Festivalname: Full Rewind Festival 2024
Bands: Excrementory Grindfuckers, Ryker’s, Emil Bulls, Lionheart, Testament, Amon Amarth, Blood Command, Slope, Ignite, Pro Pain, Ektomorf, Die Apokalyptischen Reiter, Hatebreed, Tragedy, Half Me, Rise Of The Northstar, Rotting Christ, Belphegor, Disbelief, Massacre, Elsterglanz feat. Afrika 7000 Feuer, Milking The Goatmachine, Crownshift, The Black Dahlia Murder, Life Of Agony, Terror, Motionless In White, Carcass, Stesy, Drill Star Autopsy, Bodysnatcher, H2O, Emmure
Ort: Flugplatz Roitzschjora, Löbnitz
Datum: 02.08.2024 – 04.08.2024
Kosten: Weekend-Ticket: 139,00 Euro – Parkticket: ab 35,00 Euro
Genre: Metal, Rock, Extreme Metal, Thrash Metal, Hardcore
Besucher: ca. 5000 Besucher
Veranstalter: In Move GmbH
Link: https://full-rewind.de/
Das Full Rewind Festival 2024 findet erstmals vom 02.08. bis 04.08.2024auf dem Flugplatz Roitzschjora statt und präsentiert sich in einem kleineren, familiäreren Rahmen als man es zuletzt vom With Full Force gewohnt war. Die Bühne und das Infield auf das Wesentliche reduziert, erzeugen eine intimere Atmosphäre. Auch die Zeltbühne fällt diesmal kleiner aus, was das Festival auf eine neue, gemütlichere Ebene bringt. Mit rund 5.000 Besuchern, darunter einigen Tagesgästen, genießt das Publikum in entspannter und freundlicher Stimmung die Bands aus den Genres Metal, Extreme Metal, Thrash Metal und Hardcore. Das Festival bietet zudem preiswerte Getränke, wie Bier für nur 4,50 Euro und erschwingliche Tickets: Ein Wochenend-Ticket kostete 139,00 Euro, während die Parktickets ab 35,00 Euro erhältlich sind. Organisiert wird das Full Rewind Festival von der In Move GmbH und so springen wir direkt in die drei intensiven Tage, um nach Jahren der Abstinenz auf dem Flugplatz Roitzschjora in Löbnitz mit harten Klängen den Boden zum Beben zu bringen.
An der ehemaligen With Full Force Wirkungsstätte kommt jetzt das Full Rewind mit den Excreatory Grindfuckers zurück. Der Opener am Freitagnachmittag eröffnet in gewohnter Manier und lässt krachende Beats in humorvoll angereicherte Lyrics gleiten. Durch die Spaßkapelle kehrt der Spirit schnell zurück. Die Musiker aus Hannover verbinden Grindcore mit Fun Metal und zelebrieren gerne wilde Cover-Songs.
Ryker’s übernehmen im Anschluss, die eine Mischung aus Thrash und Hardcore aus den Boxen drückt. Recht gut besucht, stehen bereits ca. 1.000 Besucher vor der Bühne und sorgen für eine sehr gute Stimmung. Die deutsche Formation aus Kassel hat ihr letztes Album Ours Was A Noble Cause mit im Gepäck. Kid-D rotzt die Lyrics heraus, während seine Kollegen an den Instrumenten einen durchaus fetten Sound zusammenbraten.
Emil Bulls, die Alternative-Metal-Combo, gratuliert zur Neugründung des Full Rewind. The Devil Made Me Do It und The Age Of Revolution prägen die Show der Münchener, die bereits 2001 beim alten With Full Force im Zelt gezockt haben. Heute geht es auf die Mainstage, und das zu Recht. Emil Bulls gehören zu den agilsten Live-Acts des Genres und werden schnell ihrem Ruf gerecht. Ein Pit dreht tiefe Kreise in den Sand, während Christoph „Christ“ von Freydorf die Songs anstimmt. Im starken Set sind unter anderem Here Comes The Fire und The Most Evil Spell.
Nach 50 Minuten überreicht Christ das Mikrofon an Rob Watson, den Frontmann von Lionheart. Die amerikanische Hardcore-Truppe beginnt verspätet aufgrund nicht funktionierender Pyrotechnik. Die Verzögerung tut der wirklich guten Stimmung jedoch keinen Abbruch. Die klassischen, ballernden Hardcore-Punk-Riffs ziehen den Spannungsbogen sofort wieder stramm. Wie schon bei den Vorgängern ist ein Circlepit Pflicht. Gut 2000 Besucher lassen die Beats von Vultures auf ihre Leiber einprasseln. Der letzte Longplayer Welcome To The West Coast III liegt bereits zwei Jahre zurück, doch dass die Anhänger von Lionheart offen für neues Material sind, ist spürbar. Die alten Hits werden jedoch mit vollem Körpereinsatz zelebriert.
