nuclear Blast sind wir weggegangen, weil wir unser eigenes Ding machen wollten. Wir hatten unseren Vertrag erfüllt. Während der Pandemie haben wir unser eigenes Label Roboter Records gelauncht und auch mehrere Platten veröffentlicht. Zwei Alben, mit dem Eldova-Album in Kooperation mit Elder, The Isolation Tapes, unser sechstes Album und noch eine Single mit Lucifer sowie zwei Coversongs. Und wir haben sogar andere Bands gesignt. Polymoon aus Finnland, Splinter aus den Niederlanden, Samling aus Schweden. Das sind alles supercoole Projekte, bei denen ich teilweise die Aufnahmen umgesetzt habe. Als unser normales Business wieder losging, haben wir festgestellt, dass wir uns nicht in Stücke reißen können. Wir möchten unseren Fans gerne eine Platte geben, die sauber gearbeitet wird. Wir können aber nicht eine Platte schreiben, aufnehmen, produzieren und dann auch noch vermarkten. Da holen wir uns lieber wieder ein großartiges Label, das das für uns erledigt. Wir fanden den Stil von Clouds Hill cool. Wir haben uns mit denen getroffen und deren Ansätze und Visionen entsprachen unseren Vorstellungen.
Jascha war mit Odd Couple schon vorher bei Clouds Hill und möglicherweise hatte die Verbindung auch Einfluss auf unsere Entscheidung. Im Musikbusiness sind alle miteinander vernetzt und es gibt immer viele Wege, aufeinander zuzugehen, aber vielleicht hat der vorherige Kontakt eine Rolle gespielt.
Time For Metal / Jürgen F.:
Dann kommen wir jetzt zu den beiden Platten. I Just Want To Be A Sound und Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin. Die beiden Scheiben stammen aus einem Schreibfluss. Bilden die beiden Veröffentlichungen ein Pärchen, ähnlich wie bei den beiden Keeper Of The Seven Keys Platten von Helloween?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Die beiden Platten gehören so ein bisschen zusammen, ungefähr wie Yin und Yang. Manchmal erfährt der Mensch durch Gegensätze den inneren Zustand der Welt. Es gibt immer Gut und Schlecht. Die I Just Want To Be A Sound war einfach sehr nach innen, sehr offen, sehr schön und hat wahrscheinlich mehr den Wunsch ausgedrückt, wie man gerne möchte, dass etwas ist.
Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin ist eher ein beängstigendes Bild und ein beängstigender Zustand, den man wirklich sieht. Also, es geht um den Weltuntergang, vor dem man sich schon öfter fürchtet. Und das ist das Spannungsfeld, dem wir uns ausgesetzt fühlen. Wir möchten gerne, dass es besser wird, und sehen eher das Gegenteil.
Time For Metal / Jürgen F.:
Ist das Cover Artwork so gewählt, dass ihr auf einen zersprungenen Spiegel schaut, wie die Welt sich gerade im Spiegelbild darstellt?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
In dem Bild ist ein Knacks, das fand ich insofern schön, denn der Spiegel dieser Welt ist vielleicht gerade ein bisschen eingeknickt. Vielleicht auch so ein bisschen unser eigenes Spiegelbild, weil die Platte vorher was Experimentelles war und jetzt sieht man uns mit den Scherben. Das ist aus spontanen Gedanken eine lustige Dimension des Ganzen. Grundsätzlich ist es einfach ein Bild für Zerstörung.
Time For Metal / Jürgen F.:
Bildet die Kids Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin die Brücke zwischen der I Just Want To Be A Sound und eurer Zeit bis Covid?

Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Wir haben uns in den vergangenen Jahren in der experimentellen Phase aufgehalten. Es war vielleicht auch nicht die erste experimentelle Phase. Das Experiment ist wichtig, um weiterzukommen. Und ich würde sagen, mit Berlin haben wir uns das erste Mal etwas weiter aus dem Fenster gelehnt und unseren Horizont erweitert. Mit der Rough Times und For The Death Travel Fast sind wir etwas zurückgekommen. Ich denke, dass wir uns jetzt mit Isolation Tapes, Eldova und I Just Want To Be A Sound durch eine weitere Entwicklungsstufe geschraubt haben. Wir nehmen davon etwas mit und verbinden diese mit unseren herkömmlicheren Elementen. Ich würde schon sagen, du nimmst immer was mit und du ziehst nach einer experimentelleren Phase dann die Konsequenzen und probierst das wieder einzuflechten in das, was nicht so experimentell an der eigenen Band ist. Ich glaube, das passiert jetzt gerade mit der kommenden Platte K. A. D. A. V. R., die offiziell am 7. November veröffentlicht wird.
Time For Metal / Jürgen F.:
Ihr wolltet euch die Leichtigkeit zurückholen, wo ist die zwischendurch verloren gegangen? Covid oder das aktuelle Weltgeschehen?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Also die Anfangsphase von Covid war sehr leicht für uns. Wir haben uns leicht gefühlt, weil wir aus dem Alltag rausgezogen wurden, und das war wichtig. Ich glaube, schon bevor die Pandemie kam, war uns eigentlich klar, dass wir einen musikalischen Cut brauchen. Eine Pause hatten wir schon geplant. Ohne genau zu wissen, was wir machen wollten, war klar, dass wir nach der For The Death Travel Fast etwas anders machen wollten. Ich glaube, wir haben sehr lange danach gesucht, was wir anders machen wollen. Durch das Andersmachen haben wir herausgefunden, dass wir jetzt auch gerne wieder Sachen verstärken wollen, für die Kadavar bekannt sind und geschätzt werden. Das ist die Leichtigkeit, die wir jetzt gerade verspüren. Die Phase, darüber nachzudenken, was man anders machen kann, die ist vorerst abgeschlossen. Wir entdecken gerade die Sachen wieder, die passieren, wenn wir spontan sind, wenn wir uns einfach auf unsere Intuition verlassen. Diese Leichtigkeit, die haben wir jetzt wieder reingelassen bei der Platte, und ich glaube, davon wollen wir auch gerne noch ein Stück mehr haben in Zukunft.
