King Crimson am 04.07.2019 in der Augusta Raurica in Basel-Augst

Altherrenriege begeistert ausverkauftes Amphitheater ...

Event: Augusta Raurica Open Air 2019

Band: King Crimson

Ort: Römisches Theater Augusta Raurica, Giebenacherstrasse, 4302 Augst, Schweiz

Datum: 04.07.2019

Kosten: 77,75 CHF VVK

Besucher: 1500 (ausverkauft)

Genre: Progressive Rock, Rock, Psychedelic Rock, Jazz Rock, Klassik, Blues

Veranstalter: Konzertfabrik Z7 http://www.z-7.ch Theater Augusta Raurica http://www.theater-augusta-raurica.ch/#overview ABC Production AG https://www.abc-production.ch

Link: https://www.facebook.com/events/210197303216346/

Setlist King Crimson:
Set 1:
01. Fairy Dust Of The Drumsons
02. Pictures Of A City
03. Suitable Grounds For The Blues
04. Epitaph
05. Neurotica
06. Indiscipline
07. Islands

Set 2:
08. Larks` Tongues In Aspic, Part One
09. Cirkus
10. One More Red Nightmare
11. Drumzilla
12. Moonchild
13. Cadenzas
14. The Court Of The Crimson King
15. Larks` Tongues In Aspic, Part Two

Set 3:
16. The ConstruKtion Of Light
17. Easy Money
18. Radical Action II
19. Larks` Tongues In Aspic V
20. Starless

Encore:
21. 21st Century Schizoid Man

Die Augusta Raurica, auch als Colonia Augusta Rauricorum bekannt, ist eine Siedlung aus römscher Zeit am Südufer des Rheins, etwas außerhalb von Basel. Das besterhaltene antike Theater nördlich der Alpen ist wegen seiner einzigartigen Atmosphäre weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt und ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Die römische Siedlung ist bereits 44 vor Christus entstanden und das große Theater wurde schon vor etwa 2.000 Jahren als Schauspielhaus genutzt. Was liegt also näher, als das alte szenische Theater auch heute wieder als Veranstaltungsort zu nutzen. Unter freiem Himmel werden dem Publikum hier tolle Theaterinszenierungen, Filmvorführungen und Konzerte aus verschiedenen Genres geboten. Der Veranstaltungsort mit seinem einzigartigen Flair ist ein Muss für alle Kulturfreunde!

Nach einem Jahr Pause veranstaltet auch die Konzertfabrik Z7 in dem alten römischen Theater wieder einen Teil ihrer Sommerkonzerte und holt u. a. heute die Prog Rock / Psychedelic Rock-Legende King Crimson nach Augst. Die Band um Gitarrengenie Robert Fripp gehört seit Ende der 1960er Jahre zu den innovativsten und wandlungsfähigsten britischen Rockbands überhaupt. King Crimson sind seit 1968 aktiv und kommen nun im Rahmen ihrer 50 Jahre Jubiläumstour in die Schweiz, was einer kleinen Sensation nahekommt, wenn man bedenkt, dass die Bands sonst nur in Locations wie z. B. der Londoner Royal Albert Hall auftreten. Mit ihrem Debütalbum In The Court Of The Crimson King hat die Band 1969 einen Meilenstein des Progressive Rock vorgelegt und hat Rockgeschichte geschrieben. Mit Konzerten im römischem Ambiente hat die Band bereits Erfahrungen, denn erst im letzten Jahr rockten sie Pompeii. Nun ist heute die Augusta Raurica dran, wobei die Tour am britischen Brexit fast gescheitert wäre. Die Formalitäten und die Bürokratie, Visa für alle acht Bandmitglieder, und Helfer in jedem Land der Tour zu arrangieren, waren große Hürden, die Fripp jedoch bewältigen konnte, sodass heute der große, runde Geburtstag live gefeiert werden kann. Seit einem halben Jahrhundert erweitert der Gitarrist mit wechselnden Musikern die Möglichkeiten der Rockmusik und steht für opulent aufgebaute Songs, vertrackte Tempowechsel und verschachtelte Melodielinien – umgesetzt mit atemberaubender instrumentaler Virtuosität. In die Songs fließen zudem Elemente aus Rock, Jazz, Klassik und aus außereuropäischen Kulturen ein. Die moderne Harmonik und Rhythmik in den Kompositionen ist sehr viel gewagter und experimentierfreudiger als bei vergleichbaren Bands des Genres.

