Falling In Reverse - Frankfurt - 2024

Falling In Reverse am 29.11.2024 in der Festhalle Frankfurt

Fette Show, Riesen-Ego und ökologische Versäumnisse

Headliner: Falling In Reverse 

Vorband: Hollywood Undead 

Ort: Festhalle Frankfurt, hochverlegt von Stadthalle Offenbach

Datum: 29.11.2024 

Kosten: VVK 62,60 € 

Genre: Metalcore 

Besucher: ca. 8000 

Setlist: 

  1. Prequel
  2. Zombified
  3. I’m Not A Vampire
  4. Fuck You And All Your Friends
  5. Bad Guy
  6. Losing My Mind
  7. The Drug In Me Is You
  8. Situations
  9. All My Life
  10. Popular Monster
  11. Voices In My Head
  12. Ronald
  13. Watch The World Burn 

 

Es ist der 29. November, und ab 17:30 Uhr versammeln sich mit mir etwa 8.000 Fans in der laut Veranstalter ausverkauften Frankfurter Festhalle, um die US-Giganten Falling In Reverse und den eigentlich nicht weniger legendären Supportact Hollywood Undead live zu erleben. Das Publikum ist erstaunlich homogen, gefühlt sind neunzig Prozent zwischen 20 und 40 Jahre alt, und wer den umliegenden Gesprächen lauscht, dem entgeht nicht eine gewisse Skepsis, die über diesem Konzertabend liegt. Die laufende Tournee war geprägt von kurzfristigen Absagen, zuletzt sogar nur Stunden vor Beginn. Mit Würzburg, Tilburg, Budapest, Wien und zuletzt Prag waren fünf von 16 Shows mehr oder weniger sehr kurzfristig seitens des Headliners abgesagt worden. Kein Wunder also, dass viele – mich eingeschlossen – am heutigen Tag bis zuletzt auf Instagram nach Updates suchen, hoffend, dass keine Nachrichten gute Nachrichten sind. Und ja, Frankfurt steht.

Wer schon pünktlich zum Einlass da ist, hat meist Hunger, und obwohl das kulinarische Angebot solide ist, lässt die Speisekarte mein überwiegend pflanzenbasiertes Genießerherz etwas seufzen, die Auswahl ist leider ernüchternd. Bewusste Ernährung ohne Tierausbeutung scheint hier jedenfalls noch keinen Einzug gefunden zu haben. Das Bier ist mit einem Preis von 5,50 € ebenfalls am oberen Rand der Schmerzgrenze, aber da es laut Veranstalter noch zwei Stunden bis Beginn sind, vertreibt man sich eben mit zwei etwas teureren und dafür gediegenen Bieren und überbackenem Käsebrot die Zeit. Ein kurzes Gespräch mit einem Crewmitglied offenbart mir außerdem, dass mein Fotopass heute wertlos ist – auch mit Pass kommt heute keiner in den Fotograben oder hinter die Bühne, und so muss die Konzertkritik heute mit Fotografien allein aus dem Publikumsbereich auskommen.  

Pünktlich um 19:30 Uhr eröffnen Hollywood Undead den Abend. Überraschend schnell fühle ich mich direkt 12 Jahre jünger, wenn die Jungs mit Hits wie Everywhere I Go, Coming In Hot, Bullet oder Undead mal eben den Soundtrack meiner Teenager-Zeit durch den Raum ballern. Erinnerungen an die ersten Erlebnisse mit allem, was blau macht, die erste Romanze, lange Nächte mit besten Freunden und wenig Schlaf, schlechte Schulnoten und große Träumen kommen hoch. Damit legen die Jungs aus Kalifornien die Messlatte ziemlich hoch. Der Sound ist top, die Performance sitzt, sechs Musiker wuseln quer über die Bühne und scheinen im Kern noch immer die chaotischen Jugendlichen zu sein, die sie vor 25 Jahren auch schon waren. Musikalisch und stimmungsmäßig haben sie es jedenfalls noch drauf. Als die Band ihren zwar nicht größten, mit Abstand aber besten Hit Hear Me Now ballert, winken 8000 Arme durch die Luft, die Party ist in vollem Gange. Nach einem kurzen Ausflug in Richtung Neil Young verabschiedet sich die Gruppe, sichtlich zufrieden, glücklich und dankbar. 

Hollywood Undead – Frankfurt – 2024

Falling In Reverse: Klartext.

Was dann folgt, ist kein Konzert, sondern eine beispiellose Inszenierung. Falling In Reverse fahren buchstäblich alle Geschütze auf, und mittels riesigem LED-Screen und fetter Pyroshow folgt ein schamlos ausgeschlachteter Personenkult um das personelle Herzstück der Band, die eigentlich eine One-Man-Show des umstrittenen Frontmanns Ronnie Radke ist.  