Time For Metal / Jürgen F.:
Kadavar haben über einige Jahre Songs geschrieben und gesammelt. Warum habt ihr euch entschieden, die I Just Want To Be A Sound komplett anders erklingen zu lassen als die Abandoning Destiny Among Vanity And Ruin?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Ich glaube, um so den Gesamteindruck zu verstärken. Ein poppiges Album, auf dem schöne und positivere Melodien geliefert werden. Wir wollten alles in ein Album packen, anstatt die Hälfte der Songs mit eher düsteren Sachen zu vermischen. Aus dem Gedanken raus, alles das für die Platte herzugeben, was dieses hellere, schönere Klangspektrum ist. Wobei, man könnte jetzt auch wieder sagen, ganz so streng waren wir da nicht. Wir hatten zu der Zeit das Gefühl, dass eben andere Songs jetzt erst mal nicht so gut draufgepasst hätten.

Es gibt Gerüchte, dass Kadavar im kommenden Jahr eventuell noch eine dritte Scheibe veröffentlichen wollen. War das von vornherein so geplant, dass ihr im Mai eine Scheibe rausbringt, im November die zweite Platte und dann im Frühjahr 26 noch einmal nachlegt.
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Wir haben darüber fantasiert und diese Platte existiert in unseren Köpfen. Allerdings sind wir jetzt gerade damit beschäftigt, uns durch die Konzerte das abzuholen, was wir in den vergangenen Jahren geschrieben und 2025 veröffentlicht haben. Das ist jetzt gerade wichtiger, als auf Teufel komm raus schon im Mai die nächste Platte rauszubringen. Nach der jetzigen Tour lassen wir erst mal alles sacken und legen ein kleines Päuschen ein, dann sehen wir, wie es weitergeht.
Time For Metal / Jürgen F.:
Ist das Material für die dritte Platte Kadavar schon mehr oder weniger fertig?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Wir hören jetzt gerade nicht mehr auf, Songs zu schreiben. Das wollten wir immer so machen, und ich glaube, wir sind da auf einem ganz guten Weg dahin, dass wir einfach Material sammeln und am Ball bleiben.
Time For Metal / Jürgen F.:
Von 2022 bis 2025 hat sich sehr viel verändert in der Welt. Wie weit hat sich das Tagesgeschehen auf eure Lyrics ausgewirkt?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Die vergangenen Jahre mit all den Konflikten, die wir gerade in der Welt haben, mit den Kriegen, mit dem politischen Klima, das ist immer präsent. Wenn wir auf die K.A.D.A.V.A.R. blicken, kann sich jeder einen schöneren Ort vorstellen, auch wenn der vielleicht gerade gar nicht da ist. Wenn man nach draußen schaut, sieht man sehr viel mehr Probleme als Anlässe, Songs über die Schönheit des Lebens zu schreiben. Das wirkt sich direkt auf die kommende Platte aus, die ‚Doomsday‘ als Überschrift trägt. Ich habe mein Notizbuch, in das alles reinkommt. Bei dieser Platte ist es uns wichtig, dass sie wütend, negativ und pessimistisch ist. Das geschieht beim Auswählen und Schreiben an sich.
Wir promoten gerade zwei Alben. Als wir die Tour gebucht haben, wussten wir selbst von dem zur Veröffentlichung anstehenden Album noch nichts. Also heißt die Tour richtigerweise I Just Want To Be A Sound. Wir müssten eigentlich ein K.A.D.A.V.A.R. hinzufügen. Wir merken es jeden Abend vor dem Publikum, wenn wir sagen, wir haben zwei neue Alben dabei. Es ist für uns das erste Mal, dass es so schnell geht mit den Veröffentlichungen. Die schöne Nachricht ist, die Leute können die Platte jetzt schon auf der Tour kaufen. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass uns Vinyl und CD direkt an unsere Fans zu verkaufen, immer noch wichtiger ist, als das Ding am 7. November bei Spotify. Uns war es wichtig, dass wir die Platte jetzt schon auf Tour haben. Du bekommst auf den Konzerten gleichzeitig das Gefühl, du kannst etwas Besonderes mitnehmen, was nicht alle Musikfans bekommen können.
Time For Metal / Jürgen F.:
Vielen Dank für deine Zeit. Die letzten finalen Worte sind bei dir. Was möchtest du euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Kadavar / Christoph „Tiger“ Bartelt:
Ich möchte mich einfach bedanken bei allen Leuten: denjenigen, die uns unterstützen und die das Interview lesen. Ich habe auf der aktuellen Tour so viele Leute nach der Show getroffen, die mir gesagt haben, wie großartig sie die Show fanden und wie lange sie schon dabei sind. Wenn du das so geballt auf Tour hörst, dann ist das auch immer noch nach 15 Jahren einfach eine Sache, über die ich mich jeden Abend freue. Danke dafür, danke an alle unsere Fans und Unterstützerinnen.




