Veranstaltung: Rock Am Ring 2025
Ort: Nürburgring, Nürburg
Webpräsenz: Website, Instagram, Facebook
Datum: 06.06. – 08.06.2025
Kosten: 249 € (Standardpreis)
Veranstalter: Eventimpresents GmbH & Co. KG
Besucher: ca. 90.000
Bands: A Day To Remember, Adam Angst, Airbourne, Amira Elfeky, Aviva, Beatsteaks, Biffy Clyro, Boston Manor, Bring Me The Horizon, Brutalismus 3000, Bullet For My Valentine, Christin Nichols, Creeper, Dead Poet Society, Deafheaven, Defects, Deine Cousine, Destroy Boys, Die Nerven, Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys, Drangsal, Drug Church, Electric Bassboy, Evil Jared X Krogi, Feine Sahne Fischfilet, Fit For An Autopsy, Fjørt, Knocked Loose, Electric Callboy, Fleshwater, Falling In Reverse, Frank Turner, Frank Turner & The Sleeping Souls, Frog Leap, Future Palace, Grade 2, Heaven Shall Burn, Holy Wars, House Of Protection, Idles, Imminence, In Flames, I See Stars, Jerry Cantrell, Jinjer, K.I.Z, Kasalla, Kittie, Kontra K, KoRn, Kris Barras Band, Leftovers, Lorna Shore, Lølø, Massendefekt, Me First And The Gimme Gimmes, Mia Morgan, Millencolin, Myles Kennedy, Nasty, Northlane, Nothing More, Olli Schulz, Pain Of Truth, Polaris, Poppy, Powerwolf, Rise Against, SDP, Seven Hours After Violet, SiM & Zetra, Skillet, Slipknot, Smash Into Pieces, Sleep Token, Soft Play, Spiritbox, Spiritual Cramp, Static Dress, Still Talk, Stray From The Path, Superheaven, Survive Said The Prophet, Teen Mortgage, Terror, The Ghost Inside, The Prodigy, The Red Flags, The Warning, Thrown, Tocotronic, Touché Amoré, Trophy Eyes, Tulpe, Turbostaat, Unpeople, Vowws, Weezer, Whitechapel, Zebrahead, ZSK
Abgesagt: Mudvayne
Vom 6. bis 8. Juni 2025 bebte der Nürburgring wieder im Takt der Gitarrenriffs, denn Rock Am Ring zelebrierte sein vierzigstes Jubiläum. Für diesen runden Geburtstag hatte sich Deutschlands Traditionsfestival nicht lumpen lassen: Eine vierte Bühne und diverse Überraschungsgäste – Knocked Loose gab das Festival bereits im Vorfeld bekannt – sollten die rund 90.000 Besucher:innen in Ekstase versetzen. Zwar konnten nicht alle dieser Überraschungen restlos begeistern, und auch vereinzelte Regenschauer, hartnäckige Windböen und eisige Nachttemperaturen um die 8 Grad versuchten, den Fans die Laune zu vermiesen. Doch keine Chance! Denn das Rock Am Ring hatte Bock zu feiern und ließ sich die Party auch nicht von Pfandpreisen von 3 € verderben. Und selbst ein Cashless-Bezahlsystem, das aufgeladene Geldbeträge häufig verzögert im System registrierte oder Restbeträge falsch wiedergab, konnte die Stimmung nicht trüben.
Die Kooperation mit Bild/Axel Springer, die sich mit einem technisch schwachen und seicht moderierten Livestream blamierten, kam bei der Masse nicht sonderlich gut an. Bitter für viele Medienschaffende: Zahlreiche Acts auf der Mainstage beschränkten Bilder auf wenige Fotograf:innen oder ließen erst gar keine Fotos zu. Doch genug gejammert und rein ins Getümmel.
Den Weg zur Presseakkreditierung – dieses Jahr kurioserweise auf einem Schrottplatz (?) – teilen wir uns mit Bussen und Tausenden Menschen, was die Fahrt mit dem Auto inmitten des Verkehrschaos zu einer Geduldsprobe werden lässt. Denn zur frühen Mittagszeit sind so viele Menschen wie sonst nie auf den Beinen und pilgern zur Utopia Stage, der Hauptbühne. Denn ein geheimer Special Act wird das Rock Am Ring eröffnen. Vielleicht Kraftklub, die ihr neues Album in den letzten Tagen schon mehrfach mit „Überraschungskonzerten“ promotet haben? Oder doch Electric Callboy, die nachts bereits als Electric Bassboy auf dem Line-Up stehen? Das Infield ist gefüllt bis ins letzte Eck, die Spannung greifbar, als Donots-Sänger Ingo Knollmann auf der Bühne erscheint und … Electric Callboy ankündigt. Ein erster Freudenschrei geht durch die Menge.
