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Interview mit Nailed To Obscurity zu „Generation Of The Void“ und der anstehenden Headlinertour

Eine Stunde Interview ergibt viel Lesestoff, aber es war spannend und informativ

Artist: Nailed To Obscurity

Herkunft: Esens, Deutschland

Genre: Melodic Death Metal, Doom Metal

Bandmitglieder:

Gesang — Raimund Ennenga
Gitarre  — Volker Dieken
Gitarre – Jan-Ole Lamberti
Bass – Lutz Neemann
Schlagzeug – Jann Hillrichs

Im Zuge der Veröffentlichung des neuen Albums von Nailed To Obscurity (Review hier) hatte ich die Gelegenheit, mit Jan-Ole Lamberti, einem der Gitarristen und Gründer der Band, sowie mit Sänger Raimund Ennenga ein Interview zu führen. Es wurde in lockerer Atmosphäre über das neue Album, den Entstehungsprozess und die im Herbst anstehende Headlinertour geplaudert.

Time For Metal / Kay
Moin zusammen, schön, dass es heute geklappt hat. Ich erinnere mich an unser erstes Interview, das wir ja beim Rockharz 2019 geführt haben. Da war gerade Black Frost erschienen, und ihr hattet noch einen Auftritt auf dem Festival. Wir hatten Backstage ’n Termin, das war total toll, hat sehr viel Spaß gemacht, und wir haben uns echt lange unterhalten.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ja, das stimmt – und ist lange her.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Time For Metal / Kay
Wir haben euch das erste Mal live beim Metal Hammer Paradise gesehen und dann auch immer mal wieder. Ich erinnere mich noch an Wacken und auch an die Renegades Tour in Hannover, wo ihr mit The Ocean, Lord Of The Lost und Equilibrium gespielt habt. Aber auch so trifft man den einen oder anderen – Volker habe ich erst letztens beim Gig von Swallow The Sun im Logo getroffen. Da war er mit seiner Freundin Michelle, die ja auch für unser Magazin arbeitet.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Das kann aber … war das jetzt kürzlich? Das ist doch schon länger her, oder?

Time For Metal / Kay
Ne, ist noch nicht so lange her – im Mai, meine ich. Da haben wir Michelle, die ja auch aus Kiel kommt, mit nach Hause genommen. Und Volker ist geblieben, da er wohl noch ’nen Probetermin am nächsten Tag hatte. Wir wollten irgendwann mal noch was zusammen trinken gehen, das hat sich aber bisher noch nicht ergeben.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, wenn wir auf Tour sind, wird’s schwierig – aber ansonsten ist er ja immer in Kiel.

Time For Metal / Kay
Aber unser Thema sind – beziehungsweise eigentlich zwei Themen – heute: zum einen die neue Platte, zum anderen die Tour. Ich habe sie auch schon mal vorbereitet, als Beweis – auch wenn sie noch original sealed ist. Bedeutet aber nicht, dass ich sie nicht gehört hätte – das sogar mehrfach.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Du warst das, der die eine gekauft hat.

Time For Metal / Kay
Ja, ich war’s – ich hab die eine gekauft, also Clear White Light Rose Black Marble Vinyl mit einer Edge-Seite. Genau, sehr schön! Hab mich gefreut – die kam dann auch relativ pünktlich. Ja, ich hab sie, wie gesagt, noch nicht ausgepackt – das kommt erst, wenn sie unterschrieben werden soll. Das Review bei uns war nicht so schlecht – das gab ’ne 9,5, glaub ich, von 10 möglichen. War aber verdient, fand ich.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ein Review ist gut – und mit guter Bewertung sowieso.

Time For Metal / Kay
Eure letzte Platte war Black Frost aus dem Jahr 2019. Somit liegen zwischen beiden Veröffentlichungen sechs Jahre. Klar kommt da die Frage: Warum so lange?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, das werden wir öfter gefragt.