Das Finale des ersten Tages steht bereits vor der Tür, geformt durch Testament und Amon Amarth. Zwei Schwergewichte konnten für den Neustart gewonnen werden, die in diesem Sommer auf deutlich größeren Festivals unterwegs sind. In dieser exklusiven Größe kann man sie nur hier auf dem Flugplatz Roitzschjora genießen. Mit 5.000 Besuchern ist der Rahmen energiegeladen, familiär und jeder kann die beiden Acts hautnah erleben, ohne kilometerweit von der Bühne entfernt zu stehen. Den ersten der beiden Höhepunkte bilden Testament. Die Bay-Area-Thrash-Legende springt mit Eerie Inhabitants und The New Order in die Old-School-versetzte Show. Ohne Experimente zimmern Eric Peterson und Alex Skolnick die Gitarrenriffs in der Nacht. Testament werden mit The Preacher standesgemäß abgefeiert. Into The Pit setzt den Schlusspunkt nach gut einer Stunde.
Als Headliner gehen die schwedischen Wikinger von Amon Amarth auf die Bretter. Die Urgewalt Johan Hegg lässt keine Wünsche offen. Pyroeffekte und Feuerbälle lassen das Segel hart in den Wind gehen. Der melodische Death Metal spült Raven’s Flight und Guardians Of Asgaard aus den Boxen. Die Stimmung ist am Anschlag angekommen, und Amon Amarth werden dem Headliner-Slot mehr als gerecht. 90 Minuten stehen die Skandinavier hochmotiviert auf der Bühne. Mit im Programm: The Way Of Vikings und First Kill, die durch diverse Werke geleitet werden. Geballte Fäuste, fliegende Haare und leere Hörner bilden das Bild. Twilight Of The Thunder God beendet erfolgreich den ersten Tag und lässt die Vorfreude auf die nächsten Tage steigen.
Elsterglanz ebnen den Weg in den zweiten Full Rewind Tag. Das Infield ist knackevoll. Alle sind früh aufgestanden und haben die erste Nacht gut überstanden, um Elsterglanz nicht zu verpassen. Das Komikerduo, bestehend aus Gilbert Rödiger und Sven Wittek aus der Lutherstadt Eisleben, genießt Kultstatus. Dieser Status der Blödelbarden liegt hier und heute beim Opener einmal mehr auf der Hand. Svenny wird das Hirn in Richtung Metal umgepolt und dann kann die 35 Minuten starke Show schon losgehen. Kaputtschlaahn darf ganz am Ende des Sets nicht fehlen. Der Cottbuser Postkutscher darf, wie andere Gassenhauer, nicht fehlen. Pyroeffekte dringen aus den aufgestellten Haushaltsherden und runden das Bild ab, bis es im Zelt weitergeht.
Tragedy, die moderne Hardcore-Punk und Crust Punk Formation, bringt erstmals im Zelt die Stimmung zum Kochen. Ab diesem Zeitpunkt fährt das Full Rewind zweigleisig und parallel zur Mainstage gibt es auch deftige Hooks auf der kleineren Zeltbühne. Der Bandname ist wohl eher ironischer Natur, so wie der ganze Auftritt der eher an Comedy Metal erinnernden Truppe, die unter anderem von Mitgliedern von From Ashes Rise und der aufgelösten Band His Hero Is Gone gegründet wurde. Ein solider Gig, der zumindest mir noch unbekannten Tragedy.
Ab jetzt geht es Schlag auf Schlag. Blood Command aus Norwegen nutzen mit ihrem Hardcore-Punk die Gunst der Stunde. Als Fitnessprogramm wird die Session getarnt, bei der Sängerin Nikki Brumen immer wieder im Fokus steht. Fünf Alben hat das Quartett bereits auf seiner Habenseite. Nikki ist erst seit 2021 dabei, passt aber perfekt in das Gebilde. Kraftvoll und mit einem frechen Sound, lassen sie ihrem bereits guten Ruf nicht nur Worte, sondern auch Taten folgen.
