Artist: Devil Sold His Soul
Herkunft: London, England
Album: Loss
Spiellänge: 61:11 Minuten
Genre: Post Hardcore, Alternative Metal, Post Metal, Progressive Metal
Release: 09.04.2021
Label: Nuclear Blast Records
Link: https://www.devilsoldhissoul.com/
Bandmitglieder:
Gesang – Ed Gibbs
Gesang – Paul Green
Gitarre und Klavier – Rick Chapple
Gitarre – Jonny Renshaw
Bassgitarre – Jozef Norocky
Schlagzeug – Alex Wood
Tracklist:
- Ardour
- Witness Marks
- Burdened
- Tateishi
- The Narcissist
- Beyond Reach
- Signal Fire
- Acrimony
- But Not Forgotten
- Loss
Können Devil Sold His Soul aus London das bisher magere Jahr im Genre Post Hardcore in die richtige Bahn lenken? A Day To Remember streuen auf ihrem kürzlich erschienenen Werk nur noch vereinzelt Hardcore-Elemente in ihre Popmusik ein und die Metalcore/Post Hardcore-Hybriden Architects brachten im Februar nicht mehr als eine halb gare Zwischenmahlzeit auf den Markt. Alternde Szenehelden wie Boysetsfire und At The Drive-In lassen bereits seit Jahren auf sich warten. Ebenfalls lange auf neues Material mussten Fans von Devil Sold His Soul warten: Das letzte Album Empire Of Light erschien bereits im Jahr 2012, die EP Belong Betray folgte 2014. Nachdem die Engländer einen Vertrag mit Nuclear Blast unterschrieben haben, erscheint im April das vierte Album mit dem Titel Loss.
Auf meinem Radar sind Devil Sold His Soul bisher nicht aufgetaucht, deshalb erst mal ein paar Fakten: 2004 wurde die Band von Sänger Ed Gibbs und den beiden Gitarristen Rick Chapple und Jonny Renshaw gegründet. Die anderen Gründungsmitglieder sind nicht mehr im aktuellen Line-Up zu finden. Die erste EP Darkness Prevails und das Debütalbum A Fragile Hope erhielten gute Kritiken und sorgten für Aufruhr im Underground. Ein erster Meilenstein gelang den Briten mit ihrem gefeierten zweiten Album Bleesed & Cursed. Die nachfolgenden Touren mit Bands wie Architects und Bring Me The Horizon sowie Gigs auf großen Festivals wie dem Download oder dem Full Force brachten der Band einen Ruf als energiegeladene Liveband ein.
2013 verließ Sänger Ed Gibbs die Band, weil er nach eigener Aussage nicht mehr hundertprozentig mit dem Herzen dabei war. Paul Green, Sänger bei The Arusha Accord, ersetzte ihn. Ed Gibbs kehrte jedoch 2017 zur Jubiläumstour von A Fragile Hope zurück und Devil Sold His Soul machten fortan mit zwei Sängern weiter.
2018 tourten Devil Sold His Soul erstmalig durch Asien und begannen mit dem Songwriting für das neueste Werk. Loss markiert nicht nur den ersten Release mit der Doppelspitze Gibbs und Green, sondern vollzieht auch eine Art der Trauerbewältigung aufgrund persönlicher Verluste aus dem familiären Umfeld der Band. Neben dem Tod nahestehender Menschen zieht sich ein weiterer roter Faden durch das Album, wie Paul Green erklärt: „Auch psychische Probleme hatten einen großen Einfluss auf unsere Leben – wie es bei so vielen Menschen der Fall ist. Lange Zeit habe ich gedacht, dass mich so etwas nie treffen würde. Ich habe die Schwere weder verstanden noch anerkannt, bis ich gezwungen war, mich mit meinen eigenen Themen auseinanderzusetzen und sah, wie auch andere Menschen, die ich für unverwundbar hielt, litten.“ Das klingt nach dem perfekten Soundtrack für den Schreiber dieser Zeilen.
