“Möge sich dieses Festival dauerhaft etablieren“
Festivalname: Longsound Festival Vol. 2
Bands: Forest Mountain, Cosmic Radiation, Magma Waves, Benthic, Apoa, Besides
Ort: Rare Guitar, Münster
Datum: 15.10.2016
Kosten: 8,00€ VK, 10,00€ AK
Genre: Post Rock, Post Metal, Alternative, Ambient, Doom, Sludge
Veranstalter: Tortuga Booking (https://www.facebook.com/Tortuga-Booking-877214915681469/)
Link: https://www.facebook.com/events/892115214265186/
Im vergangenen Jahr durfte ich bereits über das Longsound Festival berichten, das auch dieses Jahr wieder im Rare Guitar in Münster stattfindet. Dieses Festival ist hauptsächlich auf Post Rock ausgerichtet, aber Scheuklappen hat der Veranstalter natürlich nicht auf. So konnte ich bereits in 2015 einige Bands neu für mich entdecken, und davon gehe ich auch in diesem Jahr aus. Von den sechs angekündigten Bands, im letzten Jahr waren es noch vier, kenne ich zwar wieder mal nur eine, aber bei dem guten Geschmack des Veranstalters habe ich hinsichtlich des Programms keine Bedenken. So mache ich mich also auf den, für meine Verhältnisse, ziemlich langen Weg nach Münster.
Als ich am Rare Guitar, dessen Tür einladend offen steht, eintreffe, sind die Aufbauarbeiten natürlich schon längst abgeschlossen. Jetzt findet noch der Feinschliff für die Lichtanlage statt, und dann ist die Bühne bereit für den Soundcheck der ersten Band Forest Mountain. Wie man dem Kennzeichen des vor der Tür stehenden Autos unschwer entnehmen kann, stammt diese Band aus Belgien, genauer gesagt aus Lommel in der Provinz Limburg. Ich denke mal, es ist der relativ kurzen Spielzeit geschadet, dass Bassist Werner nicht viele Worte macht. So stellt er nur kurz die Band vor und erwähnt dabei, dass Gitarrist Thomas erst 15 Jahre alt sei. Muss wohl belgischer Humor sein, wobei Thomas wirklich noch sehr jung aussieht. Dafür hat er seine Gitarre aber fest im Griff und entlockt ihr ein wunderbares Spiel. Die Songs der drei Mann starken Truppe sind überwiegend relativ ruhig gehalten, ein guter Start in dieses Festival, um langsam warm zu werden.
Sollten noch nicht alle Muskeln gelockert und der Körper auf Betriebstemperatur gebracht sein, treten jetzt Cosmic Radiation an, um das in relativ kurzer Zeit zu ändern. Aus Emsdetten ist dieses Quintett angereist, also quasi „von um die Ecke“, wie man hier sagt. Cosmic Radiation, eine von zwei Bands, die auch mit Vocals arbeiten, sind dann auch gleich mal der Beweis dafür, dass das Longsound Festival nicht nur das Genre Post Rock bedient. Gitarrenlastig sind die Songs, die sich irgendwo zwischen Sludge, Groove und Rock bewegen, und die von der Band auf ihrer Facebook-Seite als „Experimental Silencenoise“ bezeichnet werden, natürlich ebenfalls. Sänger/Shouter Julian hält sich meistens vor der dreieckigen Bühne auf. Die ist aber auch mit dem Schlagzeug in der Ecke und den im hinteren Bereich an zwei Seiten aufgebauten Verstärkern sowieso schon gut belegt. Dann stehen da bei Cosmic Radiation ja noch die beiden Gitarristen und der Bassist, so dass Julian seinem Bewegungsdrang lieber vor der Bühne frönt.
