Undergroundlabels der „New Wave of British Heavy Metal“ – Teil 1

Heute: Neat Records

Viele metallische Perlen hätten ohne die enthusiastische Arbeit von Undergroundlabels niemals das Licht der Welt erblickt. Das war vor 40 Jahren nicht anders als heute. Heute sind die Namen der Labels Dying Victims Prodcutions oder No Remorse Records. Wir wollen aber zwei Labels unter die Lupe nehmen, die an der Verbreitung der NWoBHM großen Anteil hatten. In den folgenden Zeilen geht es um Neat Records. Uns geht es vor allem um bereits vergessene Perlen, die aber auch heute noch hörenswert sind. Damit die Listen nicht endlos werden, haben wir uns auf zehn Bands je Label beschränkt.

1979 in Newcastle gegründet, wurde Neat Records 1995 vom ehemaligen Tygers Of Pan Tang-Sänger Jess Cox an Sanctuary Records verkauft. Nach der Gründung wurde aus dem Independent Label schnell ein reines Metal Label. Ein Mitarbeiter von Neat Records war Conrad „Cronos“ Lant, der sich in kleinen Clubs und Läden herumtrieb und dabei die eine oder andere Perle der NWoBHM entdeckte. Seine eigene Band Venom nutzte Neat Records als Sprungbrett für die Scheibe Welcome To Hell und brachte Thrash und Black Metal ins Rollen. Weitere bekannte Veröffentlichungen sind Raven mit Rock Until You Drop oder Court In The Act von Satan.

Es soll jedoch nicht um die Sachen gehen, die sowieso bekannt sind, sondern um vergessene Perlen. Voraussetzung ist, dass ein Full Length Release vorliegt.

Atomkraft – Future Warriors (VÖ: 1985)

Ein Heimspiel haben Atomkraft. 1979 gründete sich die Truppe und landete mit dem einen oder anderen Track auf einem Demo-Sampler. 1985 ist es dann so weit. Future Warriors nennt sich das Debüt und bereits der Anfang macht klar, dass es hier anders zur Sache geht als zu den Anfängen der NWoBHM.

Der Titeltrack ist ein angeschwärzter Speed-Metaller, Starchild nimmt das Tempo runter und stampft im frühen 80er-Jahre-Style durch den Gemüsegarten. Das kurze Luftholen endet mit Dead Man’s Hand, bevor Total Metal das liefert, was der Titel verspricht, und die A-Seite endet. Die B-Seite poltert genauso weiter, wie die A-Seite endet, sodass der Eindruck entsteht, dass Atomkraft es eilig haben.

Fazit: Empfehlung für Speed und Tempo Freaks.

Avenger – Blood Sports (VÖ: 1984)

Ebenfalls aus Newcastle kommen Avenger und haben mit Ian Swift einen der frühen fehlgeschlagenen Satan-Vokalisten an Board. Die aktiven Zeiten der Band erstrecken sich über verschiedene Phasen. Die frühe Phase startete 1982 und endete 1986, wobei 1985 mit Killer Elite eine weitere Scheibe folgt. Seit 2007 ist die Truppe zumindest wieder aktiv, wobei es sich primär um Live-Aktivitäten handelt. Aber auch die LP The Slaughter Never Stops aus dem Jahr 2014 steht auf der Habenseite.

Avenger sind weit weniger schnell als Satan oder Atomkraft. Primär stampfen Nummern wie Enforcer, Matriach oder das balladeske fünfminütige Warfare genüsslich durch die Landschaft und sollten NWoBHM-Fans erfreuen.

Fazit: Ist etwas für Enthusiasten und Fans der klassischen NWoBHM.

Axewitch – Visions Of The Past (1984)

Wie kommt eine Band aus Linköping, Schweden, zu einem Label nach Newcastle, England? Von 1981 bis 1987 waren die Schweden in der ersten Phase aktiv und gewannen unter anderem einen Songcontest. Der Gewinn war eine kostenfreie Aufnahme, und das Ergebnis nennt sich Pray For Metal, die 1982 als EP veröffentlicht wurde. Die erste LP The Lord Of Flies folgte bei einem Stockholmer Label und sorgte für erhöhte Aufmerksamkeit. Der Sprung nach England sollte den großen Erfolg mit Visions Of The Past bringen. Allerdings erwies sich der Gang über die Landesgrenze als Fehleinschätzung. Die Veröffentlichung über das englische Label brachte nicht den gewünschten Fan-Zuwachs. LP-Nummer drei, Hooked On High Heels, wurde wieder nur in Stockholm eingespielt und veröffentlicht, jedoch mit einem stark veränderten Line-Up.

