Glacier – Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White As Snow; Though They Be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool.

“Grandioser Post Rock, aber Ambient ist anders!“

Artist: Glacier

Herkunft: Boston (Massachusetts), Vereinigte Staaten von Amerika

Album: Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White As Snow; Though They Be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool.

Spiellänge: 28:29 Minuten

Genre: Post Rock

Release: 07.07.2017

Label: No Happy Music (USA), Vertrieb in Europa über Kapitän Platte

Link: https://www.facebook.com/GlacierBandMA/

Produktion: The Record Co., Boston (MA) von Jesse Vengrove, zusätzliches Mixing im The Kitchen Sink, Santa Fe (NM) von Tim Schmoyer, Mastering im Hills Audio, Santa Fe (NM) von Will Dyar

Bandmitglieder:

Gitarre – Ryan Traynor
Gitarre – Ryan Dooley
Gitarre – Matthew Vincenty
Bassgitarre – Derek Dooley
Schlagzeug – Jesse Vengrove (bei diesem Album hat allerdings Tim Schmoyer am Schlagzeug gesessen)

Tracklist:

  1. Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White as Snow;
  2. Though They be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool.

Wenn man, wie ich, gern neue Bands entdeckt, gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Ich lasse mich zum Beispiel gern von Empfehlungen inspirieren, die in meinen verschiedenen Facebook-Gruppen so gegeben werden. Dabei bin ich dann in Kontakt mit der amerikanischen Band Glacier gekommen, die mich auch direkt gefragt hat, ob ich nicht ein Review zu ihrem am 07.07.2017 veröffentlichten Album mit dem ewig langen Titel Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White As Snow; Though They Be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool. schreiben möchte. Im Grunde ist dieser Titel nur eine Aneinanderreihung der Tracknamen von A- und B-Seite des Albums, und bevor Ihr Euch fragt „was soll das denn“? Ja, dieses Album wird auf der Bandcamp-Seite von Glacier tatsächlich erst einmal in der Vinyl-Ausführung angeboten, erst darunter wird dann die CD-Version bzw. der Download genannt.

Gegründet wurde Glacier bereits im Jahr 2012 und hat vor diesem Album drei Veröffentlichungen angeboten, die ebenfalls auf der Bandcamp-Seite zu finden sind. Dabei beschreiben sie ihr Genre auf ihrer Facebook-Seite selbst als „Instrumental Sad Rock“, und auch das amerikanische Label heißt ja No Happy Music. Was den letzten Output Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White As Snow; Though They Be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool. betrifft, kann ich das „sad“ eigentlich streichen, wobei fröhlich natürlich auch anders ist.

Allein beim Bandnamen Glacier spüre ich schon einen Anflug von Kälte. Das verstärkt sich gleich, als Though Your Sins Be As Scarlet, They Shall Be White As Snow; mit seinen sägenden Gitarren startet. Die Raumtemperatur sinkt gefühlt gleich mal um einige Grade, und mit Einsetzen des Schlagzeuges, das dann zumindest ansatzweise so etwas wie einen sehr doomigen Rhythmus vorgibt, während die Gitarren weiter sägend aus den Boxen schallen, entsteht dann vor meinem geistigen Auge das Bild eines riesigen Gletschers, der sich über tausende von Jahren langsam bergabwärts ins Tag bewegt. Langsam ist dieser Track auch überwiegend gehalten, aber das ist nicht mit Langeweile zu verwechseln. Die Jungs von Glacier walzen nichts in unerträgliche Breite aus, sondern wissen ganz genau, wann sie wieder einen kleinen Glanzpunkt setzen müssen. So ertönt nach ungefähr vier Minuten zum ersten Mal die Leadgitarre, ab der Mitte des Songs wird eine Rede eingespielt, von der ich mal denke, dass hier etwas Religiöses gelesen wird. Weiter geht es mit einem repetitiven aber sehr schönen Gitarrenspiel, in das immer mal wieder die anderen Mitglieder der Saitenfraktion einsteigen. Auch ab ungefähr der neunten Minute gibt es wieder eine Rede, jetzt darf sich aber Tim an den Drums mal richtig austoben und mit Begleitung der Saitenfraktion den Spannungsbogen sehr stramm ziehen. So geht dann das gesprochene Wort unter seinem Spiel mehr oder weniger komplett unter. Tempo wird jetzt nicht mehr aufgenommen, der Gletscher wälzt sich langsam aber unaufhörlich weiter zu Tal und nimmt dabei immer mehr an Volumen zu.

Auch Though They be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool. startet sehr ruhig, die sägenden Gitarren wabern zunächst nur bedrohlich im Hintergrund, drängen sich aber nach und nach immer näher zum Ohr des Hörers. Ab ungefähr Minute vier steigt wieder Tim mit seinem sehr kraftvollen Schlagzeugspiel ein, der Zug nimmt langsam aber unaufhörlich Fahrt auf. Was sich dann nach weiteren zwei Minuten Bahn bricht, kann man eigentlich nur mit „moderner Kunst“ beschreiben. Tim gibt einen Takt vor, an den sich die Saitenfraktion scheinbar überhaupt nicht hält, jeder scheint sein eigenes Ding zu spielen, aber das ist ein dermaßen präzise aufeinander abgestimmtes Epos, dass ich mich, wie so oft im Post Rock, mal wieder frage „wie geht das?“. Und wenn man nach ungefähr achteinhalb Minuten denkt, es wäre Schluss, wabert im Hintergrund zunächst eine Gitarre weiter, nach und nach gesellen sich die anderen wieder dazu, spielen mit Delays und anderen Effekten, mit unterschiedlichen Tonlagen und Griffarten. Aber bevor man in diesem doomigen Sound komplett untergeht und die Welt um sich herum vergisst, legen die Jungs dann tatsächlich nach ungefähr elf Minuten von jetzt auf gleich noch mal ordentlich zu, um dann auch diesen Track so ruhig und doch mit einer gewaltigen Soundwand und sägenden Gitarren ausklingen zu lassen.

Zu Though They be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool. haben die Jungs von Glacier gerade ein Video mit Aufnahmen der Livesession aus dem Studio eingestellt, das es hier zu sehen gibt. Das sind 16 Minuten zum Genießen:

Fazit: Reviews zu Post Rock-Scheiben könnten immer zu ganzen Büchern geraten, wenn man alles beschreiben wollte, was in den Songs passiert. Selbst dann würde man aber wahrscheinlich den Künstlern nicht gerecht, die ja nicht nur auf Tempo, Rhythmus, Effekte oder Griffarten heruntergebrochen werden wollen, sondern den Hörer mit ihrer Musik in eine andere Welt mitnehmen wollen. So versuche ich halt, mich auf die markanten Punkte zu konzentrieren und kann nur allen Post Rock-Freunden, oder denen, die es werden wollen, empfehlen, sich das Werk auf der Bandcamp-Seite von Glacier anzuhören und sich dann bei Gefallen zuzulegen. Aber Achtung: Sehr hohes Suchtpotenzial!

Anspieltipps: mir gefällt Though They be Red Like Crimson, They Shall Be As Wool. wegen der Temposteigerung ein wenig besser, aber das ist marginal. Die Scheibe ist großartig!
Heike L.
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