Time For Metal / Kay
Dann habt ihr bestimmt eine Standardantwort fertig.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, wir haben die Wahrheit als Antwort parat. Der Hauptgrund für die lange Entstehungszeit war zunächst die Pandemie. Eigentlich wollten wir damals schon mit dem Songwriting beginnen – und hatten auch schon angefangen –, aber dann kam Corona dazwischen, und wir mussten unsere Arbeitsweise anpassen. Früher haben wir viel gemeinsam im Proberaum gearbeitet. Ich habe meist Demos und Vorproduktionen bei mir gemacht, zusammen mit Volker, und im Proberaum haben wir diese Ideen dann gemeinsam weiterentwickelt – also quasi live.

Während der Pandemie konnten wir uns aber nicht mehr treffen. Unser Proberaum befindet sich im Haus meiner Eltern, und da sie schon älter sind, wollten wir kein Risiko eingehen. Deshalb haben wir beschlossen, das Ganze auf eine Studioumgebung umzustellen. Für mich war das gut, aber technisch gesehen war ich der Einzige, der das auch wirklich umsetzen konnte. Die anderen mussten sich erst einarbeiten, was anfangs ziemlich zäh war. Es war also für alle ein Lernprozess, in diesem neuen Setup zu arbeiten. Am Ende haben wir dann trotzdem das meiste wieder gemeinsam gemacht – nur eben bei mir im Homestudio. Da wir außerdem weit voneinander entfernt wohnen, hat alles sehr viel Zeit gebraucht. Nach der Pandemie kam dann das nächste Problem: Wir haben so viel getourt wie noch nie zuvor, weil es viel nachzuholen gab. In dieser Zeit war an Songwriting oder Studioarbeit überhaupt nicht zu denken. Ich selbst war teilweise ein halbes Jahr kaum zu Hause. Wir hatten eine knapp achtwöchige US-Tour, danach zwei Wochen in Großbritannien und Europa und zum Jahresende noch einmal fünfeinhalb Wochen auf Tour mit Amorphis. Dazwischen ging zwar ein bisschen was, aber insgesamt lag das Songwriting in dieser Phase auf Eis.

Als wir wieder Zeit fanden, mussten wir die Arbeit erst einmal zu Ende bringen. Hinzu kam, dass es durch die Pandemie schwierig war, Studiotermine zu bekommen, weil plötzlich alle wieder aufnehmen wollten. Außerdem gibt es bei uns – wie man in unserer Diskografie sieht – ohnehin immer längere Pausen zwischen den Alben. Das liegt daran, dass wir alle voll berufstätig sind. Bei diesem Album kam zusätzlich eine aufwendigere Produktion hinzu, die viel Geld gekostet hat. Auch das mussten wir erst einmal stemmen – sowohl finanziell als auch zeitlich. All diese Faktoren zusammen haben dafür gesorgt, dass es diesmal besonders lange gedauert hat. Wir nehmen uns zwar jedes Mal vor, es beim nächsten Mal schneller zu schaffen – und vielleicht klappt es ja diesmal. Es sind viele gute Gründe, und unterm Strich wollten wir natürlich einfach, dass das Album gut wird, dass wir damit zufrieden sind – und das hat dann eben so lange gedauert.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Time For Metal / Kay
Ihr habt ja durchweg positive Resonanzen auf dieses Album bekommen. Also, wenn ich mich nicht täusche – ich hab ein bisschen recherchiert – ist das überall gut angekommen. Im Rock Hard habt ihr, glaube ich, sogar die Empfehlung des Monats bekommen. Also durchgängig Bewertungen, die vielversprechend klingen. Spiegelt sich das auch in den Verkaufszahlen wider? Ich meine jetzt nicht konkret – ich will keine Zahlen hören oder so –, aber merkt man, dass sich durch die guten Kritiken auch die Verkäufe erhöhen?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Uns ist selbst aufgefallen, dass das Feedback zu unserem neuen Album diesmal noch einmal besser ausfällt als bei den bisherigen Veröffentlichungen. Wir haben eigentlich nie wirklich negatives Feedback bekommen – die Reaktionen waren immer positiv. Aber diesmal merkt man deutlich, dass die Resonanz noch stärker und einheitlicher ist. Es gibt keine Ausreißer nach unten, keine negativen Stimmen, und das ist uns natürlich sehr positiv aufgefallen.

