“Hardcore bar aller Konventionen“
Artist: Heavy Breath
Herkunft: New Haven, USA
Album: Jumps The Shark
Spiellänge: 37:53 Minuten (inkl. Bonus-Songs 55:55 Minuten)
Genre: Experimental Hardcore
Release: 08. Juni 2015
Label: Ear One Productions (Indie Label) / Swell Creek Records
Link: https://heavybreath.bandcamp.com/
Bandmitglieder:
Gesang, Synthesizer – Kilian Appleby
Gitarre, Gesang – Corey Fruin
Gitarre, Gesang – Grady Hearn
Schlagzeug, Gesang – Chris Mala
Lead-, Rhythmus- und Synthie-Bass – Mike Tobey
Gastsänger – Ryan White
Saxophon – Mark Field
Zusätzliche Gitarren, Synthesizer – Ian Bates
Tracklist:
- The Screw
- Hollow
- Digital Arms
- Consume
- Three Weeks
- Yeezus
- The Futurist Manifesto
- The Taste Of Punk To Cum
- Firebrand Sex
- Dave Franco
- Johnny’s Not Okay
- A New Contagion (Bonus)
- Bad Water (Bonus)
- Chekhov S Bomb (Bonus)
- Be The Prometheus (Bonus)
- I’m A Motherfucking Weak Man (Bonus)
Die fünf Jungs von Heavy Breath aus Connecticut, genauer gesagt New Haven scheinen den Begriff Konventionen nicht zu kennen. Ihr erster und leider auch letzter (dazu später mehr) Longplayer gleicht einem Hardcore-Ungetüm, das gnadenlos durch die Musikgeschichte faucht und dabei allerlei verschluckt, was sich nicht wehren kann. Heavy Breath bringen es in ihren sechs Jahren Bandgeschichte auf insgesamt fünf EPs, darunter eine Split-EP mit der Band Dagwood. Jumps The Shark ist nun ein 11 Stücke starkes Gesamtwerk (in der Bonusversion plus weiteren fünf Songs), das vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Man tut, wozu man Lust hat und das können Westernklänge oder auch ein ziemlich freies Saxophon-Solo sein. Sänger Kilian singt und schreit sich die Seele aus dem Leib, dass es einem durch Mark und Knochen fährt. Die limitierte Vinyl-Version wurde ursprünglich auf dem Indie-Label Ear One Productions veröffentlicht. Die um die erwähnten fünf Bonustracks angewachsene CD-Version veröffentlichte man in Kooperation mit dem Hamburger Hardcore-Label Swell Creek Records, auf dem auch Hardcore-Urgesteine wie JR Ewing beheimatet sind.
The Screw eröffnet den musikalischen Sonderling experimentell – mit westernlastigen Slidegitarren, die an Every Time I Die erinnern. Zur Songmitte überrascht ein lupenreines Rage Against The Machine-Zitat, obgleich sie die Crossover-Götter auch als Einfluss nennen. Hollow ist schroff, roh und wütend und der Name Converge schießt einem in den Kopf. Consume scheint träge und frustgeladen. Ein zynisches „Ha ha ha ha ha ha“ verleiht dem Song rhythmisch mit einer gewissen Überheblichkeit seinen speziellen Charakter. Dieses Album ist Streitsucht pur. Yeezus eröffnet mit einem „Personal Jesus“-Zitat in guter alter Depeche Mode-Manier, gefolgt von discoartigen Synthesizern und effektzer- und -verstörten Gitarren, die ein dominanter, monotoner Basslauf jenseits des 12. Bunds überlagert.
The Future Manifesto mutet nach einem seichten melodischen Intro an wie ein Western-Blackmetal-Song, den man durch eine Armada an Effektschleifen gejagt hat und am Ende noch im Tempo anzieht, um nahtlos in den nächsten Song The Taste Of Punk To Cum – eine unstreitbare Referenz zu Refuseds The Shape Of Punk To Come – zu schwenken.
Plötzlich sieht sich der Zuhörer anstatt mit grellen Screams mit einer zitternden Melodiestimme konfrontiert, die auch vor den Kopfstimmlagen keinen Halt macht – bis man gegen eine massive Streicherwand gepaart mit angezerrtem Bass und extrem verzerrten Gitarren gedrückt wird. Und dann kommt da Firebrand Sex, ein Song der erst einmal weniger überraschend wirkt, bis das Saxophon-Solo einsetzt. Eine Art mundstückgewordene Gitarrenrückkopplung. Und auch hier finden sich wieder kleine RATM-Anleihen. Was ist da gerade passiert?
Das nächste Stück Dave Franco ist eine satte Up-Tempo- Nummer mit verschobenen Takten und einer Menge Wut. Aber Heavy Breath wären nicht sie selbst, wenn sie nicht auch hier zu überraschen wüssten – dieses mal in Form eines schallplattenkratzenden Sample-Outros eines 20er Jahre Klagelieds, interpretiert durch eine weibliche, falsettgleiche Stimme, begleitet lediglich von einem Klavier. Johnny’s Not Okay ist vielleicht das straighteste und melodiöseste Lied der Platte, das schon fast dem Emo zugerechnet werden könnte. Am Ende überrascht ein, durch die passende, westernartige Gitarrenlinie unterstützter Galopprhythmus, der dem Song irgendwie eine gewisse Ironie verleiht.
Bad Water, einer der Bonustracks liefert mit einem gesangsrhythmischen Zitat am Ende ein weiteres, eindeutiges Indiz, dass man einen gewissen Faible für Refused, hier speziell New Noise hegt. Die drei geschrienen Silben „The New Beat“ drängen sich hier quasi bettelnd auf. Be The Prometheus weiß mit einer schicken Bassdrum-Triolenvariation als Kontrast zu Tom-Läufen zu überraschen. Der letzte Bonus-Track „I’m A Motherfucking Weak Man“ bewegt sich in klassischen Hardcore-Strukturen und erinnert gesanglich an frühe Suicidal Tendencies oder Faith No More zu anfänglichen Chuck Mosley-Zeiten.
Von 01:30 Min. bis 06:09 Min., von elektronisch bis handgemacht, von laut bis leise ist auf dieser Platte wirklich alles dabei. Das muss man erst einmal verkraften (können). Fans von Converge, Refused, Every Time I Die oder den ebenso furchtlosen Grace Will Fall aus Schweden kommen nicht umhin, sich Jumps The Shark anzuhören. Wie das Ganze live klingt und was es mit dem Zuschauer macht, wird man hierzulande jedoch leider nie erfahren können:
„So rather than fade out over the next couple of years as we get increasingly bitter and jaded, we’ve chosen to end things on our terms.“
Diese Ankündigung gab die Band am 10. Juli diesen Jahres bekannt.
„Unfortunately, time has taken its toll on us and as we’ve all grown older, wiser, (slightly) more responsible, busier and hopefully more adult, it’s become increasingly difficult to dedicate the 110% we put into every song, record and gig.“
Schlagzeuger Chris scheint sogar bereits nach Georgia gezogen zu sein. Die Band verabschiedet sich mit einem letzten Gig dort, wo alles angefangen hat am 19. August 2016 nach (nur) sechs Jahren Bandgeschichte.