Dynamisch, agil und mit viel Bewegung versehen, springen wir schon wieder zur zweiten Bühne und zu den Hamburgern Half Me. Vor sechs Jahren an der Elbe gegründet, geht es für Half Me mit ihrem Nu-Metalcore ordentlich voran. Wildes Gespringe hält keinen der Protagonisten auf dem Boden. Die Vocals finden geschrien die Ohren der Abnehmer, während die Hooks recht deutlich für eine harte Basis sorgen.
Für noch mehr Bewegung sorgen Slope mit ihrem Hardcore aus Düsseldorf. Der Sound ist cool und beinhaltet viele eigenständige Gesichtspunkte. In diesem Sommer haben Slope bereits auf vielen Open Airs für Furore gesorgt und lassen sich diese Chance in Roitzschjora nicht nehmen, den erfolgreichen Weg weiterzugehen. Ein spannender Act, den man für die Zukunft auf dem Zettel haben darf.
Ignite legen noch einmal mit ihrem Melodic-Hardcore aus dem kalifornischen Orange County nach. Eli Santana, der erst vor drei Jahren das Mikrofon übernommen hat, fügt sich wunderbar ins Geschehen ein. Nachdem es nach Elsterglanz deutlich leerer wurde, ziehen die Amerikaner wieder deutlich mehr Festivalgänger vor die Bühne. Das liegt ganz sicher auch an der Uhrzeit; wir befinden uns im frühen Abend, und mit Ignite treten nun die Hochkaräter des Festivals vor die immer noch hungrige Meute. Diverse Crowdsurfer werden von den Securitys im Graben entgegengenommen, während Poverty For All und Ash Return angestimmt werden. Im Kopf bleibt zudem Sunday Bloody Sunday, das U2-Cover, welches zum Ende hin für einen ganz besonderen Höhepunkt sorgt.
Pro-Pain machen, was sie am besten können, und das ist ein amtliches Geballer vom Stapel zu lassen. Dafür hat sich gut die Hälfte der Besucher ebenfalls vor der Mainstage versammelt. Im Zelt findet eine gut vierstündige Pause statt, was dem Partymodus gar keinen Abbruch tut. Diese flexible Nutzung der zweiten Bühne kommt sogar sehr gut an. Nach dem Motto „Back To The Roots“ läuft das Full Rewind in seiner ersten Neuauflage, wie man es von den ersten Festivals kennt. Im Fokus steht die Musik, eine gemütliche Zeit im Camp ohne großes Schickimicki. Metal und Hardcore, roh und unzensiert, anstatt Ballermann, was dieser Tage an einem anderen Ort weiter im Norden der Fall ist. Groovig lassen Pro-Pain das Bier schäumen; der aggressive Hardcore lädt zum Trinken ein, während Gary Meskil wütend Three Minutes Hate anstimmt. Die Old-School-Attitüde, gepaart mit den Metalanteilen macht Spaß, und Pro-Pain bleiben eine fetzende Live-Combo.
Gleiches gilt ohne Abstriche für die Ungarn Ektomorf. Ich persönlich verfolge Zoltán „Zoli“ Farkas seit gut zwanzig Jahren durch den Destroy Longplayer. Die Kombination aus Death und Thrash Metal à la Sepultura trifft den Nerv der Zeit. Beflügelt von der Max Cavalera Euphorie haben Ektomorf immer ein Stück vom Kuchen abbekommen und haben sich selbst stets weiter zu einer ernst zu nehmenden Gruppe entwickelt. Live immer bestechend, kann man maximal über die Ansagen stolpern, auch nach über zwanzig Jahren ist dort immer noch etwas Luft nach oben. Wie dem auch sei, die Hits Outcast und I Choke blasen das Gehirn frei. Gut aufgelegt kann man Zoli und Co. nichts vorwerfen, die vor einer amtlichen Kulisse, ihre thrasigen Bretter eins nach dem anderen schwungvoll an die Wand nageln.
Es wird exotisch: Rise Of The Northstar, die 2008 gegründete Rap-Metal-Band aus der französischen Hauptstadt Paris, die schon früher Gäste auf dem With Full Force waren, bitten zum Tänzchen im Zelt. Der Zuspruch ist enorm hoch, diverse Crowdsurfer lassen sich tragen, und der Pit ist stets in Bewegung. Victor „Vithia“ Leroy bringt die Fans in Ekstase. Der Backdrop im Japan-Style rundet das Bühnenbild ab. Rise Of The Northstar, deren Geist in Shibuya geboren wurde, bringen immer wieder japanische Einflüsse zum Tragen. Technisch sind die Franzosen vielseitig aufgestellt – von Crossover über Rap bis hin zu deftigen Metalcore-Elementen. Die moderne Ader und die agile Bühnenperformance lassen die Gunst des Publikums sofort steigen. Ohne groß Federn zu lassen, führen Rise Of The Northstar durch ihre Werke und lassen das Zelt aus allen Nähten platzen.
