Tamas – Kopf.Stein.Pflaster

“Mittelfinger an die Obrigkeit!“


Artist:
Tamas

Herkunft: Deutschland

Album: Kopf.Stein.Pflaster

Spiellänge: 56:00 Minuten

Genre: Metalcore, Rap

Release: 29.01.2016

Label: Auf!Keinen!Fall! / Chapter One / Universal

Tracklist:

  1. Kopf.Stein.Pflaster
  2. Biester Der Nacht
  3. Einigkeit Und Recht Und Krieg
  4. Jesus Schießt
  5. Eat The Rich
  6. Fick Die Cops
  7. KRKA
  8. Drama
  9. Nicht Mit Uns
  10. Michael Jackson
  11. Hölle
  12. Drück Ab
  13. Zu Zweit Allein
  14. Lachs (Bonustrack)

 

AKF-Tamas-KSP-Album-Cover.indd

Den charmanten Zahnlücken-Irokesen Tamas hat man vor allem durch diverse Features mit DCVDNS im Hinterkopf. Bis vor wenigen Jahren war er zudem als Teil der Rap-Crew DeineLtan bekannt.

Wo da der Zusammenhang zum Metal zu finden ist? Im kürzlich erschienen Solo-Album Kopf.Stein.Pflaster. Hier traut sich Tamas kompromisslos, was schon unlängst hätte passieren sollen: Metalcore-Riffs mit Rap-Texten. Nicht so weichgespült wie Linkin Park oder Limp Bizkit zu ihren besten Tagen mit gesungenem, eingängigem Refrain, sondern vielmehr der Einbau von Hau-mir-in-die-Fresse-Hooks. Und das funktioniert. Aber alles eins nach dem anderen.

Den Startschuss gibt der Titeltrack Kopf.Stein.Pflaster selbst. Noch unspektakulär, aber bereits verheißungsvoll lässt Tamas nach Fade-In der E-Gitarre wissen, was den Hörer zu erwarten hat. Biester der Nacht fährt mit Blastbeat, Breakdowns, Dropped-Riffs, Mitgrölfaktor in der Hook und abschließendem Doubletimemassaker so einiges auf.

Was das gesamte Album über auffällt: Tamas schreit sich sämtliche Innereien heraus. Das war bisher eher unüblich, da sein Flow sonst eher cool als aggressiv daherkam. Dadurch nimmt die Intensität in Verbindung mit der Hintergrundmusik erheblich zu, aber einige Doubletime-Passagen leiden in Sachen Verständlichkeit darunter und auch so müssen manche undeutlichen Lines mehrmals gehört oder im Booklet nachgelesen werden. So sind die gelasseneren Strophenparts in Einigkeit und Recht und Krieg problemlos zu verstehen, aber bereits in der geschrienen Bridge ist Mitlesen für ungeübte Ohren an manchen Stellen angesagt. Glücklicherweise hat das aber kaum Gewicht, denn der dritte Titel ist wohl einer der Ohrwürmer auf dem Silberling schlechthin. So ist es im Refrain auch nicht nur thematisch passend, sondern auch musikalisch stark, die haTikwa, die israelische Nationalhymne zu klampfen.

Weiter geht’s mit Jesus Schießt und Eat The Rich. Beides Titel, zu denen – nebenbei erwähnt – Videos existieren. Zweiterer Song bleibt vor allem durch großartige Gitarrenarbeit im Gedächtnis und trumpft auf mit absurden eingespielten Zitaten aus dem gleichnamigen Eat The Rich, dem Ende der 80er erschienen britischen Film mit (wer hätte es gedacht) Lemmy Kilmister in einer Gastrolle.

Normalerweise sind Metalcover und -Remixe immer ein Verstümmeln des großartigen Originals, wenn man bspw. an Gangsters Paradise von Ten Masked Men denkt. Nicht in diesem Fall jedoch wurde Fick die Cops, einer der deineLtan-Tracks schlechthin, neu aufgelegt. Und es funktioniert. Der gewünschte Beischlaf mit der Staatsgewalt gelingt musikalisch, womöglich gerade wegen der Instrumentierung, viel intensiver als das Original.

Gegen Mitte des Albums lässt Tamas mit der Ballade Drama verschnaufen. Hierbei rappt Tamas – wie früher gewohnt – ruhiger und damit deutlicher. Außerdem bietet Drama gegen Ende des Songs richtige Postrock-Allüren. Einfach, aber auch einfach schön.

Die zweite Hälfte geht nahtlos und wie gewohnt weiter, ohne langweilig zu werden. So ist Nicht mit uns schon fast hardcorepunkig mit abschließendem Breakdown. Live werden hier wohl ordentlich Brillen zertreten. Während man sie trägt, versteht sich. Apropos: Musikalisch wäre alles in allem Tamas am besten mit Porn from Spain von Callejon zu vergleichen, aber selbst das noch ziemlich entfernt beschrieben. Da ist von Djent (Hölle), Emo-Parts (Zu Zweit Allein) bis zu disharmonischen Obertönen (Drück Ab) noch so einiges drin. Spricht alles in allem für Tamas, eine Nische gefunden zu haben und das Debüt auch noch so ordentlich abzuliefern.

Fazit: Geistige Selbstmörder, die sich in ihrem Anti-Hip-Hop-Alliance-Shirts selbst diverse Grenzen setzen, werden mit Tamas absolut nichts anfangen können. Wer offen für Neues ist, ohne den Metalbereich zu verlassen und auch das ein oder andere Ohr für Lyriks offenhält, findet in Kopf.Stein.Pflaster ein lang anhaltendes Dauerrotationspotential im Player. Einen halben Punktabzug gibt’s für so allerlei 08/15-Dropped-C-Riffs, die man bereits zuhauf kennt. Nichtsdestotrotz wohl eine der besten Platten der letzten Monate.

Anspieltipps: Einigkeit Und Recht Und Krieg, Eat The Rich, Drama und Drück Ab
Glenn V.
9.5
Leser Bewertung0 Bewertungen
0
9.5