Es ist schon ein Statement, eine Headliner-Show als Opener rauszuhauen. Respekt. Mit Pyro, Luftschlangen und allem Drum und Dran liefern Electric Callboy die für sie typische, energiegeladene Performance ab. Vermutlich müssen einige Zuschauer:innen die Überraschung trotzdem länger verdauen, da es vergleichsweise wenig Circle Pits gibt. Die Band zeigt sich trotzdem sichtlich ergriffen, nach 2024 schon wieder am Ring zu spielen, und dankt dem frenetischen Zuspruch der Fans. Ein besonders cooler Move ist das Still Waiting-Cover für Sum 41 Drummer Frank Zummo, der nach dem Ausstieg von David Friedrich für Electric Callboy trommelt.
Nach so viel Energie folgt ein jähes Stimmungstief, das selbst hartgesottene Festivalgänger:innen ins Wanken bringt. Der zweite Überraschungsgast des Tages entpuppt sich als absoluter Fehlgriff: Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys vertreibt ganze Menschenmassen von der Utopia Stage und Köpfe werden statt vertikal nur horizontal geschüttelt. Spaßkiller.
Der dritte „Überraschungsgast“ Knocked Loose ist bereits bekannt, doch was die derzeit extrem angesagte Hardcore-Truppe abliefert, ist schon eine kleine Sensation. Sänger Bryan Garris schmettert seine charakteristischen Screams ins Publikum, die wie Rasierklingen auf die Menge einprasseln. Während sich einige zartbesaitete Gemüter fluchtartig in Sicherheit bringen, drehen alle anderen völlig durch. Die Pits sind erstmals zweistellig.
Nach dieser Abrissbirne kann der Kontrast mit Weezer kaum größer sein. Die Sonne zeigt sich endlich länger am Himmel und taucht die Utopia Stage in ein warmes Licht. Das Infield füllt sich zusehends mit Fans, die nach der lässigen Gangart der Kalifornier lechzen. Auch die Jungs von Creeper lassen es sich nicht nehmen und checken die Show von der Tribüne aus. Tausende Arme wedeln im Takt zum entspannten Indie-Rock von Weezer. Eine willkommene Verschnaufpause.
A Day To Remember laden am frühen Abend zur Mitsing-Party im Konfetti-Regen. Obwohl sich die Sonne wieder hinter Wolken verzieht, strahlt es vor der Bühne. Happy People Everywhere. Gefühlt jeder kennt die Texte. Schon beim ersten Akkord saust ein kollektives „Whooaaaaa“ durch die Menge. Wasserbälle fliegen durch die Luft, Papierschnipsel verwandeln das Gelände in eine bunte Partyzone. Immer wieder fordert die Band zu Circle Pits auf, die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten – die Pits sind wieder zweistellig, das Infield gleicht einem wimmelnden Ameisenhaufen. Einige glückliche Fans ergattern Merch aus der T-Shirt-Kanone, bevor die Band zum abschließenden All Signs Point To Lauderdale Klopapier in die Menge wirft.
Headliner Bring Me The Horizon lässt keinen Zweifel daran, wer heute den Ring regiert. Die Band hat nahezu das gesamte Festival aufgesaugt und ins Infield geblasen, selbst auf der Scheiiiiß-Tribüüüne, Scheeeeeeiiiß-Tribüne (*gähn*) ist es eng. Die Band präsentiert ihre aktuelle Show, die mit einem Varietétheater mithalten kann: aufwendige Deko, Konfetti, Pyro, Lichtinstallationen, Videocontent. Wie bei Adam Angst (siehe unten) gibt es einen Oasis-Moment: Wonderwall. Wer nicht mitgesungen hat, macht es jetzt und hört nicht mehr auf. Zu Atavist darf wieder ein Fan auf die Bühne und mitsingen. Nicht mehr neu, aber immer noch schön. Weniger mitreißend sind die häufigen Pausen und die nervigen Ansagen eines schlecht gealterten CGI-Aliens auf der Videoleinwand. Dafür glüht das Pipi in den Augen, wenn dort Momente aus der Bandgeschichte Revue passieren. Überhaupt Emotionen. Frontmann Oli Sykes kriecht und rollt über den Bühnensteg, sinkt auf die Knie und – endlich – steigt zu Drown hinab zu den Fans in der ersten Reihe, wo ihn vor allem kreischende Frauen nicht mehr gehen lassen wollen. Pyro-Wahnsinn und eine beeindruckende Lasershow krönen den Auftritt von Bring Me The Horizon, die sich ihren Throne mit einer Mega-Show verdient haben.