Auch wenn man sich die Streamingzahlen anschaut, kann man sagen: Da tut sich was. Man merkt, dass das Album etwas bewegt. Die physischen Verkäufe sind zwar geringer, aber das liegt auch daran, dass inzwischen sechs Jahre zwischen den beiden Veröffentlichungen liegen. Da habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet, noch einmal dieselben Verkaufszahlen zu erreichen wie damals. Wenn man sieht, wie sich das allgemein bei anderen Bands entwickelt, ist das einfach ein genereller Trend. Insgesamt kann man also sagen, dass dieses Album für uns ein Schritt nach vorn ist. Natürlich ist dieser Schritt für eine kleinere Band wie uns im Vergleich zu größeren Gruppen eher klein – aber es ist trotzdem ein Fortschritt, und das freut uns sehr.

Time For Metal / Kay
Also, das mit der „kleinen Band“, das wollen wir mal nicht so stehen lassen – ihr seid schon eine feste Größe in dem Genre und braucht euch nicht zu verstecken. Eine stetige Entwicklung ist da, und ich glaube, es fehlt nur ein winziger Schritt, irgendein Knoten, der euch weiter nach vorne katapultiert. Auf der Platte ist bereits eine Entwicklung klar zu erkennen: Zum einen habt ihr mit Liquid Morning einen Song aus 2020, und dann neuere Stücke wie zum Beispiel Echo Attempt, die sich deutlich unterscheiden und den Schritt der Veränderung dokumentieren.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ja, Liquid Morning haben wir während der Pandemie aufgenommen und Echo Attempt erst viel später. Wir bewegen uns vorwärts, und die kommende Tour ist ja der nächste große Schritt. Es ist zwar eine kleinere Tour im Gegensatz zu dem, was wir vorher schon gemacht haben, aber es ist unsere Headlinertour – und vielleicht ist es ja genau das, was noch mal etwas bewirkt. Hoffnung haben wir da auf jeden Fall.

Time For Metal / Kay
Das sollte sich dann ja gegebenenfalls auch in einer gewissen monetären Art und Weise widerspiegeln. Es kostet alles viel Geld – und da sollte doch zumindest etwas zurückkommen. Vielleicht auch ein bisschen mehr. Aber insgesamt …

Nailed To Obscurity / Raimund
Ich sag mal: Na klar, auf der einen Seite wäre das schön, und wir arbeiten ja auch daran. Wir machen uns schon Gedanken, wie wir uns weiterentwickeln können – auch, was die Präsentation und so weiter angeht. Und deswegen wagen wir jetzt auch den Schritt, dass wir eine Headlinertour fahren. Aber wir sind am Ende des Tages irgendwo Überzeugungstäter. Man denkt jetzt nicht permanent in Zahlen. Natürlich – sobald die Rechnungen reinkommen, die bezahlt werden wollen, denkt man natürlich dran. Aber irgendwie ist es auch so, dass wir unsere eigenen Dickköpfe ein Stück weit einfach durchsetzen wollen. Mit dem neuen Album haben wir uns noch breiter aufgestellt, und ich glaube, das ist auch das, was viele als großen Schritt wahrnehmen – und für uns selbst gilt das natürlich genauso. Dass das gesehen und so zurückgespiegelt wird, bestärkt uns, denn wir haben uns die Rüben zermartert, was man aus diesen Songs noch rausholen kann und wann sie denn endlich gut sind. Und jetzt, wo wir das geschafft haben, sind wir stolz auf das Album. Natürlich will man jetzt nicht den Künstler raushängen lassen, der sagt: „Ich mach mir nichts aus Geld.“ Klar wäre es schön, wenn da mehr zurückkommt – aber das ist nicht das eigentliche Ziel. Es geht vielmehr darum, wie weit wir als Band überhaupt gehen können. Und dazu gehört am Ende aber natürlich auch, dass der schnöde Mammon einigermaßen stimmen muss.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Das war tatsächlich auch mal ein Bandbeschluss – und zwar gar nicht so lange her. Wir haben damals gesagt: Natürlich müssen wir wirtschaften. Das Krasseste, was wir bisher gemacht haben, war die US-Tour. Da hat man Kosten auf der Uhr, bei denen die meisten Leute wahrscheinlich zurückschrecken würden. Diese Ausgaben müssen wir natürlich irgendwie wieder reinholen. Am Ende gehen wir aber immer davon aus, dass unsere Band ein bisschen wie ein Hobby ist – auch wenn es streng genommen kein richtiges Hobby mehr ist, weil wir das Ganze dafür einfach zu professionell betreiben. Trotzdem sehen wir es so wie andere Leute ihre Hobbys: Die kosten eben manchmal Geld, und das ist für uns in Ordnung. Wir haben damals auch festgehalten, dass wir alle zufrieden sind mit der Art, wie wir es jetzt machen – dass wir unsere regulären Jobs haben, von denen wir leben können, und dass die Musik unsere Leidenschaft bleibt. Raimund hat das sehr treffend gesagt: Wir sind Überzeugungstäter. Und genau das wollen wir auch bleiben.

