Avralize – Freaks

Freches Debütalbum zum Liebhaben und Ausrasten

Artist: Avralize

Herkunft: Rottweil, Deutschland

Album: Freaks

Spiellänge: 34:54 Minuten

Genre: Modern Metal, Metalcore

Release: 22.03.2024

Label: Arising Empire

Link: https://avralize.com/

Bandmitglieder:

Gesang – Severin Sailer
Gitarre – Philipp Tenberken
Bassgitarre – Valentin Noack
Schlagzeug – Bastian Gölz

Tracklist:

  1. Lotus
  2. Higher
  3. Bright
  4. Stab By Stab
  5. Canvas
  6. Alive
  7. Overdose
  8. Freaks

Viel zu lange hat sich unsere geliebte Metal-Szene mit Mauern und Scheuklappen selbst davon abgehalten, über den Tellerrand zu blicken. Vor allem seit Beginn der 2000er-Jahre versuchen immer mehr Bands diese angestaubten Ansichten der Vergangenheit, ja eben diese Mauer einzureißen und neue Elemente in altbekannte Konstrukte einzuweben. Das Label Arising Empire schickt jetzt einen weiteren Stern in die Umlaufbahn, um diese Mission fortzuführen. Die junge süddeutsche Band Avralize ist zwar erst im aktuellen Jahr mit ihrem Debütalbum am Start, hat aber in der Szene schon mächtig Sternenstaub aufgewirbelt. Die Bühnenbretter wurden u. a. zusammen mit Ghøstkid und Novelists zum Beben gebracht. Fans feierten in kleinen Clubs und bei großen Festivals (Southside, Hurricane) zu Modern-Metal-Klängen. Jeder Song des Albums wurde vorab als Single veröffentlicht und mit effektvollen Videos untermalt. Wie kometenhaft dabei der Aufstieg der Jungs ist, belegen die Zahlen: Den Song Freaks, der im September 2022 veröffentlicht wurde, klickten bisher ca. 1.500 Leute. Die drei Releases der letzten beiden Monate kommen bei YouTube hingegen insgesamt auf eine halbe Million Aufrufe. Fans und Kritiker überschlagen sich gleichermaßen in ihren Lobeshymnen. Ist der Hype gerechtfertigt oder doch nur heiße Luft?

Djentlemen, starten sie ihre Motoren. Leicht futuristisch angekratzte Sounds eröffnen in Lotus den Reigen aus Djent-Geballer, Electro-Beats und verträumten Melodien. Der Mix von Manuel Renner tönt klar definiert und druckvoll aus den Boxen. Über den Instrumenten thront Sänger Severin aka der „Schachbrettmann“ – schaut euch dazu gerne die Videos der Band an – und wechselt zwischen Cleangesang, Growls und angepissten Post-Hardcore-Shouts. Schon früh wird klar, dass der Fokus neben all der Wut auf tanzbaren Beats und eingängigen Refrains liegt. In den Texten verarbeiten Avralize immer wieder eigene Erfahrungen und persönliche Dämonen, ohne dabei ihre positive Energie einzubüßen. Wer sich den Ausgestoßenen, den Freaks, zugehörig fühlt, für den hat Severin die passenden Worte parat:

„Die Veröffentlichung von Freaks ist ein Weckruf für all die Menschen da draußen, die sich verloren, abgelehnt und abnormal fühlen. Nichts ist normal, nichts ist richtig oder falsch. Wir leben in einer Welt voller Regeln, aber wer hat das Recht, diese Regeln aufzustellen? Sie existieren unbewusst und können mit einem einzigen missbilligenden Blick zu Mauern werden. Mauern, die uns daran hindern, uns auszudrücken und unser wahres Ich zu finden.“ Severin Sailer, Sänger von Avralize

Der elektronische Einstieg zu Higher erinnert mich irgendwie an alte Rammstein, der Eindruck verfliegt jedoch recht schnell. Für Avralize heißt es bereits jetzt höher, schneller, weiter. Die Breakdowns werden fieser, der Refrain eingängiger, die eigenen Trademarks definierter. Man höre den unverschämt genialen Basspart von Valentin ab Minute 1:40. Die einzelnen Bandmitglieder werden von mir nur gezielt hervorgehoben, um hier niemanden auszuschließen. Die Band ist ganz klar der Star. Das beweisen auch Interview-Aussagen, in denen die Band stets betont, die Songs zusammen auszutüfteln.

