Artist: Serum 114
Herkunft: Deutschland
Album: Im Zeichen Der Zeit
Spiellänge: 49:00 Minuten
Genre: Punkrock, Rock ’n‘ Roll
Release: 18.09.2020
Label: Napalm Records
Link: https://serum114.de/
Bandmitglieder:
Gesang – Esche
Bass – Markus
Gitarre – Thorsten
Schagzeug – Nils
Tracklist:
1. Abgefucktes Leben
2. Freiheit
3. Punkrockshow
4. Zuhause Ist Schön
5. Ein Teil
6. Zeichen
7. Wir Scheitern Voran
8. Jeden Tag Jede Nacht
9. Meine Band
10. Nein
11. Biest
12. Was Kann Der Mond Dafür
13. Zeit Steh Still
14. Unzerbrechlich
Serum 114 sind mir vor einer gefühlten Ewigkeit durch ihre eingedeutschte Coverversion von Social Distortions Through These Eyes über den Weg gelaufen. Die südkalifornischen Rock ’n‘ Roll-Helden sind nicht umsonst mit einer Nadel in meine Haut gestochen worden, sodass die Frankfurter Jungs um Sänger Esche – der übrigens immer noch wie ein junger Mike Ness klingt – bei mir sowieso einen Stein im Brett haben.
Mit dem 2011er Antiheld-Album (mit einer ziemlich fetten Coverversion von Slimes Brüllen, Zertrümmern Und Weg) und den Hits Die Stadt Die Wir Lieben sowie dem besten deutschen Social Distortion Song überhaupt, Der Weg Den Die Verlierer Gehen, ging es weiter bergauf.
Im Folgejahr kam Deine Stimme / Dein Gesicht mit den markanten Videoclips zu Mein letzter Gruß und Junge, Dein Leben und eigentlich müsste das Quartett in mindestens einer Liga weiter oben mitspielen.
Vielleicht war es die Split-Scheibe mit Frei.Wild aus dem Jahr 2011, die dem Quartett immer wieder das Label einer Grauzonen-Band aufgedrückt hat.
Serum 114 sind natürlich KEINE Band aus der bekloppten Grauzone, sondern haben seit jeher klipp und klar Stellung gegen rechts bezogen. Damit können wir dieses Thema auch final beenden und uns dem widmen, was wichtig ist und worauf es ankommt: die Musik.
Anno 2020 kann ich nach mehrmaligem Hören von Im Zeichen Der Zeit nichts anderes machen, als zu applaudieren.
Zum einen ist die Produktion laut, fett und vor allem differenzierter ausgefallen als auf dem Vorgängeralbum Die Nacht Mein Freund.
Zum anderen wirkt das Songwriting moderner und reifer, ohne auf Altbekanntes zu verzichten.
Abgefucktes Leben eröffnet die Platte noch in der typischen, ironisch-humorvollen Manier, wie man sie von den Großstädtern gewohnt ist.
Die leichten elektronischen Soundschnipsel im getragenen Freiheit zeigen dann das „neue“ Gesicht. Ziemlich starkes Video und ein Text, der gerade in diesen seltsamen Zeiten eine Ode an das Leben an sich ist. Chapeau, meine Herren.
Bock auf Rose Tattoo, D-A-D und alte Social D.? Dann viel Spaß mit Punkrockshow.
Live wahrscheinlich eine weitere Abrissbirne und ein lauter Gruß Richtung Orange County.
Oder doch eher gerade am Boden und die Wohnung voll mit leeren Weinflaschen, Pizzaresten und viel zu großen Bergen aus schmutziger Wäsche und dreckigem Geschirr? Dann dreht Jeden Tag Jede Nacht auf.
Hier offenbart sich auch der Unterschied zu vielen Genrekollegen: Die Band ist rauer und textlich um einiges griffiger als viele andere aus derselben Zunft. Und wenn es dann doch einmal sentimental wird, sorgt der Rock im Serumschen Roll dafür, dass es eben nicht in Richtung Schlager abdriftet. Stichwort Rheinterrassen.
Selbst die Ballade Wir Scheitern Voran – musikalisch ein ganz ruhiges Stück – wird durch Esches eindringlichen Gesang und den melancholischen Text nie peinlich oder platt. Und mit nicht mehr ganz zwanzig Jahren auf dem Buckel darf man auch mal ruhiger werden.
Den Humor und den Mittelfinger hat hier trotz aller Ernsthaftigkeit aber zum Glück niemand verloren.
„Meine Band kennt sich mit Fußball aus. Denn meine Band schießt gerne Eigentore […]“ aus Meine Band trifft da zumindest bei mir genau ins bull’s eye meines Humorzentrums.
Der Rauswerfer Unzerbrechlich entlässt den Hörer dann mit einem leichten Rumoren in der Bauchgegend nach circa fünfzig Minuten zurück in die eigene Realität, die vielleicht gar nicht so sehr von der soeben gehörten abweicht.
Serum 114 schaffen es, Punkspirit und erwachsene Reife miteinander zu verbinden. Immer noch irgendwie unbequem, mit genug Ecken und Kanten und stets glaubwürdig. Frankfurt ist immer noch der etwas andere, etwas dreckigere Gegenpol zu Düsseldorf und Berlin. Und das darf auch gerne so bleiben.