Wir haben eigentlich gar nicht das Ziel, irgendwann ausschließlich von der Musik zu leben. Zum einen halten wir das ohnehin für utopisch – dafür müsste man noch viele weitere Schritte nach vorne gehen. Zum anderen wäre es wahrscheinlich auch gar nicht so erfüllend, wenn man Musik nur noch des Geldes wegen machen müsste. Deshalb ist für uns klar: Wir wollen einfach live spielen, Alben rausbringen und Spaß daran haben. Solange das Ganze am Ende nicht zu teuer wird – oder vielleicht sogar mal ein bisschen was hängen bleibt, das wir wieder in die Band investieren können – ist das für uns genau das Richtige. Andere Ziele haben wir mit der Band gar nicht.

Time For Metal / Kay
Das sind aber schon machbare Ziele. Es gibt aber sicherlich auch genau das Gegenteil: Bands, die auf Teufel komm raus zusammengestellt werden, um Geld zu machen. Dann kommt noch dazu, dass die unglaubliche Menge an Bands es nicht einfacher macht, einzelne größer werden zu lassen. Es muss ja auch genügend Fans geben, die dann für den Support sorgen – das wird aber potenziell weniger pro Band. Aber das ist ja nicht das Thema heute. Zurück zu Generation Of The Void. Was ganz doll auffällt, ist die gesangliche Veränderung. Das werdet ihr in anderen Interviews sicherlich auch schon gehört haben. Ich war trotzdem sehr überrascht, als ich das neue Album bekam, reinhörte und dann Raimund mit viel Klargesang hörte. Es gibt gute Passagen mit beidem, aber auch einen Song, so meine ich mich zu erinnern, der ausschließlich mit Klargesang ist. Wie seid ihr zu dieser Entscheidung gekommen?

Nailed To Obscurity / Raimund
Die Entscheidung, insgesamt dynamischer zu werden, war für uns alle wichtig. Wir hatten das Gefühl, dass Black Frost zwar ein gutes Album ist, aber irgendwie auch ein bisschen der „Bruder“ von King Delusion – obwohl auch da schon eine gewisse Entwicklung stattgefunden hat, das will ich nicht abstreiten. Aber wir wollten in allen Bereichen dynamischer werden, und das schloss eben auch den Clean-Gesang mit ein. Es war ein Thema, das uns schon lange beschäftigt hat. Ich musste mich selbst erst mehr an diese Idee herantasten. In der Vergangenheit gab es schon Clean-Gesangspassagen, aber die Art und Weise, wie wir diese präsentiert haben, war damals eine ganz andere. Es war eher so, dass wir im Studio standen und überlegt haben, wo wir diese Passagen einbauen. Meistens haben wir das dann direkt vor Ort finalisiert, auch in der Studiosituation, von der Ole vorhin schon gesprochen hat – die wir jetzt im Grunde auch zu unserer Songwriting-Situation gemacht haben. Diesmal war der Prozess aber viel intensiver und durchdachter. Besonders zwischen Ole und Volker, und natürlich auch mit mir, haben wir gemeinsam daran gearbeitet, die Gesangsmelodien so zu entwickeln, dass sie den Song wirklich vorantreiben. Wir haben bewusst auch Songs geschrieben, die für Clean-Gesang gedacht waren – und das war eine ganz klare Entscheidung.