House Of Protection, erstmals in Deutschland, legen nach einem coolen Intro direkt los und wollen Bewegung. Schon beim zweiten Song verlässt Sänger/Gitarrist Stephen Harrison die Bühne, stürzt sich mitsamt Mikrofonständer ins Getümmel und initiiert einen Circle Pit um sich herum. Im Publikum sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle wach und die Ex-Fever 333 Mitglieder müssen das Publikum erst einmal augenzwinkernd aufwecken. Mit jedem Song steigt die Stimmung, House Of Protection haben richtig derbe Bock, widmen ihren Festivalkolleg:innen Poppy, Destroy Boys, Knocked Loose und A Day To Remember Lieder, und wirbeln sportlich über die Bühne. Das Publikum lässt sich anstiften, wird beweglicher, überall wippen Arme und es gibt einen durchaus beachtlichen Pit. Ansprechende Video-Backdrops runden die sympathische Show ab. Im Herbst könnt ihr House Of Protection als Support für Architects erleben.
Kann man das Rock Am Ring mit metallischen Coverversionen von Liedern wie Ghostbusters oder dem Pokémon Theme zum Ausrasten bringen? Frog Leap können. Zugegeben profitiert die Band um den norwegischen Musiker Leo Moracchioli von dem Italo-Schlager-Debakel auf der Utopia Stage, was Frog Leap einen massiven Publikumszustrom beschert. Sänger Moracchioli zeigt sich freudig erregt und scherzt, dass er sich auf die enorme Crowd einen runterholen werde. Frog Leap beweisen einmal mehr, dass gut gemachte Cover und eine Prise (infantiler) Humor auf einem Festival immer einen Nerv treffen.
Kraaaasss voll ist es auch bei Poppy. Der Hype um die Künstlerin ist definitiv real, das Publikum frisst ihr gierig aus beiden Händen. Klargesang und Screams sind auf den Punkt und begeistern die Menge, auch wenn Poppy mehr Show als Konzert bietet. Das soll jedoch nicht die Leistung der namenlosen Band schmälern, die hier ebenfalls gut abliefert. Im Pit gilt Vollkörperkontakt. Zeichen der Eskalation: Schuhe in der Luft.
The Prodigy sind mal wieder am Ring. Auf dem Weg zur Atmos Stage, auf der gleich Creeper spielen, bleibt leider nicht viel Zeit für diese Legende der elektronischen und genreübergreifenden Musik. Im hinteren Drittel des Infields will sich der Sound leider nicht wirklich gut über das Gelände ausbreiten. Doch wenn das Set mit Voodoo People beginnt: Scheiß drauf und tanzen. Die Bühne leuchtet in zig Farben, das Strobo feuert aus allen Rohren. Dass The Prodigy einige Tracks als Remixe spielen, kommt nicht bei allen im Publikum gut an. Doch zumindest bei einem Klassiker wie Firestarter ist das nachvollziehbar. Um die Erinnerung an den verstorbenen Keith Flint zu ehren, sind seine Lyrics nur als zaghaftes Echo zu hören. Maxim nimmt sich aus Respekt zurück und steht ruhig mit Blick zur Menge, während die Beats das Infield übernehmen.
Nach der perfekt inszenierten Ekstase bei Bring Me The Horizon gibt es kaum ein Durchkommen zu K.I.Z. Deren Konzert hat bereits begonnen, als eine Völkerwanderung von der Utopia an die Mandora Stage einsetzt. Schon von Weitem schallte die Musik der Hip-Hop-Provokateure herüber und unzählige Stimmen singen bereits mit. Was als schöner Festivalmoment durchgehen könnte, wird leider von den Menschenmassen getrübt. Es ist einfach viel zu voll. Verwunderlich bis fragwürdig, dass Engstellen wie eine Treppe im Foodcourt nicht gesichert sind. Während sich einige Tanzwütige andernorts beseelt von Bier durch die Menge drängeln, geben andere entnervt auf und drehten um, um dem latenten Chaos zu entfliehen.
Zeit für Soft Play, die freilich alles andere als soft spielen. Die UK Punks mischen das Publikum mit einer ordentlichen Portion Arschwackelkrach auf und agieren vor einem riesigen „Soft Cunts“ Banner. Der Sound: Schön rotzig und direkt auf die Fresse. Darauf einen auf der Bühne zerdonnerten Mikroständer.