Auf einem riesigen LED-Screen sehen wir die Band zunächst backstage, begleitet von AC/DCs Highway To Hell. Als die Gruppe um Ronnie mit dem Opener Prequel die Bühne betritt, entfaltet sich langsam die epische Wucht des Songs, visuell untermalt vom Musikvideo, das stellenweise an das diesjährige Kino-Highlight Dune, aber mit deutlicherer und epischerer Jesus-Storyline und Ronnie als Möchtegern-Messias erinnert. Das Konzept, auf dem Screen das jeweilige Musikvideo einzublenden, verfolgen Falling In Reverse die restliche Show auch weiterhin, und es geht meisterhaft auf. Man kann Ronnie viel nachsagen, aber seine Selbstinszenierung als Heilsbringer, Märtyrer, Superheld etc. wirkt – seine Ausstrahlung wird durch den Screen potenziert, seine Vocal-Range ist beeindruckend, und schon beim Opener bleibt der Eindruck, dass dieser Mann nicht unverdient zu den Superstars der Szene gehört. Die Show ist jedenfalls bis ins letzte Detail durchdacht und qualitativ auf höchstem Level. Nach dem Opener schließt sich mit Zombified ein weiterer Hit vom neuen Album an und weckt alle endgültig auf, bevor es mit I’m Not A Vampire und Fuck You And All You Friends in ältere Gefilde der Banddiskografie geht.

Falling In Reverse – Frankfurt – 2024

Vom neuen Bad Guy abgesehen, verbleibt die Band nun auch erst mal bei älteren Nummern inklusive eines Covers von Ronnies Ex-Band Escape The Fate, Situations, bevor die Jungs die gesamte Palette ihrer größten Hits, übrigens allesamt in den vergangenen vier Jahren erschienen, verballert. All My Life, Popular Monster, Voices In My Head sowie die beiden endlos epischen und zeitlos legendären Ronald und Watch The World Burn heizen zum Ende der Show gnadenlos ein. Die Band zeigt keine Schwächen, dafür umso mehr Humor, als sie aufgesetzt angepisst die Bühne verlässt, nur um von einem schreienden Klischee-Deutschen mit Wildwest-Knarre auf die Bühne zurückgescheucht werden – alles live per Screen in die Halle übertragen. Doch musikalisch gibt es nichts zu bemängeln: Die Pyroeffekte sind spektakulär, die Videos auf der Leinwand setzen die Songs perfekt in Szene. Auf etablierte Gepflogenheiten wie das Verlassen der Bühne vor der Zugabe verzichten die Jungs, und so endet das Set 75 Minuten nach Beginn ohne Zugabe, die allerdings auch nicht nötig gewesen wäre. Dass der Konzertabend rund war und alle auf ihre Kosten gekommen sind, würde in diesem Moment kaum jemand bestreiten.

Ein bisschen irritierend wirkt es, dass Ronnie während der Show mehrmals seine Dankbarkeit dafür ausdrückt, dass die Halle mit 8000 Besuchern restlos ausverkauft sei. Die Zahl mag beeindruckend sein, wirkt allerdings dennoch etwas seltsam, nachdem die Ränge allesamt leer bleiben und die volle Kapazität der Halle tatsächlich um 7000 Besucher unterschritten ist. Ronnies Ego, das sich nach den Streichungen der Konzerte in kleineren Hallen während der laufenden Tour tausendfach den Vorwurf gefallen lassen musste, nur noch in Hallen vom Format einer Arena spielen zu wollen, wird allerdings über diesen Schönheitsfehler hinwegsehen können.  

Falling In Reverse in Frankfurt war jedenfalls in jeder Hinsicht ein Spektakel. Die Musik, die Show und die Inszenierung waren jeden Cent wert. Ronnie Radke mag polarisieren, doch sein Talent und seine Fähigkeit, ein Publikum in den Bann zu ziehen, sind unbestreitbar. Sonst noch Fragen? Ja! Warum in aller Welt bringt man es in der bedeutendsten Konzerthalle einer verdammten Finanzmetropole wie Frankfurt eigentlich nicht fertig, ein Pfandsystem für Mehrwegbecher verpflichtend einzuführen? Dass der Boden nach dem Konzert jedenfalls von tausenden zertretenen Einweg-Bierbechern aus Plastik übersät ist, ist nicht nur unschön anzusehen, sondern ökologisch unverantwortlich und im Jahr 2024 nicht zeitgemäß. Schämt euch dafür.
Sonst war’s nämlich geil. Danke.