Ich selbst habe irgendwann diese Aufgabe übernommen. Es war für mich eine Art Umschaltung – von „ich bin der Growler“ hin zu „ich erweitere mein Spektrum“. Ich hatte ja nichts zu verlieren, und so habe ich dann auch intensiv am Clean-Gesang gearbeitet. Zu dritt – Volker, Ole und ich – haben wir Melodien erarbeitet und uns gefragt: Wo liegt eigentlich der Sweetspot für meine Stimme? Wo kann ich damit glänzen? Das haben wir dann auf die Songs übertragen. Das war definitiv ein wichtiger Teil des langen Prozesses – und ein nicht unwesentlicher. Denn wir mussten alle, ich vielleicht sogar am meisten, viel lernen: Wie singt man richtig, und vor allem, wie integriert man den Clean-Gesang in einen Song, sodass es eine echte Erweiterung und Bereicherung ist? Sodass es das Dynamikfeld, von dem ich eingangs gesprochen habe, wirklich erweitert und effektiv wird.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, ich würde sagen, wir haben bestimmt ein Jahr lang fast nur am Gesang gearbeitet. Das war natürlich auch ein großer Zeitfaktor, und ich glaube, mit der Lernphase davor geht da sogar noch mehr Zeit drauf. Auch das ist ein Grund, weshalb wir sechs Jahre gebraucht haben.

Time For Metal / Kay
Besonders bei Sweet Corrosion ist dieser Wechsel von Growl zu Clean beeindruckend umgesetzt und kommt richtig gut rüber. Es gab immer mal zwischendrin Songs auf Black Frost, bei denen das vorkam, aber nie so deutlich. Beim Rockharz 2019 sagtest du, dass du zur Entwicklung deiner Stimme Unterricht nimmst. Hat sich dieser Trend fortgesetzt?

Nailed To Obscurity / Raimund
Ich sag mal so: auf jeden Fall. Damals war das irgendwie so eine Art „betreutes Singen“, zumindest habe ich es irgendwann dahin verkommen lassen. Ich selbst bin dann irgendwie auf der Stelle getreten. Aber während des Prozesses habe ich mir dann noch mal eine ganz andere Art von Gesangsunterricht geholt. Ich habe einen Tipp bekommen und wurde auf eine Gesangslehrerin in den Niederlanden aufmerksam, die mir wirklich geholfen hat. Sie hat mir gezeigt, wie man Gesang aus verschiedenen Perspektiven angehen kann, sodass man das gesamte Spektrum dessen, was man Gesang nennt, abdeckt – oder zumindest mehr oder weniger. Ihr Fokus lag stark auf klarem Gesang, was mir sehr entgegenkam, weil das genau der Bereich ist, in dem ich mich am wohlsten fühle. Dennoch ist das für mich immer noch eine Baustelle, an der ich weiterarbeiten möchte. Aber mittlerweile fällt es mir leichter, in den „Full-Throttle-Modus“ für die Growls zu wechseln und dann direkt wieder in klaren Gesang zurückzukommen. So haben wir auch das klare Gesangsmaterial für Nailed To Obscurity entwickelt – das war sozusagen die Grundlage dafür.