Leider wurden erst gestern Abend auf Wunsch der Band sämtliche Fotografen gestrichen, so das ich mir heute zwar das Konzert ansehen kann, doch auf Fotos muss ich leider verzichten. Schon als ich nach Augst reinfahre, macht sich bemerkbar, dass Robert Fripp mit seiner legendären Band viele Jahre nicht mehr in der Schweiz gespielt hat, denn schon auf der Hauptstraße durch den kleinen Ort geht es weitestgehend nur im Stop-and-go-Modus voran, was bei dem herrlichen Sommerwetter nicht unbedingt angenehm ist. Das wahre Ausmaß zeigt sich dann aber erst an den Eingängen zur Augusta Raurica, denn vor beiden haben sich ewig lange Schlangen gebildet. Wider erwarten geht es dann aber doch schnell, als um kurz nach 18:00 Uhr die Tore geöffnet werden, denn ohne großartige Kontrollen werden die Massen abgefertigt. Der erste Blick von den Rängen des Amphitheaters hinunter auf die große Bühne ist gewaltig, eine sensationelle Location für ein Open-Air-Konzert. Ich habe es in den letzten Jahren irgendwie nie zu den großen Sommer Open Airs hierher geschafft und kannte die Location nur von Fotos her, doch nun bin ich bei dem Anblick geplättet und ich werde es in den nächsten Jahren, je nach Konzert, garantiert nicht verpassen, wieder hierher zu fahren.

Die Zeit bis zum Konzert zieht sich endlos, doch so ist es ja immer, wenn man auf etwas wartet und dem entgegenfiebert. Das Publikum sieht es offenbar jedoch gelassen, macht es sich auf den angenehm warmen Steinen der Ränge in der langsam untergehenden Abendsonne gemütlich. Mit einer Dose kaltem Bier lässt es sich so aushalten. Während bei anderen ausverkauften Konzerten oftmals viel zu viele Tickets verkauft wurden, um den Gewinn maximieren, fällt hier heute positiv auf, dass mit 1500 Tickets ein optimales Maß abgesetzt wurde. Man kann sich durchaus noch bewegen und auch zwischen dem Infield und den Rängen wechseln. Als Negativbeispiel fällt mir da immer Slayer in Freiburg letztes Jahr ein, denn für das Konzert wurden mindestens 1000 Tickets zu viel verkauft, so das letztendlich nicht einmal alle Besucher in die völlig überfüllte Messehalle passten und auf den Fluren stehen mussten. Beim Blick auf die Bühne fällt auf, dass es kein Backdrop gibt, dafür aber ein beachtliches Arsenal an Instrumenten, darunter auch drei (!) Drum-Kits. Bei Robert Fripp wird nicht gekleckert! Auch die vielen Hinweise fallen auf, das Benutzen von Kameras und Aufnahmegeräten bitte zu unterlassen … Einzig die Musik soll am heutigen Abend im Vordergrund stehen, doch das interessiert all die Smartphone-Junkies wenig. Schon bevor sich auf der Bühne etwas tut, wird fleißig fotografiert und gefilmt, denn man muss Facebook, Instagram und YouTube, und damit der ganzen Welt ja schließlich mitteilen, dass man bei King Crimson ist. Insgesamt drei Sets soll es heute geben, jeweils mit einer Pause dazwischen, erfahre ich von einem Bekannten … Nun ja, sicherlich zum Wohle und mit Rücksicht auf die älteren Damen und Herren auf und vor der Bühne, denn der Altersdurchschnitt im Publikum liegt hier heute ganz klar Ü50. Treibe ich mich sonst auf Metal-Konzerten rum, werde ich schon das ein oder andere Mal von der Jugend belächelt, nach dem Motto … „Guck mal, das Altersheim hat wieder Ausgang …!“ Doch hier und heute gehe ich als einer von vielen unbemerkt unter.

Pünktlich um 19:45 Uhr erklingt dann aber doch endlich das Intro Fairy Dust Of The Drumsons, welches direkt einmal mit einem Zusammenspiel der drei Drummer in Form von Gavin Harrison, Pat Mastelotto und Jeremy Stacey startet, und auf der Bühne wird es plötzlich voll. Der eigentliche Einstieg erfolgt dann mit Pictures Of A City und Suitable Grounds For The Blues, womit Herr Fripp gleich einmal klarstellt, dass er ganz eigene Vorstellungen von Musik hat. Offiziell firmiert man ja unter dem Deckmäntelchen Progressive Rock, doch Mastermind Fripp wird ja nicht umsonst auch Mister Spock of Rock genannt, denn seine Vorstellungen von Progressive Rock unterschieden sich schon von jeher von denen seiner Kollegen bei Pink Floyd, Genesis, Emerson, Lake & Palmer, Rush, Yes oder Eloy. Was da auf der Bühne gleich zu Beginn vom Stapel gelassen wird, ist irre kompliziertes Zeug, doch der nicht abreißende Applaus gibt ihm recht. Das Publikum ist begeistert und zumindest im Infield vor der Bühne entsteht schon früh Bewegung. Die große Bühnenshow ist hier bisher wahrlich nicht zu sehen, doch mit acht Musikern auf der Bühne, darunter eben die drei genannten Drummer, da braucht es keine weitere Show mehr. Die Band ist der beste lebende Beweis dafür, dass man keine aufwendige Choreografie, keine Strobogewitter und keine Pyroexplosionen braucht, um die Rockshow des Jahres abzuliefern. Die fast schon mathematische Musik, auf die man sich voll und ganz konzentrieren muss, ist hier die Show. Alles andere wäre too much. Das erste große Highlight des Abends folgt dann schon sehr früh mit Epitaph, dem Übersong aus dem legendären In The Court Of The Crimson King-Album aus dem Jahr 1969. Nun gibt es doch noch ein Feuerwerk, doch es findet, aufgrund der perfekt gespielten Musik, im Kopf statt. Es ist einfach unglaublich, was der heute 73-Jährige schon für Musik gemacht hat, als ich gerade einmal in Jahr alt war und noch in die Windeln geschissen habe. Spätestens jetzt haben die Musiker das Publikum voll und ganz auf ihrer Seite und auch der Allerletzte wird zum Kopfnicker und nicht wenige reißt es von den Sitzen …, äh, Steinen. Sänger und Gitarrist Jakko Jakszyk ist richtig gut drauf und löst wahre Begeisterungsstürme aus. Der Meister an der Gitarre ist eh ein Phänomen für sich, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Es folgen Neurotica, Indiscipline und Islands, dann geht es in die erste Pause und eine wahre Völkerwanderung zu den verschiedenen Getränkeständen setzt ein.