Die Zeilen „Memories are chasing through my head, everytime I reach out it hurts so bad …“ in Bright wiegen den Hörer sanft in Sicherheit, bevor das Gedankenkarussell aus den Angeln gehoben wird. Ich fühle jede Sekunde und entdecke bei jedem Durchlauf neue Details: ein merkwürdiger Soundeffekt hier (3:09), ein klassisches Gitarrensolo dort. Kaum zu glauben, dass wir es hier mit „jungen Hüpfern“ zu tun haben, die gerade erst ihren Weg in die Musikszene gefunden haben.

Foto –  @fragilegold

„Boom na da ummmmmm na nema!“ Korn haben angerufen und gefragt, wo Avralize denn das Intro zu Stab By Stab gefunden haben. Der tief grummelnde Bass und die wirren Soundscapes geben sich mit wütenden Shouts und zerstörerischen Gitarrenriffs die Klinke in die Hand. Nu Metal hat halt immer noch seine Anhänger – zu Recht.

Wie weit die Jungs in Sachen Songwriting vorangeschritten sind, beweisen sie in Canvas. Kurze, dystopische Einleitung und dann ist hier aber Disco angesagt. Mich hält nichts mehr auf dem Sitz. Gitarren und Bässe schneiden durchs Fleisch, die Füße tippeln im Takt und dann dieser Refrain: „I’m feeling so defeated, look me in the eyes, tell me that we’re still not dead insidе, tell what keeps you breathing, what keeps you alive, fight thе good fight.“ Einfach nur überirdisch. Was kommt jetzt? Deathcore, Jazzcore und ein Saxofon-Breakdown. Damn, ich dachte, ich hätte schon alles gesehen und gehört. Avralize belehren mich eines Besseren. Was mich am Leben erhält, fragt die Band also? Musik wie diese!

Hat hier jemand Moshpit gesagt? Die Nummer Alive sagt bitte schön und gern geschehen. Kurz noch träumen und mit den Armen in der Luft die Seele aus dem Leib geschrien. Rap-Part? Klar doch! Stakkato, Mathcore und dann mit diesen Worten zur totalen Vernichtung: „We’re dead inside, Buried alive …“ Still sitzen ist bei dieser Band unmöglich.

Overdose war mein persönlicher Einstieg ins Avralize-Universum. Traumwandlerischer Beginn, eine Prise Sleep Token, Lyrics als Balsam für die Seele, Rakataka-Riffs und ein Solo zum Niederknien. Die Deathcore-Keule wird erneut ausgepackt und drischt in der Hand eines Höhlentrolls auf alles ein, was sich bewegt. Diese Überdosis an Gefühlen nehme ich gerne in Kauf.

Der Titelsong markiert den Rausschmeißer. Zunächst dominiert wieder etwas Nu Metal, bevor es tief in den Keller geht. Es groovt, es breakt und rundet das Debüt der Band hervorragend ab. Was bleibt mir noch zu sagen außer: Hach Jungs, ich hab euch lieb.

Avralize – Freaks
Fazit
Eine wilde, laute und ungestüme Party zum Einstand. Gespickt mit unzähligen Raffinessen und so viel Esprit, dass es einem die Freudentränen in die Augen treibt. Keine Frage, diese Jungs sind bereit für die Weltherrschaft!

Anspieltipps: Canvas, Alive und Overdose
Florian W.
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