Time For Metal / Kay
Ja, das ist auf jeden Fall ein echter Gewinn. Viele der Songs setzen sich direkt ins Ohr. Ich höre die neue Platte nun nicht ständig, aber sie läuft schon. Derzeit läuft oft die neue Amorphis. Sie ist etwas anders geworden als die letzten drei Platten, die ja Jens Bogren produziert hat. Diesmal war Jacob Hansen aus Dänemark an den Reglern. Mit ihm habt ihr ja diesmal auch Erfahrungen sammeln können, oder?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Der gesamte Mix und das Mastering wurden dort gemacht. Raimunds Gesang und ein paar Gitarren, aber hauptsächlich der Gesang, wurden ebenfalls bei Jakob aufgenommen.

Time For Metal / Kay
Da habt ihr ja eine Koryphäe als Produzenten gehabt. Viele berühmte Bands gehen da ein und aus: Volbeat, Amorphis usw. Ich habe ihn auch schon einmal bei einem Iotunn-Konzert in Kolding getroffen, mit Tomi Koivusaari (Anm. d. Red.: Gitarrist bei Amorphis).

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Nee, nee, also wir waren diesmal auch wieder zu dritt da – Volker, Raimund und ich. Raimund hat die Gesangsparts aufgenommen, und Volker und ich haben ebenfalls etwas beigesteuert. Ich selbst habe an ein oder zwei Stellen auch ein bisschen im Hintergrund gesungen.
Hauptsächlich hat aber natürlich Raimund die Gesangsparts eingesungen. Die Mixes haben wir dann ebenfalls dort gemeinsam mit Jakob finalisiert. Wir waren also auch beim Feinschliff der Abmischung direkt beteiligt. Ich glaube, insgesamt waren wir sogar dreimal bei ihm im Studio in Ribe. Wir haben sehr eng mit ihm zusammengearbeitet – das war nicht einfach nur so, dass man fertige Dateien hinschickt und sagt: „Macht mal!“, sondern wirklich richtige Studioarbeit gemeinsam mit ihm. Und das war superangenehm – mit ihm zu arbeiten macht einfach Spaß. Dazu kommt: Er ist mega sympathisch – ruhig, aufgeräumt, total angenehm. Und das Studio selbst ist sehr ordentlich und akkurat. Das kennen wir so gar nicht aus anderen Studios, in denen wir bisher waren. Dort sind es meistens klassische Metal-Studios, und da arbeiten dann eben Metal-Dudes. Jakob hingegen sitzt da super adrett, arbeitet ganz konzentriert mit so einem Stift auf einem Zeichenpad – ich weiß gar nicht, wie man das genau nennt, aber eben so ein Grafik-Tablet, mit dem er alles macht.

Das Studio selbst ist unglaublich sauber, schön eingerichtet, einfach eine ganz andere Atmosphäre. Man sitzt da und denkt sich: „Ah, okay, das ist jetzt irgendwie ein ganz anderer Vibe.“ Und trotzdem vermittelt er einem durchgehend ein super gutes Gefühl. Nicht belehrend, sondern sehr ruhig und aufmerksam. Ich glaube, besonders Raimund ist das am Anfang aufgefallen: Er hat gesungen, wollte Feedback und fragte, ob das gut war. Und Jakob sagte einfach nur: „Was denkst du denn?
Dann meinte Raimund vielleicht: „Ja, gefällt mir“ oder „Geht noch besser“, und Jakob meinte nur: „Dann hast du wahrscheinlich recht – dann machen wir’s noch mal oder lassen es so.“ Am Anfang war das ein bisschen irritierend, weil man dachte, man bekäme keine klare Anleitung. Aber im Nachhinein war das genau richtig, weil er uns einfach machen ließ. Er hat nicht versucht, uns seinen Sound überzustülpen, sondern unseren Sound zu finden – und das hat am Ende richtig viel ausgemacht. Auch bei den Mixes: Wir haben ja viele Leadgitarren und Synthesizer, teils im Hintergrund, teils im Vordergrund. Das ist natürlich immer Interpretationssache, je nachdem, wie man es beim Songwriting gedacht hat. Jakob hat da sehr bewusst gearbeitet – er meinte: „Ich hab das jetzt so und so gemacht, aber lasst uns in ein paar Tagen noch mal alles zusammen durchgehen, damit die Verhältnisse so sind, wie ihr sie wollt. Nur weil meine Interpretation so ist, heißt das nicht, dass das nachher songdienlich ist.“

Und genau so sind wir das angegangen – sehr offen, sehr gemeinschaftlich. Das war eine super Erfahrung, und so kannten wir das vorher tatsächlich noch nicht.

