Rise Against – Nowhere Generation

Alles eine Frage der Generation?

Artist: Rise Against

Herkunft: Chicago, Illinois, USA

Album: Nowhere Generation

Spiellänge: 41:41 Minuten

Genre: Punkrock, Melodic Hardcore

Release: 04.06.2021

Label: Loma Vista Recordings / Spinefarm Records

Link: https://riseagainst.com/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Tim McIlrath
Gitarre – Zach Blair
Bassgitarre – Joe Principe
Schlagzeug – Brandon Barnes

Tracklist:

  1. The Numbers
  2. Sudden Urge
  3. Nowhere Generation
  4. Talking To Ourselves
  5. Broken Dreams
  6. Forfeit
  7. Monarch
  8. Sounds Like
  9. Sooner Or Later
  10. Middle Of A Dream
  11. Rules Of Play

„We are the orphans of the American Dream“ lautete bereits die klare Ansage im 2011er Hit Satellite. Jetzt ziehen die Chicagoer Platin-Punks von Rise Against endgültig einen Schlussstrich unter den sogenannten amerikanischen Traum. Die Politiker im Land der begrenzten Unmöglichkeiten (mir ist bewusst, dass es eigentlich anders lauten müsste) spielen ihre Macht weiter aus und dazu hat Frontmann Tim McIlrath Folgendes zu sagen: „Unsere Hoffnung auf dieser Platte ist es, die Leute wachzurütteln, auch wenn es ihnen unangenehm ist.“ Der Mittvierziger hat zwei Töchter und eine Gemeinschaft von Fans, die ihn dazu bewegten, wieder einmal lautstarke Texte gegen die Spaltung von Generationen durch soziale, wirtschaftliche und politische Instabilität zu schreiben. Daraus entstanden elf Songs für die kommende Platte Nowhere Generation.

Mit ihrer Reichweite zu Fans verschiedener Genres sind Rise Against auch im Jahr 2021 noch der relevanteste „große“ Punkrock-Act. Die Band setzt sich unermüdlich für die Rechte von LGBT, Tieren und den Umweltschutz ein. Diese „Stimme des Volkes“ erhebt sich erneut auf dem neunten Studioalbum. Musikalisch verpackt wurden die Texte wieder vom „fünften Bandmitglied“, dem Produzenten Bill Stevenson. Zusammen mit dem Team Jason Livermore, Andrew Berlin und Chris Beeble entstand Nowhere Generation im The Blasting Room in Colorado.

Auch wenn auf den letzten beiden Alben The Black Market (2014) und Wolves (2017) der Pop-Anteil erhöht wurde, hofft man als Fan der Band doch immer mal wieder auf einen stärkeren Fausthieb der Jungs aus „Windy City“. Mal sehen, was die neuen Songs zu bieten haben. Immerhin laufen die Singles Nowhere Generation und Broken Dreams schon eine Weile in meinem virtuellen Player. Allein der Titelsong hat mittlerweile fast vier Millionen Streams (!) weltweit.

Doch starten wir zunächst mit The Numbers: Dieser musikalische Aufruf zum Protest (Nein, die „Querdenker“ Idioten hat keiner gemeint) wurde vom amerikanischen Aktivisten Indecline auch visuell gekonnt in Szene gesetzt. Das sozialistische Arbeiterlied Die Internationale eröffnet den Song und wird dann sozusagen abgewürgt. Was dann folgt, ist nichts weiter als eine perfekte Mischung aus nostalgischen Gefühlen zur Band und dem etwas moderneren Sound von Rise Against – toller Einstieg.

Im zweiten Song Sudden Urge überkommt Tim McIlrath der plötzliche Drang, die ganze Stadt brennen zu sehen. Was durch die Gitarren einen griffigen Einstand erfährt, wird durch den etwas dahinplätschernden Refrain etwas verwässert. Zwischen The Numbers und Nowhere Generation eher ein kleiner Druckabfall.