Mit Magma Waves kommt dann die einzige Band auf die Bühne, die ich schon kenne. Vor geraumer Zeit durfte ich sie noch mit der niederländischen Band Cartographer als Support im Djäzz in Duisburg live erleben. Bei dem genialen Line-Up war das Djäzz allerdings proppenvoll, und man durfte im Publikum keine Berührungsängste haben, denn wie Sardinen in der Büchse standen wir alle. Das mit dem proppenvoll ist heute leider nicht der Fall, aber mit der gewohnten Lässigkeit und Professionalität gehen die Männer ans Werk und präsentieren dabei natürlich auch Material vom Album Mitsuki, Hida, 1579, das es auch auf Soundcloud zu hören gibt. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag stelle ich mir die Frage, wie man es um Himmels Willen schafft, „nur“ mit dem Sound von drei Saiteninstrumenten und einem Schlagzeug derartige Klangwelten zu erschaffen, in die man abtauchen und völlig versinken kann. Ok, einige Samples kommen natürlich auch hier vom Laptop, aber auch hier bereitet es mir wieder großes Vergnügen, den Männern mal von ganz nah auf die Finger zu gucken, auch wenn ja eigentlich das Schlagzeug mein Lieblingsinstrument ist. Aber auch auf die Drummer hat man einen guten Blick, wobei es Dennis tatsächlich schafft, während seines anscheinend sehr kräftigen Spiels einen Drumstick nach dem anderen zu zerstören. Das geht dann sogar so weit, dass er vom Backstage-Bereich Nachschub holen muss und ankündigt, dass, wenn auch dieser Stick zerstört wäre, das Set beendet werden müsste, da es sein letzter sei. Dazu kommt es dann Gott sei Dank nicht, aber im Rare Guitar hätte sich ohnehin auch Nachschub gefunden, Magma Waves hätten also so oder so die viel zu schnell vorbei gehende Spielzeit beenden können. Hier gibt es dann auch schon, zum ersten Mal an diesem Tag, Rufe nach einer Zugabe, und dem Wunsch kommen die Männer aus Duisburg und Essen natürlich gern nach. Ich gönne mir heute dann auch endlich mal die CD Mitsuki, Hida, 1579, und da man Stoffbeutel ja immer gut gebrauchen kann, nehme ich den in der sehr hübsch aufgemachten Magma Waves-Version ebenfalls gleich mit 🙂
Der Abwechslung halber kommt mit Benthic die zweite Band des Tages mit Sänger auf die Bühne. Wie schon Julian von Cosmic Radiation bewegt sich Siegmar, den man auch bei der ebenfalls aus Hamburg stammenden Band Eden Circus am Mikrofon findet, mehr vor als auf der Bühne. Dafür reicht der Platz leider auch weiterhin, wobei sich das „leider“ darauf bezieht, dass nach wie vor relativ wenige Besucher den Weg in das Rare Guitar gefunden haben. Über diese Entwicklung gibt es ja in letzter Zeit immer mehr Berichte, und ich kann mich dem dort Geschriebenen aus eigenen Beobachtungen leider nur anschließen. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum Longsound Festival und der Band Benthic. Gerade im März diesen Jahres wurde die Debüt-EP The Mess veröffentlicht, die man sich auf der Bandcamp-Seite von Benthic anhören kann, und mit der heute natürlich die Setliste bestückt ist. Ähnlich der Band Cosmic Radiation wird es jetzt streckenweise ein wenig ruppiger. Noch nicht ganz Hardcore, auf jeden Fall aber eine ordentliche Schlagseite in Richtung Alternative Metal, und dabei immer hochmelodisch. Aber die Jungs können auch ruhige, wenngleich trotzdem sehr wuchtige Töne anschlagen. Mit Siegmar am Mikrofon, der sich durch die Songs singt, shoutet und growlt, treffen Benthic jederzeit den richtigen Ton und liefern einen soliden Auftritt.
Schon vor Beginn des Festivals waren sie eingetroffen, und ich konnte auch bereits kurz mit Gitarrist Christoph plaudern, jetzt stehen die drei Jungs von APOA aus Dresden auf der Bühne. Die Aluminiumgitarre aus dem Hause EGC (Electric Guitar Company) ist für mich schon ein Blickfang. Aber es ist nicht nur ein hübsches Instrument, Christoph weiß auch fraglos, wie man die Saiten richtig zum Klingen bringt. Wie es anscheinend im Post Rock üblich ist, sind die ausnahmsweise mal etwas kürzeren Songs zwar auch bei APOA überwiegend ruhig gehalten, aber selbst mit nur zwei Saiteninstrumenten und Schlagzeug – und natürlich den unvermeidlichen Samples vom Laptop – schaffen es APOA, stellenweise mächtige Soundwände zu erschaffen, bei denen mir wohlige Schauer den Rücken runterlaufen. Was man heute fast schon am häufigsten sieht, findet auch bei APOA regelmäßig statt: der Blick runter zum Pedalboard, um das Saiteninstrument für den nächsten Song optimal zu stimmen – oder was auch immer die Jungs da sonst noch so einstellen. Ich bin in der Beziehung absoluter Laie und betrachte die verschiedenen Kästchen und Hebel, die da am Boden versammelt sind, immer mit einer gewissen Ehrfurcht aber absoluter Ahnungslosigkeit 😀 Auch APOA haben natürlich Merch mitgebracht, endlich mal keine schwarzen Shirts, so schlage ich also zu und nehme auch gleich das letzte Album Enūma Eliš der Band mit. Übrigens – auch ohne, dass ich ein Review dazu schreibe – ein sehr gelungenes Werk, dessen Spielzeit von ca. 40 Minuten wie im Flug vergeht, und das ich jedem Fan von gepflegtem Post Rock nur wärmstens ans Herz legen kann.
