Liquid Tension Experiment – LTE3

LTE zerstören Träume ambitionierter Nachwuchsmusiker seit 1997

Artist: Liquid Tension Experiment

Herkunft: New York, USA

Album: LTE3

Spiellänge: 61:42 Minuten

Genre: Progressive Metal, Progressive Rock, Instrumental Metal

Release: 16.04.2021

Label: InsideOut Music

Link: facebook.com/mikeportnoyofficial

Bandmitglieder:

Gitarre – John Petrucci
Bassgitarre und Chapman Stick – Tony Levin
Keyboard – Jordan Rudess
Schlagzeug – Mike Portnoy

Tracklist:

  1. Hypersonic
  2. Beating The Odds
  3. Liquid Evolution
  4. The Passage Of Time
  5. Chris & Kevin’s Amazing Odyssey
  6. Rhapsody In Blue
  7. Shades Of Hope
  8. Key To The Imagination

Petrucci, Rudess, Levin, und Portnoy – muss ich noch mehr sagen? Okay, vielleicht Dream Theater, King Crimson und Transatlantic. Na gut, wir beginnen mit der Geschichte von LTE im Jahr 1997. Der damalige Dream Theater Schlagzeuger Mike Portnoy holte sich Bandkollege und Gitarrist John Petrucci für ein neues Projekt ins Boot. Dazu gesellten sich King Crimson/Peter Gabriel Bassist Tony Levin und der spätere Dream Theater Keyboardwizard Jordan Rudess. Das instrumentale Prog-Monster namens Liquid Tension Experiment war geboren. Lediglich sechs Tage brauchten die Musiker, um das selbst betitelte Debütalbum inklusive der Hits Paradigm Shift und Universal Mind im Jahr 1998 aufzunehmen. 1999 war dann das Jahr für Dream Theater Fans: Während die Band ihr Meisterwerk Scenes From A Memory veröffentlichte, gab es im selben Jahr das zweite Album von Liquid Tension Experiment zu bestaunen.

Knapp 22 Jahre (!) nach LTE2 wurden die lauten Rufe der Fans erhört und LTE3 steht endlich in den Startlöchern. Das erneute Zusammentreffen der viel beschäftigten Bandmitglieder kam erst durch die Pandemie und die glückliche Fügung der abgestimmten Terminkalender zustande. Mike Portnoy war bereits im letzten Jahr Gast auf John Petruccis grandiosem Soloalbum Terminal Velocity. Mehr als zehn Jahre nach dem Ausstieg des Drummers bei Dream Theater, trafen Portnoy, Rudess und Petrucci erstmals gemeinsam im Studio aufeinander und die Chemie stimmt noch immer, wie Rudess bestätigte: „Es fühlte sich wie eine Fortsetzung an, als hätten wir mit den Aufnahmen zu LTE2 aufgehört und wären eine Woche später reingegangen, um LTE3 zu machen. Ich weiß, es ist erstaunlich, das zu sagen, aber die Zeit ist in einem Moment, einem Wimpernschlag vergangen, die Chemie ist die Chemie, und sie hat sich nicht verändert. Es war damals großartig und ist es immer noch.“

Das Besondere an LTE war immer, dass die Kreativität der Beteiligten nicht in sinnlosem Gefrickel unterging, sondern auch die erwähnten Genrehits zutage förderte. Darüber hinaus liegen die Stärken von LTE in der Spontanität. Jeder der Musiker verfügt zwar über jahrzehntelange Erfahrung und bringt seine eigenen Ideen ein, dennoch entstehen die meisten Songs in spontanen Jams im Studio. Wird diese Unberechenbarkeit auf dem neuesten Album erneut das Ass im Ärmel von Liquid Tension Experiment sein?

Ich drücke auf Play und werde direkt überrollt. Holla, die Waldfee! Was geht da in den ersten 30 Sekunden des Openers ab? Ein progressives Sperrfeuer der Herren, die immerhin vom „Jüngsten“ Mike Portnoy (53) bis zum Ältesten Tony Levin (74) schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Hypersonic ist ein Statement: LTE sind zurück und verbreiten ihre verrückte Vision von Geschwindigkeit und Chaos.