Bei den Die Apokalyptischen Reitern ist der durchaus beachtliche Andrang bei den Franzosen spürbar. Vor der Mainstage bleiben einzelne Plätze frei, was der großartigen Show keinen Abbruch tun soll. Wer Die Reiter kennt, weiß, welche Magie sie auf der Bühne versprühen. Live noch nie enttäuscht worden, wollen sie damit heute auch nicht beginnen. Sänger Daniel „Fuchs“ Täumel hat alles im Griff, als er mit dem Trio Friede Sei Mit Dir, Der Adler und Es Wird Schlimmer die Marschroute vorgibt. In der letzten halben Stunde zählt man deutlich mehr Gesichter, die auf die Bühne blicken. Rise Of The Northstar sind mit ihrer Show zu Ende, und Die Reiter haben die Hits Wir Reiten und Reitermania für die Zielgerade aufgehoben.
Schon wieder Zeit für den Headliner. Hatebreed kommen, um zu zerstören. Frei nach ihrem Song Destroy Everything schalten sie in den Presslufthammer-Modus und zerlegen das Open Air nach allen Regeln der Kunst. Jamey Jasta ist nach dem intensiven Festival-Sommer immer noch nicht müde und hat einfach Bock darauf, die Hatebreed-Flagge möglichst hochzuhängen. Wayne Lozinak und Frank „3 Gun“ zerschneiden mit ihren Gitarren die Luft. Der voluminöse Sound aus den beiden Händen liegt wie ein fettes Brett schwer in der Luft. To The Threshold und A Call For Blood funktionieren immer. Wer Hatebreed diesen Sommer noch nicht gesehen hat, kommt jetzt voll auf seine Kosten. Dass sie auch als Headliner eine gute Figur machen können, zeigen sie ohne Abstriche.
Wer jetzt noch genug Energie hat, darf der legendären Knüppelnacht beiwohnen, die von Rotting Christ, Belphegor, Disbelief und Massacre geformt wird und bis spät in die Nacht geht. Den Abschluss machen Massacre, die erst gegen 4 Uhr ihren Auftritt zu Ende bringen. Die Knüppelnacht wird wie früher von vielen Festivalgängern angenommen und intensiv gefeiert. Zeit zum Ausschlafen ist genug, wenn es am letzten Tag um 15 Uhr mit den Grindcore-Ziegen wieder losgeht.
Mit der Kraft der Ziege eröffnen Milking The Goatmachine den letzten Tag. Starker Regen füllt die Tränke, hält aber auch wasserscheue Headbanger fern. Ihr Deathgrind ist in Löbnitz nicht unbekannt. Schon früher haben die Deutschen das Festival zu einer frühen Stunde zum Meckern gebracht. Schade, das Wetter spielt ihnen nicht in die Karten, und das, wo ihre Live-Performance immer intensiver wird.
Passend zum Thema „Intensiv“: Wir springen ins Trockene zu Stesy, dem Electric Callboy-Verschnitt aus Österreich. Sie profitieren vom Regen, der die Leute zur Zeltbühne treibt. Das kunterbunte Gebrüll von Chris Chalmer zu Sailor-Moon-Melodien bringt das Publikum in Wallung. Der moderne Metalcore, vermischt mit Party-Techno-Synths, spricht vor allem jüngere Festivalgänger an.
Das Wetter fängt sich und spült eine ganze Schar Partywütiger zu Crownshift. Paint The Sky With Blood ist schon eine coole Nummer aus der Kehle von Tommy Tuovinen. Die Männer aus Finnland haben ihr erstes und gleichnamiges Album mit nach Deutschland gebracht. Trotz des Debüts haben die Protagonisten mehr Bühnenerfahrung als manch andere Acts. Gesammelt haben sie die bei Nightwish, Children Of Bodom, Wintersun oder Finntroll, um nur ein paar Namen zu nennen. Wer sie noch nicht auf dem Zettel hat, wird sofort überrascht. Der Cocktail aus Melodic Groove und Power Metal ist speziell, hat aber Potenzial. Vor allem geht man keine ausgelatschten Pfade, sondern versucht sofort, einen ganz eigenen Stiefel durchzudrücken. Auf der Bühne wirkt das schon sehr stimmig. An Crownshift werden wir noch viel Spaß in der Zukunft haben.