Time For Metal / Kay
Und alles andere habt ihr, glaub ich, in Deutschland aufgenommen und produziert.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, produziert habe ich im Prinzip alles, weil wir hier im Home-Studio angefangen haben zu schreiben. Ich war dann auch in beiden Studios dabei, in denen wir aufgenommen und gemixt haben. Im Grunde war ich derjenige, der die gesamte Produktion koordiniert und den Überblick behalten hat. Deshalb habe ich dieses Mal auch einen Producer Credit bekommen.

Wir waren – wie schon bei den letzten beiden Alben – wieder bei Viktor Satura und haben dort alles aufgenommen. Es lief eigentlich genauso wie sonst auch, nur dass wir die Vocals diesmal nicht dort eingesungen haben. Für die cleanen Gesänge wollten wir lieber mit Jakob arbeiten, einfach um etwas Neues auszuprobieren. Beim Mix war es ähnlich: Wir wollten kein drittes Album machen, das genauso klingt wie die beiden davor – auch wenn wir mit denen natürlich zufrieden sind. Aber wir wollten, dass das neue Album frischer und anders klingt. Außerdem passten die Songs, so wie sie geschrieben und gedacht waren, einfach besser zu einem moderneren, größeren Sound. Und genau deshalb haben wir das diesmal so umgesetzt. Ein paar Sachen habe ich auch zu Hause hier aufgenommen – ein paar Soli, die ganzen Keyboards und so – alles hier. Also im Prinzip ist es in drei Studios aufgenommen worden.

Time For Metal / Kay
Das habt ihr wohl alles richtig gemacht. Es klingt super. Eine meiner Favoriten, Amorphis, waren für ihr aktuelles Album auch bei Jens und haben sich vom langjährigen Produzenten getrennt.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ich glaube, das ist einfach ein anderer Ansatz. Das Beispiel mit Amorphis ist da vielleicht gar nicht so schlecht. Die haben ja mit Jens Bogren gearbeitet, und Jens Bogren ist, denke ich, jemand, der sehr gitarrenorientiert denkt. Jacob Hansen – oder Jay Hage, wie er sich selbst nennt, ich bin da immer etwas unsicher, wie man es richtig ausspricht – hat dagegen, wie soll ich sagen, die „großen Ohren“. Er hört einfach sehr genau hin, nimmt das gesamte Klangbild wahr und arbeitet intensiv mit allen Spuren, die man ihm gibt.
Ich glaube, genau deswegen hat er auch so einen fantastischen Job bei Katatonia gemacht, mit denen er ja ebenfalls gearbeitet hat – oder, wie du schon sagst, bei Amorphis. Auch bei Arch Enemy kann man das gut sehen: Die vorletzte Scheibe hat Jacob Hansen produziert, die aktuelle stammt von Jens Bogren – und da merkt man schon die kleinen Unterschiede, wo jeweils die Schwerpunkte gesetzt werden. Beide sind großartige Produzenten, das würde ich nie kritisieren. Aber sie haben eben unterschiedliche Herangehensweisen – und für uns war Jacobs Ansatz gerade für dieses Album einfach genau der richtige.

