Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016
Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016

Don Broco am 21.10.2016 im Luxor, Köln

“Wir sind die, vor denen euch eure Eltern gewarnt haben“

Eventname: Don Broco European Tour October 2016

Headliner: Don Broco (UK)

Vorbands: Merge (F), The One Hundred (UK)

Ort: Luxor, Köln

Datum: 21.10.2016

Kosten: 20,90 Euro (ausverkauft)

Genres: Rock, Post-HC, Electronic, Metal, Drum ‘n Bass, Hip Hop

Veranstalter: Prime Entertainment

Link: https://www.facebook.com/events/1653601148294579/

Setlist Don Broco:

  1. Everybody
  2. You Wanna Know
  3. What You Do To Me
  4. Whole Truth
  5. Hold On
  6. Fire
  7. Priorities
  8. Further
  9. Actors
  10. Nerve
  11. Fancy Dress
  12. Thug Workout
  13. I Got Sick
  14. Automatic

Zugabe:

  1. Superlove
  2. Money Power Fame

Don Broco…für wen das wie italienisches Tiefkühlgemüse klingt, der soll nachfolgend eines Besseren belehrt werden. Die vier Jungs aus Bedford sind alles andere als unterkühlt und – zu meiner Überraschung heute Abend – scheinbar ganz nach dem Geschmack der jüngeren Gäste.

Aber bevor das Luxor in Köln gänzlich überkocht, dürfen als Erstes Merge aus Paris ran. Die fünf Mannen aus Frankreich betreten deutlich früher als angekündigt die Bühne, was vermutlich auf das Durchschnittsalter der Besucher zurückzuführen ist. Nachdem ich mich in der längsten Schlange, die ich in knapp zwei Dekaden Besuche im Luxor (und zwischenzeitlich Prime Club) erlebt habe (Herbstferien…da war doch was) und mich vorwiegend von Schülern umringt sah, schaffe ich es ca. 25 Minuten nach offiziellem Einlass vor die Bühne und bekomme, zu meiner Überraschung, noch die letzten zwei oder drei Songs von Merge mit. Die Band spielt eine Mischung aus Alternative Rock und Post-HC und hat seit ihrer ersten EP Transmission 2012 bereits mit Größen wie Dance Gavin Dance, Bring Me The Horizon oder Limp Bizkit die Bühnen geteilt.

Merge, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016
Merge, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016

Der für den Abend aufgebaute Wellenbrecher im 500 Personen fassenden Club irritiert zuerst, erweist sich aber als sinnvoll. Der Raum ist schon proppevoll und selten habe ich gesehen, dass eine Vorband so gefeiert wurde wie heute Abend. Man scheint Merge (die mir bis vor zwei Wochen nicht bekannt waren) ausgiebig zu kennen und zelebriert jeden Song kollektiv. Sänger Max und Bassist Tim lassen es sich dabei auch nicht nehmen, immer wieder die Bühne Richtung Publikum zu verlassen und auf Tuchfühlung mit den meist jungen weiblichen Fans zu gehen, die umgehend ihre Smartphones und Hände gen Musiker strecken. Man liefert eine solide Show erweist sich als passend gewählter Anheizer.

Während der Umbauphasen laufen die gängigen Hits aus Punk- und Power-Pop vom Band und mindestens die Refrains, seien es Avril Lavigne, Panic! At The Disco oder Good Charlotte, werden ohne Müdigkeit vorzutäuschen hinter mir im Publikum enthusiastisch mitgesungen.

Als Zweites dürfen The One Hundred aus London auf die Bühne. Die vier jungen Herren spielen eine Mischung aus Metal, Hip Hop, Rock und elektronischen Einflüssen, vorwiegend aus dem Breakbeat und Drum ‘n Bass. Die erste EP wurde 2014 noch über das australische Label UNFD (u.a. The Amity Affliction, Northlane) veröffentlicht und 2016 konnte man einen Deal mit Spinefarm Records (u.a. 36 Crazysfists, Dead By April) eintüten. Zudem tourte man bereits mit Hacktivist und Papa Roach. Weitreichend bekannt wurden sie durch ihr Cover des Iggy Azalea-Hits Black Widow, der gerne und oft in den Rock- und Metalclubs seinen Weg durch die Membranen findet.

Black Widow:

Charakterisch ist Jacobs britischer Akzent, der seinem Rapstil das gewisse Etwas verleiht und eben an die erwähnten Hacktivist erinnert, wenn auch weniger sonor und angereichert um Screams. Und genau diese irritieren die vereinzelt in den Ecken stehenden Eltern, die ihren Kids in den ersten Reihen dabei zusehen, wie sie vollkommen aus dem Häuschen jeden der Songs ausgiebig feiern. Im Vergleich zu Merge halten sich The One Hundred in Sachen Fankontakt etwas zurück und bevorzugen es, auf der Bühne zu bleiben.

The One Hundred, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016
The One Hundred, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016

Das erwähnte Black Widow fehlt leider im heutigen Set. Dafür schließt der Hit Downfall den Auftritt und das Publikum johlt aus voller Kehle die vom Band laufende Melodiestimme “This is your downfall” lauthals mit. Damit verlässt die zweite Band mit einem ähnlich wie bei Merge gefühlt recht kurzen Set die Bühne. Es ist 20:15 Uhr.

