Kali – Samsara

Zurück in den Schoß der Natur

Artist: Kali

Herkunft: Regensburg, Deutschland

Album: Samsara

Spiellänge: 51:25 Minuten

Genre: Progressive Rock, Stoner Rock

Release: 24.10.2025

Label: Eigenproduktion

Link: http://www.kali-band.com/musik

Bandmitglieder:

Gesang und Percussion – Tim Bleil
Gitarre – Ben Firmbach
Gitarre – Raffael Diestelmann
Bass und Backgroundgesang – Karl Bodarwé
Keyboard – Michael Winter
Schlagzeug – Vincent Wehrsdorf

Gastmusiker:

Geige und Artwork – Sou Alexander

Tracklist:

  1. Limbus
  2. Unspoiled Earth
  3. Mankind
  4. Revolution
  5. Evolution
  6. Charon
  7. Redemption

Die Regensburger Prog-Rock-Band Kali – benannt nach der hinduistischen Göttin des Todes, der Zerstörung und der Erneuerung – hat es sich laut Aussage von Sänger Tim zur Aufgabe gemacht, „die Welt etwas besser zu machen“ (nachzuhören in unserer Podcast-Folge 158). Am Music College Regensburg gründeten sich Kali bereits im Jahr 2013. Die gemeinsame Liebe zu Bands wie Porcupine Tree, Tool und Pink Floyd vereinte die Bandmitglieder trotz verschiedener musikalischer Backgrounds wie Klassik, Tech-Metal und Metalcore. Das Material zum aktuellen Album Samsara liegt schon seit eben diesen Anfängen der Band in der Schublade und wartete nur darauf, eine gebührende Veröffentlichung zu bekommen. Doch 2016 kam es zum vorübergehenden Split der Band und es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis das Feuer wieder entfachte.

Obwohl dem Sextett noch ein Plattenvertrag fehlt, wurde hier nichts dem Zufall überlassen. Das gesellschaftskritische Konzept von der Entstehung der Erde bis zum tragischen Untergang der Menschheit greift tief. Das Artwork des Albums sowie auch der Singles wurde vom ehemaligen Keyboarder und Backgroundsänger Sou (u. a. Miracle Of Sound) in liebevoll detaillierter Handarbeit gefertigt. In Zeiten von KI ein echter Augenöffner. Dass mich eine Band, die ich durch Zufall bei Instagram entdeckte, mal auf eine Reise durch die Menschheit schickt, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich bin bereit.

Limbus

In der Vorhölle namens Limbus sieht sich der Protagonist nicht nur mit endlosen Wüstenlandschaften konfrontiert, sondern auch mit vertrauten Klängen. Tool dienten hier aber nicht als Blaupause, sondern als Inspiration. Bassist Karl bestätigte diese Quelle auf Nachfrage. Orientalisch anmutende Klänge bauen das Szenario behutsam auf und Fragen quälen den Protagonisten: „Wo bin ich, wohin werde ich gehen?“ Musikalisch wird dieser Abschnitt von Gesang sowie hypnotischen Bass- und Gitarrenmelodien getragen. Die leicht mit Effekten versehene Stimme von Sänger Tim liegt irgendwo im Wohlfühlsektor zwischen Steven Wilson und Maynard James Keenan, ohne auch nur einen der beiden zu kopieren. Dicke Riffs mit ordentlich Fuzz gesellen sich dazu und lassen die Stoner-Rock-Höllenhunde von der Leine. Ein geschmackvolles Solo von Leadgitarrist Ben rundet den achtminütigen Auftakt ab. Ich liebe es, dass jedem Instrument – insbesondere auch dem Bass – genügend Platz zur Entfaltung im Gesamtsound gegeben wird. Eine Eigenschaft, die heutzutage vielen Bands abhandengekommen ist.

pic by Denis Mnich

Unspoiled Earth

Die unberührte Schönheit der Natur – ein Traum. Noch keine Menschenhand kam Mutter Natur zu nahe. Wellenrauschen sorgt für Entspannung, ehe die bittersüße Geige von Sou einen anklagenden Unterton anschlägt. Mehrstimmiger Gesang und eine fundierte Instrumentierung lassen mich eins mit der Natur werden. Als Liebhaber von Prog-Bands der 70er kann ich sagen, dass diesen Trancezustand bei mir kaum eine aktuelle Band auszulösen vermag. Musik von Träumern für Träumer!