Der Einstieg in das zweite Set erfolgt nach ein paar Minuten mit dem ersten Teil von Larks` Tongues In Aspic vom fünften Studioalbum der Briten. Es ist unglaublich, was die Altherrenriege hier abliefert, denn obwohl der Song mittlerweile 46 Jahre auf dem Buckel hat, klingt er frisch und modern. Egal, ob nun die steinalten Klassiker oder neueres Material, hier klingt heute alles wie aus einem Guss und weniger erfahrene Crimsonisten dürften es schwer haben, die Songs einzelnen Epochen zuzuordnen. Das zweite Set besteht des Weiteren aus Cirkus, One More Red Nightmare, Drumzilla, Moonchild und Cadenzas, bevor das allseits herbeigesehnte In The Court Of The Crimson King ertönt, das dann auch erwartungsgemäß laut bejubelt wird. Die Vielfalt des Sets erschlägt einen nahezu, denn was in den Crimson-Songs in wenigen Minuten passiert, das reicht anderen Acts für eine gesamte Karriere. Harmoniewechsel, Taktwechsel, Stimmungswechsel, verzweigte Rhythmik, unglaubliche Soli, perfekte Virtuosität verpackt in komplexen Rocksongs, Ausflüge in Folk- und Jazzrock und gar Metal-Bereiche. Der Sound ist dabei so intensiv, dass es teilweise nur ein paar Minuten gelingt, dass gerade gehörte im Kopf zu behalten, bis es von einer erneuten Reizüberflutung verdrängt wird. Es ist unglaublich, dass es sich hierbei nicht um Live-Jams handelt, denn oftmals erscheint es völlig unmöglich, sich all diese Noten für ein weiteres Konzert zu merken. Der Kopf und Mastermind hinter der Band mag Robert Fripp sein, der die Band bereits 1968 zusammen mit Michael Giles gründete, doch zentrales musikalisches Element auf der Bühne ist er nicht. Er steht hinten rechts, fast etwas versteckt oder hockt auf einem kleinen Hocker und widmet sich seinen Gitarrenmelodien. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen weitestgehend Sänger und Gitarrist Jakko Jakszyk, Saxophonist Mel Collins und auch Keyboarder Jeremy Staceyn, während das dreiköpfige Biest mit sechs Armen die perfekte perkussive Grundlage bietet und Tony Levin die tiefbrummenden Bassläufe liefert. Der zweite Teil von Larks` Tongues In Aspic beendet dann auch das zweite Set und lässt dem rundum zufriedenen Publikum die Möglichkeit durchzuatmen und das Gehörte zu verarbeiten. Kam mir das Drei-Set-Programm vorher noch etwas lächerlich vor, so muss ich nun zugeben, es macht durchaus Sinn.

Nach der erholsamen kurzen Pause, nachdem man der permanenten Eindrucksüberflutung etwas Herr geworden ist, folgt nun das dritte und letzte Set des Abends. Dieses fällt mit den fünf Songs The ContruKtion Of Light, Easy Money, Radical Action II, Larks` Tongues In Aspic V und einer hervorragenden Version von Starless verhältnismäßig kurz aus, was aber nur daran liegt, dass die Songs länger sind. Jedes der drei Sets liegt zwischen 50 bis 55 Minuten und bietet die ganze King Crimson-Vollbedienung. Doch kann solch ein Abend ohne 21st Century Schizoid Man zu Ende gehen? Das Publikum hat jedenfalls noch lange nicht genug, wie die andauernden Zugaberufe eindrücklich unter Beweis stellen. So dauert es auch nicht lange und nach einigen Dankesbekundungen gibt es noch 21.st Century Schizoid Man als einzige und letzte Zugabe auf die eh schon überforderten Lauschlappen. Nach drei Stunden geht ein wunderbarer und ganz sicher unvergesslicher Konzertabend zu Ende und garantiert niemand der 1500 Anwesenden fährt heute unzufrieden nach Hause.