Die Apokalyptischen Reiter – Tief, Tiefer

“Vegetieren oder existieren“

Artist: Die Apokalyptischen Reiter

Herkunft: Deutschland

Album: Tief, Tiefer

Spiellänge: 75:08 Minuten

Genre: Heavy Metal

Release: 30.05.2014

Label: Nuclear Blast

Link: http://tieftiefer.reitermania.de/

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre – Fuchs
Gitarre – Ady
Bassgitarre – Volk – Man (Volkmar Weber)
Keyboard – Dr. Pest
Schlagzeug – Sir G. (Georg Lenhardt)

Tracklist:

Tief:
01. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
02. Wir
03. Wo Es Dich Gibt
04. Was Bleibt Bin Ich
05. Ein Leichtes Mädchen
06. Ein Vöglein
07. Es Wird Nacht
08. Die Wahrheit
09. 2 Teufel
10. Die Welt Ist Tief
11. So Fern

Tiefer:
01. Die Zeit
02. Der Weg
03. Friede Sei Mit Dir
04. Flieg, Mein Herz
05. Das Paradies
06. Die Leidenschaft
07. Auf Die Liebe
08. Der Wahnsinn
09. Terra Nola

Die Apokalyptischen Reiter - Tief Tiefer

„Alleine sein macht kreativ“, sagten sich Die Apokalyptischen Reiter für ihr Glanzstück namens Tief.Tiefer. Bedeutet, dass die Herren bewusst die Isolation gesucht haben, sei es auf Gewässern, in Sümpfen oder auf entlegenen Seenplatten (vielleicht auch deshalb das dominante Element des Wassers im Coverartwork?). Fakt ist, dass es verdammt lange gedauert hat seit Moral und Wahnsinn. Fakt ist auch, dass man sich als Speerspitze des intellektuellen Metals, so empfinde ich die Reiter zumindest, bewusst verändern will und dies der Band meiner Meinung nach sehr gut steht. Versteht mich nicht falsch, die alten Reiter sind toll, die neuen Reiter sind eben raumfüllender, einfach „tiefer“, und das finde ich ganz großartig.

Dies merkt man im kritischen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit , nebenbei bemerkt sind dies die Werte der französischen Revolution und später der nicht minder unwichtigeren Aufklärung und somit die gleichen Werte, auf denen, zumindest theoretisch, das Gesellschaftskonstrukt der europäischen Demokratie beruht. Machen die Reiter also Politik? Mitnichten, wohl aber nehmen sie eine unangenehme Bestandsaufnahme dessen auf, was aktuell in den Medien herumgeistert, nämlich eine komplette Wertentleerung dessen, was sich landläufig „Demokratie“ nennt, das Achten des Mitmenschen, Gedankenfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Schutz der Schwachen, Fairness der Chancen. Alles Werte, die in der Metalwelt stets hochgehalten werden. Doch wie sieht es damit aktuell aus? Geben wir uns nur einer bequemen Illusion dessen hin, weil wir zu faul sind für unsere Rechte einzutreten? Weil es bequemer ist, nur für sich selbst zu vegetieren, anstatt gemeinsam zu existieren?

Im Song heißt es, dass keine Freiheit herrsche, darüber sollte jeder einmal nachdenken. Wir stößt ins gleiche Horn und fragt erneut kritisch, ob man bereit sei, sich von der Welt zu heilen. Angesichts einer stetigen Abwärtsspirale keine unberechtigte Frage. Trotz allem erkennen die Reiter immer noch Hoffnung im Chaos des Alltags und finden diese mit der harten, dennoch wundervollen Ballade Wo Es Dich Gibt, eben mit typischem Reiter-Pathos und hintergründig pulsierenden Rhythmen, die glanzvoll durch eine schöne Pianomelodie umkreist werden. Was Bleibt Bin Ich empfinde ich mit seinen verzerrten Gitarren als sehr störend und ist absolut nicht meine Schiene, sehr abgehackt wirkt dieser Song musikalisch sehr fremd auf dem Album. Ein Leichtes Mädchen stellt betont langsam das Glück als leichtes Mädchen dar und zeigt eindrucksvoll, welche Gitarrenwände die Reiter erzeugen können, sehr groß.

Poetisch, kein Fremdwort für die Reiter, würde ich Ein Vöglein nennen, in dem der Tod als Vöglein personifiziert wird, ein Tod, der auf leisen Sohlen getröpfelt kommt, erneut eine vertonte Wassermetapher und bestechend bescheiden in seiner Komposition und fast nur als Intro zum hypnotischen Es Wird Nacht dienend. Toll finde ich bei den Reitern die absolute Gleichberechtigung von Lyrik und Musik, deren Verkettung es eigentlich kaum einer anderen Metalband aus dem deutschen Raum besser gelingt. An Es Wird Nacht fasziniert mich die Symbolik des Geldes, die stellvertretend für Gier oder Korruption dient und somit erneut Kritik an diesem präsigen Untier des bequemen Menschen nimmt, der sich selbst genügt, dies noch nicht einmal realisiert und daran zu Grunde geht. Die Wahrheit ist einer dieser zackigen Reiter-Songs, verzerrte Gitarren, vordergründige Vocals und auf den ersten Blick gar nicht so besonders, die im Nachhinein aber unglaubliches Hitpotential aufgrund ihrer Eingängigkeit entwickeln, Reiter-Fans wissen sicherlich, wovon ich spreche. Die Welt Ist Tief nervt mich tierisch und transportiert die Urmasse, aus der sich Die Apokalyptischen Reiter entwickelt haben, eine Ruppigkeit aus einem Batzen ungezügelter Energie. So Fern hätte mit seiner epischen Klangtiefe, die durch Äonen einer dunklen Reise an unser Ohr zu branden scheint, auch auf Licht stehen können, ein kraftvoller Midtempo Banger, gleichzeitig eine der schönsten Liebeserklärung und doch so universell zeitlos angesichts der schier umwerfenden Lyrik, ein Wahnsinn, welch ein schöner Songs dies ist. 2 Teufel geht da schon fast unter und bildet den immer noch sehr starken Rausschmeißer des Albums, lässt sich gut hören und ist immer noch um Lichtjahre besser als die Konkurrenz.

Als Sahnestück machten Die Apokalyptischen Reiter bei der Bandprobe aus der Not eine Tugend, denn nachdem ihnen der Generator auf See abschmierte, spielten sie einfach Akustiksongs ein und bannten diese unter dem Namen Tiefer auf CD. Dies sind keine neuen Songs, vielmehr dürften die alt geliebten Schätzchen in den Herzen der Fans ganz spezielle Plätze einnehmen und somit lohnt hier definitiv ein Öhrchen oder auch zwei. Der Drive, den die Band immer hatte, wird mit leicht nach Ska klingenden Parts oder klassischen Arrangemenst ersetzt, passt aber perfekt zur Band und klingt dabei sehr frech.

Fazit: Selten hat mich ein Album so angesprochen wie dieses. Nörgler und Beschwerdeführer, die sich scheinbar mit der Musik einer Band besser auskennen als diese selber, sollten besser einpacken, denn Die Apokalyptischen Reiter geben ein eindrucksvolles Statement ihrer Genialität ab. Punkt. Es werden ausverkaufte Hallen, grandiose Erfolge sowie Ruhm und noch mehr Ehre folgen, so einfach ist das.

Anspieltipps: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Wo Es Dich Gibt, Ein Vöglein, Es Wird Nacht und So Fern
Dominik B.
9.5
Pro
Tolle Lyrik
Wahnsinnskompositionen
Spielfreude
Contra
1 Ausfall
9.5