Mankind

Kein Konzeptalbum mit dem Stempel Prog, ohne einen amtlichen Longtrack. Mankind fährt mit insgesamt 15 Minuten Spielzeit einiges auf. Kirche, Kriegstreiberei und die Zerstörungswut der Menschen im Allgemeinen – hier bekommt jeder seine verdiente Abrechnung. Erinnern die ersten Sekunden noch an Meister Arjen Lucassen und sein Projekt Ayreon, so erkennt man Kalis Handschrift nach kurzer Zeit eindeutig wieder. Hier wirkt alles wie aus einem Guss, alles hat Wiedererkennungswert. Lässig grooven Bass und Gitarren im Einklang, wehmütig leidet der Gesang. Die Textzeilen ab Minute 3:10 sind einfach nur heilsam. Der gesprochene Part beschreibt einen Hexenprozess. Wer sich manch willkürliche Anschuldigungen aktueller Politiker vor Augen hält, denkt an jene Zeit der Hexenjagd zurück. Es folgt eine Bassline, die mich an Tools-Tieftonhexenmeister Justin Chancellor denken lässt. „Lerne von den Besten“ ist das Motto. Da wir gerade beim Thema Hexen und Kirchen sind, darf natürlich auch eine Orgel nicht fehlen. Kali wissen, wie man eine Geschichte gekonnt vertont. Ehe eine gewisse Melancholie Oberwasser gewinnt, erschüttert ein Riffgewitter nebst Purple-mäßigen Hammond-Abfahrten Mark und Bein. Fett! Zum Abschluss geht’s noch mal zurück ins Traumland. Dort fühle ich mich trotz schwermütigem Storytelling sehr wohl. 15 Minuten zu keiner Sekunde langweilig erscheinen zu lassen, ist hohe Kunst. Hut ab, Jungs.

Revolution

Niemand: Ich möchte mich im Tausch gegen Macht selbst vernichten. Menschheit: Okay, das klingt gut, lass mal machen. Diese Revolution ist eine erhobene Faust – stark und ungebrochen. Die Hammond-Orgel ist zurück und liefert sich ein Duell mit den Saiteninstrumenten. Hier darf zum ersten Mal auf Samsara ordentlich geheadbangt werden. Gepflegte Eskalation.

Evolution

Der Protagonist erkennt, dass er nie die Chance hatte zu leben – er war ein sterbendes Kind in den Armen seiner Mutter, umgeben von den Trümmern des Krieges“, heißt es im Pressetext zum nächsten Stück. Es wird schwermütig, denn die Welt liegt in Schutt und Asche. Das Keyboard-Thema verbreitet dennoch eine gewisse Leichtigkeit und kommt mir vertraut vor. Doomig und zäh wie Lava fließen die Riffs durch meine Gehörgänge. Musik und Gesang vertonen gekonnt den Schmerz der Hauptfigur.

Charon

In der griechischen Mythologie war Charon so etwas wie ein Uber in den Tod – ein Fährmann in der Unterwelt. Dieser bringt unseren Protagonisten „freundlicherweise“ über den Fluss ins Totenreich. Ein düsteres Intermezzo, an dessen Ende die vermeintliche Erlösung wartet.

Redemption

Die inneren Dämonen geraten aneinander. Ewige Schönheit oder die dunkle Seite (hab gehört, dass es dort Kekse gibt)? Engel links, Teufel rechts. Erneut sind alle Instrumente gleichberechtigt involviert und zwei Stimmen beschreiben den Konflikt, in dem sich die zentrale Gestalt befindet. Polyrhythmen unterstreichen die scheinbar ausweglose Situation. Wird er erlöst? Taucht dafür am besten selbst ein in die mystische Welt von Kalis Samsara

Kali – Samsara
Fazit
Ich liebe es, dass in Zeiten von KI und generischen Soundsamples noch Bands wie Kali existieren. Handgemachte Musik mit Seele und dazu handgefertigte Artworks mit Liebe zum Detail. Über allem schwebt ein lyrisches Konzept voller Wehmut und Anklage an die Menschheit. Samsara atmet, packt dich und lässt dich im richtigen Augenblick wieder los. Kopfhörer auf, Musik an, Welt aus!

Anspieltipps: Limbus, Mankind und Revolution
Florian W.
8.5
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