„We are the nowhere generation, we are the kids that no one wants. We are a credible threat to the rules you set, a cause to be alarmed Dies sind nicht nur die ersten Zeilen des Titelstücks, sondern auch das Motto des neuen Albums. Das Lied hat mich von der ersten Sekunde an überzeugt und reiht sich nahtlos in die Reihe der Hits wie Savior, Satellite oder Give It All ein. Rise Against in Reinkultur. Das Gleiche gilt für Talking To Ourselves. Musikalisch treiben die Herren noch mehr nach vorne, während die Lyrics vom Wunsch handeln, gehört zu werden. Ein großer Teil davon, was die Band und ihre Fans ausmacht.

Broken Dreams wurde den Hörern bereits im September 2020 präsentiert. Wie schon erwähnt, läuft die Nummer nicht gerade selten in meiner Playlist. Dieser Song ist auch Teil des Soundtracks zur DC-Reihe Dark Nights: Death Metal. Der auch für Metalfans interessante Soundtrack erscheint am 16.07.2021 auf CD bzw. auf limitiertem Vinyl und liefert neben Rise Against Bands wie Mastodon und Carach Angren. „Nur“ eine Superheldenthematik war den Amerikanern wohl zu wenig, deshalb wird das Ganze gekonnt mit einer Machtfrage gewürzt: Was passiert, wenn man die Macht aus den Händen der Unternehmen und Aktionäre in die Hände der Menschen legt?

Von den ruhigeren RA-Stücken hat mir bisher ausschließlich das grandiose Hero Of War gefallen. Daran kann auch die Ballade Forfeit nichts ändern. Das ist angesichts der bis hierhin überwiegend starken Musik zu verkraften. Monarch schlägt dann gleich in eine andere Kerbe und liefert amtlichen Moshpit-Stoff. Gitarren und Bass galoppieren nebeneinander her und lassen im Refrain genug Luft, um die Faust gen Himmel zu strecken. Sounds LikeRise Against natürlich. Hier drückt das Quartett ebenfalls ordentlich aufs Gaspedal, allerdings mit mehr Melodien und prägnanteren Drums.

Sooner Or Later dürfte jeder Festivalbesucher den Text des nächsten Songs draufhaben. Bis zum Sommer 2022 haben Fans noch Zeit, diese geile Achterbahnfahrt auswendig zu lernen, dann kommen Rise Against u. a. zum Hurricane und zum Southside Festival. Was melancholisch anfängt, klingt im Refrain nach Abfeiern, als gäbe es kein Morgen: „Sooner or later we all have to go“ – scheiße, aber war.

Middle Of A Dream bricht wieder diese speziellen Melodic-Hardcore-Strukturen auf, die Fans seit über 20 Jahren lieben. Immer wieder lassen die anderen Instrumente dem Bass von Joe Principe Platz zum Atmen. Über allem thront Mr. McIlrath und reißt seine Stimmbänder auf unnachahmliche Weise in Fetzen. Was haben wir noch? Rules Of Play streckt dem amerikanischen System ein letztes Mal den Mittelfinger entgegen. Zwar eingängig, aber nicht mehr der große Reißer. Dafür haben andere Songs zu stark vorgelegt.

Rise Against – Nowhere Generation
Fazit
Neu erfunden haben sich Rise Against auf Nowhere Generation nicht und das ist auch gut so. Der Pop-Appeal der letzten beiden Alben wurde etwas zurückgefahren und es gibt wieder mehr Fuck-off-Attitüde wie Mitte der 2000er. Das gilt natürlich insbesondere für die Texte. Die Hitdichte ist für meine Ohren so hoch wie auf Black Market und Wolves zusammen. Punkrock for the masses – protest for the few.

Anspieltipps: Nowhere Generation, Talking To Ourselves, Broken Dreams und Middle Of A Dream
Florian W.
8.5
Leser Bewertung13 Bewertungen
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