Und dann kommt doch tatsächlich schon die letzte Band des Festivals auf die Bühne. Über 1000 km Anreise haben die vier Männer der polnischen Band Besides hinter sich gebracht. Wie der ansonsten auch eher ziemlich wortkarge Pawel erzählt, ist dies zwar nicht der erste Auftritt in Deutschland, aber im Rare Guitar hat man vorher noch nicht gespielt. Im Anschluss an diese Show geht es dann weiter auf der Tour, die die Männer durch die Tschechische Republik, Belgien, die Schweiz, Deutschland und zurück nach Polen führt. Genauso besetzt, wie die Band Magma Waves, ist es auch hier immer ein herrliches Schauspiel, wenn nach jedem Song alle drei Männer aus der Saitenfraktion den Blick nach unten richten und an den Stimmwirbeln drehen, um die Instrumente für den nächsten Song optimal auszurichten. Ebenfalls ansatzweise vergleichbar mit Magma Waves sind die Songs von Besides. Zwei Alben hat man bislang veröffentlicht, nämlich Everything Is und We Were So Wrong, und damit kann man die einstündige Spielzeit sehr gut bestreiten. Zum letzten Mal während dieses Festivals steht man also vor den sich grandios auftürmenden Soundwänden, die Besides immer mal wieder mit leichter Hand erschaffen, um sie dann wieder abzutragen und danach wieder durch die weiten Klanglandschaften zu wandeln, die der Post Rock so zu bieten hat. Natürlich gibt es auch hier lautstarke Rufe nach einer Zugabe, wobei Pawel zunächst einmal sorgenvoll nach der Uhrzeit fragt. Es ist aber noch Zeit genug, und so werden wir von Besides sogar noch mit zwei weiteren Songs verwöhnt, bis dann um kurz nach Mitternacht auch diese Show so unspektakulär endet, wie auch alle anderen vorangegangenen. Scheint auch ein Ritual zu sein, die Saiteninstrumente und/oder das Mikrofon einfach abzulegen und die Bühne zu verlassen, während noch die letzten Gitarren- und Basstöne durch den Laden klingen. Sehr gediegen!
So geht dann nach etwas über sechs Stunden auch die zweite Ausgabe des Longsound Festival zu Ende, und wenn nicht schon vorher, so sind doch auch jetzt noch (fast) alle Bands im oder vor dem Rare Guitar anzutreffen. Das ist ja auch genau das, wofür ich diese „Underground“-Veranstaltungen so liebe. Leider hat sich die Zuschauerzahl auch zum Ende hin nicht wirklich nennenswert erhöht, was wirklich außerordentlich schade, sowohl in erster Linie für den Veranstalter aber natürlich auch für die Bands, ist. Hier haben sich wirklich alle den A… aufgerissen und eine tolle Leistung abgeliefert, angefangen vom Veranstalter, über das tolle Team des Rare Guitar, die Licht- und Soundmänner und nicht zuletzt natürlich die Bands, die streckenweise doch lange Anfahrten auf sich genommen haben. Wenn auch dieses Festival schon nach dem zweiten Mal vor dem Aus stünde, wäre das wirklich sehr, sehr schade. Also auch von mir, wie auch von verschiedenen anderen Schreiber/innen aus der Szene der Aufruf: geht wieder mehr auf Konzerte und Shows wie diese! Es müssen nicht immer die großen Arenen und die etablierten Bands sein, guckt Euch ruhig mal an, was für eine lebendige Szene da teilweise direkt vor Eurer Haustür stattfindet, und unterstützt die vielen kleineren Locations einfach dadurch, dass Ihr hingeht! Es mussten schon einige Läden schließen oder Konzertreihen eingestellt werden, weil es sich einfach nicht mehr rechnet, und da bewahrheitet sich dann der Spruch „You don’t miss the water until the river runs dry“. Seid also alle bitte mal ein wenig Wasser, und wenn es nur ein Schnapsglas voll ist 😉