Beating The Odds wird von Mike Portnoy scherzhaft als „Wohlfühlsong der Pandemie“ bezeichnet. Hier gibt ein schönes Kontrastprogramm zum frickeligen Hypersonic. Der Song lebt von fast schon simplen Rockriffs zu Beginn, auf die tolle Duelle zwischen Petrucci und Rudess folgen. Traumhafte Gitarrensoli und majestätische Keyboards sorgen tatsächlich für Wohlfühlatmosphäre nach dem hitzigen Start.

3:22 Minuten – ist hier etwa radiotaugliche Musik geschrieben worden? Keine Angst, Liquid Evolution ist eher eine kurzweilige Jazznummer, die mit ihren Klängen Fernweh in mir auslöst. Mr. Petrucci sorgt mit seinen Soli erneut für Gänsehautmomente. The Passage Of Time greift die „Fernweh-Klangmuster“ auf dem Keyboard wieder auf und markiert gleichzeitig den ersten Song, den LTE nach 22 Jahren zusammen komponierten. Die düsteren Riffs zu Beginn könnten auch einem Dream Theater Song entstammen. Jordan Rudess komplexe Akkordfolgen und zauberhafte Pianoklänge jagen mir wohlige Schauer über den Rücken.

Chris & Kevin’s Amazing Odyssey ist sozusagen die Fortsetzung der Songs Chris And Kevin’s Excellent Adventure vom ersten Album und Chris & Kevin’s Bogus Journey vom Album Spontaneous Combustion, welches unter dem Namen Liquid Trio Experiment in Abwesenheit von John Petrucci veröffentlicht wurde. Der Bandfotograf nannte Mike Portnoy und Tony Levin immer wieder fälschlicherweise Chris und Kevin, woraus eine Art Running Gag entstand. Die Songtitel sind außerdem eine Anspielung auf die Bill & Ted Filmreihe. Wie seine Vorgänger ist auch dieser Song ein Trip für Fans von avantgardistischem Noise. Levins Chapman Stick dröhnt und duelliert sich mit Portnoys wahnwitzigen Schlagzeugmustern.

Die Interpretation von Gershwins bekanntester Komposition Rhapsody In Blue dürfte eingefleischten LTE-Fans bereits bekannt sein. Auf der Tour im Jahr 2008 spielte das Quartett ein progressives Arrangement des Klassikers und veröffentlichte die Version in der limitierten Auflage der Live CDs und DVDs. Gershwins Symbiose aus Jazz, Blues und Symphonic wird noch eine Ebene aus Progressive Rock hinzugefügt. Vor allem die zweite, beschwingtere Hälfte des 13-minütigen Stücks lässt Bläser, Keyboards und Gitarren zu einer wahren Traumreise verschmelzen.

Shades Of Hope ist ein balladeskes Petrucci/Rudess Duett in der Tradition von State Of Grace vom ersten Album. Die beiden Bandkumpels beweisen, dass die Chemie stimmt, denn der Song wurde in nur einem (!) Take aufgenommen. Über die Pianoklänge des „Wizards“ legen sich die gefühlvollen Soli von John Petrucci. Dank Rich Mouser (Transatlantic, Neal Morse Band) meint man jeden Anschlag, jedes Vibrato und jedes Bending wahrnehmen zu können.

Das Schluss-Epos Key To The Imagination ist so etwas wie das „Liquid Dream Theater Experiment“. Was natürlich nicht verwunderlich ist angesichts der gemeinsamen Vergangenheit von drei LTE-Bandmitgliedern. Wechselnde Akkordfolgen, gefühlvolle Momente und Frickelorgien bauen sich zu einem würdigen Albumfinale auf – willkommen zurück!

Liquid Tension Experiment – LTE3
Fazit
Von Zeit zu Zeit gibt es Alben, mit denen man nicht mehr gerechnet hat. Alle Liquid Tension Mitglieder sagen unisono, dass die Fans seit 20 Jahren nach einem neuen Album fragen. You want it – you get it. Progressiver Instrumentalspaß für Jung und Alt. LTE sorgen mal wieder für herunterklappende Kinnladen und epische Gänsehautmomente, was angesichts der Altersklasse der Bandmitglieder umso erstaunlicher ist. Hits à la Universal Mind oder Acid Rain konnte ich auf diesem Werk nicht ausmachen. Deshalb bleibt trotz aller Freude über die Rückkehr „nur“ Platz drei für LTE3 im internen Ranking.

Anspieltipps: Hypersonic, Beating The Odds und The Passage Of Time
Florian W.
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