Drill Star Autopsy haben Startprobleme, aber nach wenigen Minuten Verzögerung starten die Deutschen, die bei Kernkraftritter Records unter Vertrag stehen. Death Metal und Groove Metal bedienen sich bei Core-Einflüssen. Fleißig brüllt Sascha Schettler die Lyrics heraus. Der Auftritt wird von den beiden ersten und einzigen Alben Devilgod Inc. und Futuremembrance geformt. In den letzten zehn Jahren haben Drill Star Autopsy die nötige Erfahrung sammeln können, um auch einen größeren Auftritt erfolgreich auf die Bretter zu bekommen. Klar spürt man nach zehn Jahren noch eine größere Unsicherheit als bei den eingefleischten Crownshift, trotzdem machen die Jungs aus Sachsen-Anhalt einen guten Job und legen mit diesem einen Höhepunkt des gesamten Open Airs vor.
Um The Black Dahlia Murder ist es in den letzten zwei Jahren sehr ruhig geworden. Nach dem Tod von Sänger Trevor Strnad haben sich die Musiker wieder gefangen, was alles andere als selbstverständlich ist. Die ersten Auftritte führen die Amerikaner auf europäische Festivals. Das Mikrofon übernimmt Brian Eschbach, die interne Lösung, der von der Gitarre zu den Vocals wechselt. Ryan Knight übernimmt dafür seinen Slot in der Truppe und bringt mit seinen Fähigkeiten Aftermath und What A Horrible Night To Have A Curse zum Beben. Brian Eschbach lebt die The Black Dahlia Murder-Vibes und kann auf voller Länge überzeugen.
Bodysnatcher, die 2014 in Melbourne, Florida gegründete Band, kann man stilistisch zwischen Hardcore und Deathcore ansiedeln. Die Musiker aus Down Under schließen die erste Zeltphase ab. Wie schon am Samstag macht die zweite Bühne eine kleine Pause und legt in gut drei Stunden mit H2O und Emmure wieder los. Damit sich die Anreise nach Europa lohnt, ziehen Bodysnatcher von einer Steckdose zur nächsten, und wollen so viele Musikverrückte wie möglich erreichen. Black Of My Eyes ist einer dieser Songs, die im soliden wie gelungenen Bodysnatcher-Gig den Unterschied machen.
Life Of Agony, die US-amerikanische Alternative-Metal-Band aus New York, arbeitet immer intensiv auf der Bühne, der Zuspruch ist dementsprechend hoch. Auch wenn man von der Truppe keine Platte in die heimische Anlage legt, live können sie einen sofort abholen. Mina Caputo und ihre Männer sind kleine Stehaufmännchen, die es immer wieder zurück ins Rampenlicht zieht. Schwere Zeiten, Trennungen und der berühmte Phönix aus der Asche gehören zur 35-jährigen Karriere ebenso dazu wie schweißtreibenden Shows und eine enge Bindung zu ihren Fans. Zwei Tage nach diesem Auftritt konnten wir sie schon wieder mit River Runs Red, My Eyes und Scars in Kiel erleben und wurden kein Stück überdrüssig. Life Of Agony bleiben eine sympathische Alternative-Metal-Band, die noch nicht eingerostet ist und feine Headliner Atmosphäre versprüht.
Terror machen ihrem Namen einmal mehr alle Ehre. Scott Vogel ist auf der Bühne wie ein ADHS-Kind: Er rennt ständig sinnfrei kreuz und quer, mit wilden Zuckungen, die quasi eine Vorstufe zum Napalm-Death-Sänger Mark „Barney“ Greenway bilden. Die Hardcore-Salven treffen permanent ins Schwarze. Gefangene nehmen Terror ganz sicher keine. Abräumen, Gas geben und für einen Endspurt sorgen, der dem Full Rewind würdig ist. Da haben die Veranstalter mit den Künstlern aus Los Angeles alles richtig gemacht. Das Publikum geht zwar langsam auf dem Zahnfleisch, mobilisiert jedoch für die letzten vier Bands: Carcass, Motionless In White, H2O und Emmure.