Der Auftakt Visions Of The Past ist ein eingängiger Metaller uns sticht auf der A-Seite hervor. Auch bei Tonight setzen die Protagonisten auf Ohrwurmeffekt, der aber von den schreddernden Saiten kannibalisiert wird. Mehr als aufhorchen lässt die Powerballade Heading For A Storm, der so auch von Hammerfall in den 90ern stammen könnte, jedoch mit einer anderen Aufnahmequalität. Sachen wie Stand Up, Born In Hell oder Time To Live sind starke Headbanger, die den 80er-Jahre-Freaks munden sollten.

Fazit: 80er-Jahre-Metal-Fans, die Axewitch nicht kennen, können bedenkenlos zugreifen.

Fist – Back With A Vengeance (VÖ: 1982)

Zurück nach Newcastle und zur Band Fist, die bereits 1980 Turn The Hell On bei MCA Records veröffentlichten. Mit Back With A Vengeance folgt der zweite Streich zwei Jahre später. Wer seine ersten Sporen noch Ende der 70er verdient hat, der agiert mehr im Hard Rock. Das trifft auch auf das Quartett Fist zu. Nummern wie S.S. Giro versprühen leichte Motörhead-Vibes, Too Hot oder The Feeling’s Right kommen über den Status eines Standard-Rockers der 80er-Jahre nicht hinaus. Aber auch Proto-Metal, wie bei Dog Soldier oder All I Can Do, können Fist und laden zum Mitgrölen ein. Der Ohrwurm folgt zum Ende der LP und nennt sich Going Wild Tonight.

Fazit: Wer UFO zur NWoBHM zählt und eher die rockige Seite der Welle mag, sollte Fist antesten.

Hellanbach – Now Hear This (VÖ: 1983)

Pure Fucking Underground sind Hellanbach aus dem englischen South Shields. Von 1979 bis 1985 lärmte sich der Vierer durch die englischen Clubs und hinterließ mit Now Hear This und The Big H zwei Longplayer.

Dancin‘ ist nicht angesagt, eher Headbangen oder einen Moshpit anzetteln. Schön wäre es, wenn die Instrumente zumindest etwas mehr mit den Vocals agieren würden. Taken By Suprise hört sich an, als wenn Sänger Jimmy Brash alles überlagert. Selbst das eingestreute Solo hat nicht den Punch, wie die Vocals. Wobei Punch generell eine Übertreibung ist. Vieles klingt eher nach Demo. All The Way als vorletzte Nummer macht da keinen Unterschied und ein Lächeln begleitet Everybody Wants To Be A Cat. Bei der Musik aber bitte eine Katze, die mit ihrem Gejaule das Gerumpel von Hellanbach übertönt. Dass kein Label irgendwann auf die Idee gekommen ist, das Material noch mal anzuheben, spricht eine deutliche Sprache.

Fazit: Wenn 80er-Jahre-Demos und rumplige Instrumente kein Hindernis sind, geht auch Hellanbach.

Phasslayne – Cut It Up (VÖ: 1985)

Zurück nach Newcastle und zu einer Band, die nur von 1982 bis 1985 aktiv war. In der Zeit legte das Trio zwei Demos, eine EP und die LP Cut It Up auf den Tisch. Trios und die NWoBHM? Da fällt doch sofort der Name Raven. Schnell sind auch Phasslayne, aber nicht so schnell wie Raven. Der typische Sound des 80er-Jahre-Heavy-Metal gibt es auf die Ohren, angereichert mit Tempo und doppelten Gesangsspuren. Picture Me oder Don’t Walk Away liefern solide späte NWoBHM-Kost, die nicht zum Genre-Highlight zählt, sich aber durchaus hören lassen kann.