Schon bei der vorab veröffentlichten Single The Narcissist erkennt man die Schwermut nicht nur in den Texten, sondern in jeder gespielten Note. Darüber hinaus wird man dem Sound von Devil Sold His Soul mit der Schublade Post Hardcore alleine nicht gerecht: Hier vereinen sich Elemente des Post Metal genauso wie progressive Klänge. Die facettenreichen Arrangements gipfeln darin, dass die beiden Sänger nicht nur genretypisch in Screams und Cleangesang aufgeteilt sind, sondern für beides gleichermaßen verantwortlich sind. Auch wenn ich sagen muss, dass ich Paul Green für den insgesamt stärkeren Frontmann halte. Bandmitbegründer Ed Gibbs ist hingegen sowohl optisch als auch stimmlich der Vorzeige-Emo schlechthin.
Wir starten mit Ardour in über eine Stunde Gefühlskino: Der Vorhang fällt und fragile Pianoklänge unterlegen den kurzen Vorspann, bevor die Screams und Shouts jeden Anflug von Gefühlsduselei niederbrüllen. Während Ed Gibbs seinen Gesang intoniert, lackiere ich mir die Fingernägel schwarz und krame das alte Shirt von My Chemical Romance aus dem Schrank. Der von Gitarrist Jonny Renshaw produzierte Mix wirkt schwer und mächtig. Etwas ruhiger, aber nicht weniger emotional geht es im achtminütigen Witness Marks zu. Inhaltlich geht es um Menschen, die in sozialen Medien ihr falsches Lächeln aufsetzen, obwohl ihre Augen tiefe Trauer tragen. Bis hin zu Personen, die vergessen haben, wie sich „okay sein“ eigentlich anfühlt. Der Song fließt erst episch durch die Kopfhörer, leitet dann zu einem Akustikpart über und spielt etwas mit laut-leise Dynamik.
In Burdened holzt Drummer Alex Wood zunächst alles nieder, bevor es mit einer Art Ambient-Soundkulisse weitergeht. Die getragenen Vocals über den rasend schnellen Drumparts ergeben eine schöne Bühne für die immer wieder eingestreuten ruhigen Töne. Tateishi wäre für mich so was wie der perfekte Auftakt oder Abschluss eines Livekonzerts. Die ersten Töne malen eine erhabene Klangkulisse auf unsere Leinwand, nur um dann von verzweifelten Schreien niedergerissen zu werden – ich bin entzückt. Das bereits erwähnte The Narcissist ist einfach ein Hassbrocken, der seinesgleichen sucht. Das bedrückende Video von Olli Appleyard verstärkt diesen musikalischen Mittelfinger, der in Richtung aller negativen Menschen zeigt, die unser Leben betreten.
Der nächste Titel Beyond Reach war das erste Lebenszeichen aus dem Hause Devil Sold His Soul nach langer Durststrecke für die Fans. Dieser Song beweist, dass die Band bei der Entscheidung, mit zwei Sängern zu arbeiten, alles richtig gemacht hat. Wenn bei Minute 2:37 Paul Green mit wundervollen Harmonien zu den Screams von Ed Gibbs einsteigt, gibt es Gänsehaut bis unter die Schädeldecke. Signal Fire geht aufgrund der Gitarrenarbeit etwas mehr in Richtung Post Metal oder sogar Post Rock, wenn man die ruhigen Passagen in den Fokus stellt. Das Sextett ist in der Lage, die dichte Atmosphäre in den vollen sieben Minuten aufrecht zu erhalten. Die Riffs in Acrimony werden wieder etwas angedickt, ansonsten rauscht der Song auch nach mehreren Durchläufen etwas an mir vorbei.
Sanfte Streicher eröffnen den vorletzten Akt namens But Not Forgotten, der wieder eine getragene Stimmung im Midtempo-Bereich liefert. Durch den dichten Soundnebel scheinen vereinzelte Gitarrensoli wie Sonnenstrahlen. Ein schöner Song, um sich während eines Konzerts gemeinsam mit einer verdrückten Träne in den Armen zu liegen. Der knallharte Mittelteil darf dann zum Headbangen genutzt werden. Klappe, die letzte: Der Titelsong Loss ist eine gänzlich kitschfreie Ballade, die den Tod geliebter Menschen und den einhergehenden Kontrollverlust perfekt in Worte fasst: „The sadness always comes in waves.“