Während wieder die Hits der letzten Jahre aus Pop und Rock mitgesungen werden, räumen die Roadies die Bühne nahezu komplett frei, Monitorboxen werden durch Egoriser ersetzt – Don Broco spielen mit InEar-Monitoring. Das Prozedere dauert etwas nervenzehrend bis ca. 20:50 Uhr, bis die Band endlich die Bühne betritt. Erst vor einem knappen halben Jahr waren sie als Support von 5 Seconds Of Summer (Gold in UK, USA und Australien) in Köln, was auch den Anteil extrem junger Fans im Publikum erklären könnte. Im Nachhinein erwähnen Don Broco ihren Auftritt mit besagter Band und das Publikum schreit sich die Seele aus dem Leib.

Die vier smarten Briten (plus Tour-Keyboarder) gehen dann auch gleich in die Vollen mit ihrer aktuellen Single Everybody. In den Fotograben stürmen vier Fans, die den Tanz des irren als Cowboy verkleideten Entführers aus dem dazugehörigen Video performen. Wie abgesprochen wird Sänger Rob, der – zur Freude der Damen in der ersten Reihe – hautenge Jeans und ein graues Ripp-Shirt (in der Hose) trägt auch ein Cowboy-Hut aus dem Publikum gereicht, auf dem einige Damen ihre vermutlich Instagram-Accounts verewigt haben.

Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016
Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016

Everybody:

http://www.vevo.com/watch/DEKG71600212

Nicht nur, dass hier vier Vollblutmusiker auf der Bühne stehen, die ihre Instrumente und deren Möglichkeiten kennen und ausgiebig einsetzen, man liefert auch eine professionelle Show mit massig Publikumsinteraktion ab. Rob, dem man seine mehr als gelegentlichen Besuche im Fitnessstudio ansieht, lächelt frech gen Fans und der vollbärtige Gitarrist Simon, der es kaum auf einem Fleck der Bühne aushält, blinzelt und zwinkert auch den Fans, die links abseits der Boxentürme im Dunkeln stehen, grüßend zu.  

Beim balladenhaften Nerve ruft die Band dazu auf, den Song via Feuerzeug (die angenehm rar sind; keine unverbesserlichen Nikotinsuchtis, die während der Umbaupausen im Raum rauchen) oder aktivierte Smartphone-LEDs zu untermalen. Dieser Aufforderung wird natürlich nachgekommen und der Raum blinkt und blitzt an allen Ecken im Takt.   

Bei Fancy Dress bittet Rob um einen Circle Pit, was angesichts der musikalischen Ausrichtung der Band zwar etwas abstrus erscheint, aber hervorragend funktioniert. Wie das Ganze dann im ausverkauften Luxor funktionieren konnte…ich weiß es nicht, aber ohne Verletzungen klappt auch diese Nummer perfekt. 

Zu Beginn des dritten Drittels des Sets kündigt Rob dann an, einen alten Song auf vereinzelten Wunsch aus dem Publikum zu spielen, der auch nicht auf der auf der Bühne verteilten Setlist stand. Wenn ich mich nicht ganz täusche, gräbt die Band nun das irrwitzige Thug Workout aus, eine Nummer, die eine vergleichbare Spielfreude wie Faith No More zu Zeiten Chuck Mosleys innehat und die musikalischen Ursprünge des Quartetts perfekt widerspiegelt. Im typischen 90er Crossover-Stil mit NuMetal-Anleihen slappt sich Bassist Tom versiert durch die Takte, schrammelt sich Gitarrist Simon durch die Akkorde, klöppelt sich Drummer Matt flink über die Kessel und Becken und auch Rob lässt sich zu dem ein oder anderen Schrei oder Growl hinreißen. Die für den Abend untypische Härte scheint das Publikum aber nicht zu stören und auch die von Rob angeordnete Wall Of Death wird dankbar angenommen, aber vergleichsweise freundlich zum Einsturz gebracht.

Das Video zu Thug Workout (2009):

Nach dieser Sondereinlage, die besonders den Gästen im hinteren Viertel des Raums gefallen haben sollte, ist nach I Got Sick auch erstmal Schluss, bis die Band auf “One More Song”-Aufforderungen die Bühne erneut betritt.

Den Abschluss des Abends bilden dann der stark Disco-beeinflusste Hit Superlove und eine der rockigsten Nummern der Band, Money Power Fame, die noch mal das Letzte vom Publikum abfordern, was aber einfach nicht müde zu werden scheint. Zwischenzeitlich fliegt ein Einhornkostüm auf die Bühne, das Rob sich kurzfristig überwirft und wenige Momente darin performt. Als letzte Interaktion mit dem Publikum deutet Rob an, dass sich bitte alle während des Songs kollektiv hinsetzen mögen und zum Refrain, der vom Publikum gesungen die Band beinahe übertönt, hochspringen sollen. Bis auf die Galeere habe ich dann heute nahezu alles erlebt, was dieser Tage Gang und Gäbe abseits der Bühne ist. Nur Stagediver und Crowdsurfer blieben heute aus. Nach einer guten Stunde ist der Zauber dann, um kurz vor 22:00 Uhr, vorbei. Band glücklich, Fans glücklich. Prime Entertainment hat hier ein schönes Triple in die Domstadt geholt, das den Laden gehörig umkrempeln sollte.

Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016
Don Broco, Luxor, Köln, 21. Oktober 2016

Don Broco, die in ihrer Heimat Großbritannien einen ganz anderen Stellenwert genießen haben (wieder einmal) eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine ernstzunehmende und hochprofessionelle Liveband sind, die einfach Spaß daran hat, Rock, Post-HC, Dance und Funk zu mischen. Dass sie mit ihren groovigen und durchdachten Kompositionen, die extrem catchy sind, ohne langweilig zu sein oder Retortencharakter zu besitzen, auch das jüngere Publikum ansprechen, ist ein großer Verdienst, den man gerne honorieren darf.

Als Metalhead über den Tellerrand zu blicken, lohnt sich selten so sehr wie hier.