Fazit: Kein Highlight, aber insgesamt solider Metal der abflauenden Welle.

Saracen – Change Of Heart (VÖ: 1984)

1976 gegründet, 1985 lösten sich Saracen aus Matlock in der Grafschaft Derbyshire auf. Es gibt Keyboardklänge und der Sound lässt sich zum Beispiel mit Demon oder Quartz vergleichen. Der Opener We Have Arrived ist unglaublich melodiös und schmiegt sich in die Ohren der Hörerschaft, sodass sich AOR-Vergleiche aufdrängen. Das Thema verstärkt sich bei Love On Sight oder Julie, sodass Passagen an die englischen Melodic-Rocker Magnum erinnern.

Nach knarzendem Metal klingen Saracen nicht, aber nach authentischem UK-Rock, mit gelegentlichen metallischen Ausflügen der Saiten. Sänger Steve Bettney hat immer die Melodie auf den Lippen und das Keyboard begleitet ihn. Den Status der NWoBHM haben sich Saracen bereits 1981 mit der LP Heroes, Saints & Fools verdient.

Fazit: Die Mischung aus Demon und Magnum wird beinharte Metaller nicht abholen. Wer auf eine runde Melodie steht, kommt voll auf seine Kosten.

Tysondog – Beware Of The Dog

Was für ein Hund? Conrad “Cronos” Lant legte Hand an die Produktion von Beware Of The Dog und steuerte zu Demon Backing-Vocals bei. Er selbst stufte Tysondog als Judas-Priest-Imitation ein und war nur bedingt begeistert. Mit Crimes Of Insanity 1986 folgte noch eine zweite LP, ehe Tysondog sich 1987 auflösten. Seit 2008 ist die Truppe wieder aktiv und veröffentlichte sogar neues Studiomaterial.

Judas Priest ist ein Stichwort, Clooven Hoof oder Blitzkrieg gehen in eine ähnliche Richtung. Sachen wie Hammerhead oder das bereits angesprochene Demon atmen nahezu die NWoBHM. Es verwundert nicht, dass es sogar Pläne für eine Tour durch die USA gab, die an der notwendigen Arbeitserlaubnis scheiterte.

Ob mit Tempo (The Inquisition, Dead Meat) oder als Stampfer (Painted Heroes): Tysondog und Beware Of The Dog liefern alle Trademarks einer starken NWoBHM-Scheibe, wo es zum Ende sogar episch zugeht (In The End).

Fazit: Ein Must-have für NWoBHM-Fans.

War Machine – Unknown Soldier (VÖ: 1986)

Aus dem Umfeld von Atomkraft kommen War Machine, die 1986 eine LP veröffentlichten und danach im Nirvana verschwinden. Die Truppe ist nicht so temporeich wie Atomkraft unterwegs, die Truppe möchte mit klassischem Heavy Metal die Gehörgänge erobern.

Sängerin Bernadette „Bern“ Mooney dürfte ein Knackpunkt sein. Die Vocals wirken gezwungen und gepresst und kommen nicht so rüber, wie bei anderen Genrevertretern. Musikalisch sind War Machine solide, gehören aber zu der bereits abflauenden Welle, in der Thrash und Speed der NWoBHM bereits den Rang abgelaufen hat.

Fazit: Wer den Gesang mag, bekommt ein gut hörbares Heavy-Metal-Album.

Warfare – Pure Filth (VÖ: 1984)

Hinter Warfare und Pure Filth steckt nicht der spätere Schreihals von Cradle Of Filth, sondern ein Trio um Drummer und Sänger Evo. Erst 1982 gegründet, springen Warfare in die Richtung der schnellen Musik. Das liegt auch an den Einflüssen von Evo, der sich klar hörbar im Punk heimisch fühlt.

Als Beispiel sei Total Armageddon (Full Scale Attack) erwähnt. Das Ding ist lupenreiner Punk Metal, wo nicht nur Sänger Evo mit seiner rotzigen Stimme Akzente setzt. Egal ob Noise, Filth And Fury, das thrashige Dance Of The Dead oder Breakout: Warfare ist schnell, aber nicht filigran.

Fazit: Früher Thrash mit Punk vermischt und immer geradeaus. Willkommen bei Warfare.