Auch Destroy Boys liefern eine mitreißende und authentische Punkrock-Show ab. Schon beim Soundcheck gehen die Kalifornier:innen auf das Publikum ein, instant Lieblinge. Frontfrau Alexia Roditis und Gitarristin Violet Mayugba suchen immer wieder den Blickkontakt mit den Fans, die Band klatscht dem Ring schnickschnackfreies Entertainment mit Botschaft um die Ohren. Frenetischen Applaus erntet das Bandstatement für die LGBTQIA+ Community.
Irritation und Aufregung wehen kurz vorm Auftritt von Adam Angst durchs Publikum. Ein Oasis-Banner ziert die Bühne. Ein weiterer Überraschungsgast? Nope, doch der Gag ist gelungen, als Adam Angst die Bühne stürmen, aufblasbare Fußbälle in die Menge schleudern und Don’t Look Back In Anger anspielen. Natürlich singen alle mit. Dann fällt das Backdrop und enthüllt das Adam Angst-Banner. Es folgt eine hitlastige Setlist einer extrem gut gelaunten Band, die mächtig Schwung in den Ring bringt. Überraschungsgäste gibt es dann doch noch: Zum Lumpenpack-Feature Kruppstahl, Baby betreten Jonas Frömming und Maximilian Kennel die Bühne. Politischer Inhalt und ausgelassene Party können perfekt zusammenpassen.
Anime-Fans zieht es in Scharen zur abseitigen Atmos Stage, wo abfälliges Gelände selbst Stehen zu einer wackeligen Angelegenheit macht. Aber klar, wer will bei Survive Said The Prophet stillstehen und Fliehkräfte in der Circle Pit regeln den Rest. International bekannt geworden sind die Japaner durch ihren Titelsong zum Anime Vinland Saga und wo, wenn nicht hier, erntet die Frage „Who likes Anime?“ bei einem Konzert ohrenbetäubenden Jubel? Sehr sympathisch. Genau wie die Tatsache, dass viele Fans im Publikum die Handgesten der Band perfekt beherrschen und – noch sympathischer – alle anderen mitziehen. Survive Said The Prophet bedanken sich ausgiebig bei den deutschen Fans, und Sänger Yosh Morita lächelt vermutlich häufiger als Mikael Stanne von Dark Tranquillity.
Ein wenig Matsch hat sich vor der Atmos Stage angesammelt und das Gelände erfährt mit Nasty die ultimative Belastungsprobe. Gut was los vor der kleinsten Bühne. Sänger Matthias „Matthi“ Tarnath ist wieder kaum zu halten und agiert die meiste Zeit am Graben, immer wieder mit der Forderung: „Kommt nach vorne, kommt nach vorne!“ Dazu gibt es das übliche Geballer aus dem Hardcore-Walzwerk der Belgier. Der unwiderstehliche Bouncereiz geht sofort ins Bein, die Menge mutiert zu einem springenden Flummi, auf dem fleißig gesurft wird. Absurd, dass Nasty nicht auf einer größeren Bühne spielen. Zwischen den Songs gibt es die gewohnt unterhaltsamen Ansagen. Matthi sinniert, dass er immer davon geträumt hat, beim Rock Am Ring aufzutreten und kommentiert selbstironisch: „Und jetzt stehen wir hier mit so ’ner Primi Mucke – danke!“
Creeper haben leider die Arschlochkarte gezogen. Nicht nur, dass technische Probleme den Auftritt der artrockenden Horrorpunks verzögern. Die Engländer müssen darüber hinaus gegen The Prodigy und Bring Me The Horizon anspielen. Entsprechend übersichtlich ist das Publikum. Doch wer den Weg zur Atmos Stage gefunden hat – angesichts des Pegels einiger Besucher eine echte Leistung -, bringt reichlich Vorfreude mit. Denn es mögen nicht viele Menschen hier sein, doch es sind richtig viele Creeper-Fans dabei, die die Band mit Sprechchören begrüßen. Creeper sind sich der Konkurrenz bewusst und bedanken sich bei allen, die sich bewusst für ihren Auftritt entschieden haben. Frontmann Will Gould führt mit Verve und dramatischen Posen durch die Show und ist sich auch für cheesige Spielchen mit dem Publikum nicht zu schade. Als Belohnung für ein engagiertes Konzert gibt es zum Abschluss lange Zugabe-Rufe, die leider ungehört in der nasskalten Nacht verhallen.
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