Motionless In White ziehen das weibliche Publikum an. Emo-Klänge und ein Metalcore mit Horroroptik prägen sich in den Kopf. Die vielen weiblichen Headbanger haben sich im Stil der Musiker geschminkt und zelebrieren emotional die gut sechzig Minuten. Dabei sind Motionless In White sehr bemüht. Thoughts & Prayers und Headache heben die Stimmung. Devil’s Night und Scoring The End Of The World haben Hit-Charakter – eine durchaus skurrile Zusammensetzung der bereits genannten Elemente, die jedoch von den Anwesenden positiv aufgenommen wird.
Der melodische Hardcore von H2O geht mit den Fans Hand in Hand. Sänger Toby Morse geht gleich nach dem ersten Song Nothing To Prove über das Gitter ins Publikum und initiiert einen Circlepit. Dabei stellt er sich in die Mitte des Pits und singt weiter. Das ist nicht genug: Hierbei rennt er teilweise selbst im Kreis mit. Die müden Knochen bekommen sofort wieder Kraft. Wenn das der Plan von Toby war, ist dieser komplett aufgegangen. Dafür, dass die Amerikaner seit sieben Jahren kein neues Material mehr herausgebracht haben, sind sie nicht in der Versenkung verschwunden. Das liegt zweifelsohne an der Darbietung. Kommen H2O zu Besuch, gibt es kein Halten mehr. Zu energisch feiern die Musiker selbst ihre Songs, und der Funke springt, wie heute, flächendeckend über.
Wie die Zeit verfliegt – es ist ein letztes Mal Headliner-Zeit. Carcass, eine englische Grindcore-/Death-Metal-Band aus Liverpool um Jeff Walker und Bill Steer, lassen die Muskeln vor der Mainstage zittern. Leider merkt man die einsetzende Abreisebewegung. Kurz vor 22 Uhr an einem Sonntagabend haben dann doch schon etliche Besucher den Heimweg angetreten, um am Montag ihren beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Schade, bei Carcass stehen nur noch etwa ein Drittel der eigentlichen Festivalbesucher, und das, wo die Briten ein spannendes Set zum Besten geben. Zu Beginn krachen The Living Dead At The Manchester Morgue und Buried Dreams aus der Anlage. Bill Steer und Jeff Walker geben an den Gitarren alles und schneiden tiefe Cuts in die Luft. Die noch Anwesenden nehmen Carcass gebührend in Empfang. Black Star, Keep On Rotting In The Free World, Genital Grinder und Pyosisified (Rotten To The Gore) bilden das Fundament der 70 Minuten.
Schluss ist nach Carcass noch nicht: Emmure im Zelt dürfen das wiederbelebte Festival abschließen. Auch hier ist die Abreise von vielen Full Rewind Gängern spürbar. Dem Sonntagabend kann man da nicht die alleinige Schuld geben. Natürlich ist es ein großer Faktor, aber auch Open Airs, die am Samstagabend enden, spüren den Rückgang in den Abendstunden.
Das Full Rewind Festival 2024 auf dem Flugplatz Roitzschjora war auf gewisse Weise wie früher das With Full Force, nur eben in kleinerem Rahmen. Etwa 5.000 Besucher waren vor Ort, und der Campground erstreckte sich zwar fast einen Kilometer, war jedoch nur schmal auf der Landebahn des Flugplatzes angelegt. Die Hauptbühne war kleiner, aber dennoch ausreichend dimensioniert, während der VIP-Balkon komplett fehlte. Das Zelt für die Zeltbühne war nur noch halb so groß, und das Infield war im Vergleich zu früher ebenfalls verkleinert, passend zur reduzierten Besucherzahl.
Die Organisation war insgesamt gut, abgesehen von der einstündigen Wartezeit in der Bändchenschlange, was aber letztlich nicht so ins Gewicht fiel. Das Publikum war freundlich und unkompliziert und freute sich einfach, wieder auf dem Acker feiern zu können, wie in alten Zeiten. Es waren auch viele junge Leute dabei, die das frühere With Full Force wohl nicht mehr kennen. Wie früher gab es wenig Schatten und kaum Sitzplätze, sodass ein großer Biergarten mit Sonnenschirmen auf dem Platz vor dem Infield eine gute Idee für die Zukunft wäre. Musikalisch kann man nicht meckern, die Balance aus Extreme Metal, Thrash Metal und Hardcore passt einfach und die Leute haben Bock auf diese Old School Veranstaltung, die endlich wieder einen festen Platz im Veranstaltungskalender hat.