Time For Metal / Kay
Du erwähntest gerade Katatonia. Da fällt mir sofort Echo Attempt ein. Als ich den Song hörte, dachte ich sofort: Das kennst du irgendwie – nicht alles, aber die eine oder andere Passage. Sind Death-Metal-Bands wie Swallow The Sun, Katatonia oder In Flames Einflüsse eurer Songs? Immerhin passt ihr stilistisch schon in diese Richtung.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Also, da sind schon einige Einflüsse dabei. Swallow The Sun weniger als Katatonia, wobei ich früher super viel Swallow The Sun gehört habe, deswegen ist es bei mir jetzt auf jeden Fall in den Einflüssen mit drin. Ja, das sind alles gute Bands, und mit denen wird man gerne verglichen, solange der Vergleich nicht darauf hinausläuft, dass wir genauso klingen. Aber ja, in einem Atemzug mit diesen Bands genannt zu werden, ist natürlich erst mal etwas sehr Positives. Und das, was du bei Echo Attempt gehört hast, sind Referenzen an Katatonia. Ein Part in dem Song wird bei uns der Brave-Part (Brave New World von 1996, Anm. d. Redakteurs) genannt und ist eben eine Referenz an genau dieses Album.

Time For Metal / Kay
Da habe ich also richtig gehört. Eine weitere Sache, die mir aufgefallen ist: Es gibt jetzt so richtige Gitarrensoli. Besonders aufgefallen ist mir das gleich bei Glass Bleeding – übrigens auch ein guter Wechsel zwischen Clean und Growl – dann bei Echo Attempt und auch bei Generation Of The Void.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, das sind jetzt richtig platzierte Soli. Wir hatten immer irgendwie Soli, aber das stimmt, auf diesem Album sind sie deutlicher herausgearbeitet. Vorher war es eher anders geartet.

Time For Metal / Kay
Ja, genau, und das fällt eben auf. Das ist auch ein sehr positiver Aspekt. Ich bin zwar nicht unbedingt der Gitarrenfreak, aber ich finde, es passt ganz gut, wenn man ein richtig schönes, cooles Gitarrensolo hat. Und wenn es dazu noch einen guten Sänger gibt, passt alles richtig schön zusammen. Auch habt ihr Keyboards dabei – auf der Bühne dann aber sicherlich nicht, oder?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Nee, dafür ist es nicht keyboardlastig genug. Das meiste, was wir an Sounds benutzen, sind eher Soundeffekte – wenig Akkorde oder Melodien –, eher wie aus der Filmmusik oder von Filmtrailern, also mehr Soundscapes. Die Sachen, die man auf dem Keyboard gut umsetzen könnte, tauchen im Laufe des Sets nicht oft genug auf, um einen Keyboarder zu rechtfertigen. Daher lassen wir das heutzutage vom Band kommen.

Time For Metal / Kay
Dann wird es ja live auch schwierig, zu improvisieren.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Das haben wir beide noch nie gemacht. Wir spielen schon seit – ich weiß gar nicht, wie lange – auf Klick und haben unser Set ziemlich genau durchstrukturiert. Keine Choreografie im eigentlichen Sinne, aber der Ablauf steht fest: Das Set beginnt exakt an einem bestimmten Punkt, dauert genauso lange, und alles ist vorher geprobt – eben auf Klick.
Das machen wir im Grunde schon fast immer. Früher – ganz, ganz früher – haben wir oft viel zu schnell gespielt. Deshalb haben wir irgendwann angefangen, mit Metronom zu arbeiten, um uns zu zügeln. Wir waren damals einfach zu nervös, zu aufgepeitscht, und dadurch haben wir die Songs manchmal verhunzt, weil uns das Gefühl fürs richtige Tempo fehlte. Seitdem spielen wir live konsequent mit Metronom.

Time For Metal / Kay
Ok, verstehe. Wird ja heute fast überall so gemacht und dürfte ein passender Weg sein. Ich bin ja so ein Kind der 70er, da gab es viele Bands mit Improvisationen bei den Konzerten – Deep Purple, die ihre Klassiker jeden Abend etwas anders spielten, Gitarrensoli von Blackmore, mal länger, mal kürzer. Das gibt es heute, glaube ich, nur noch im Progbereich oder beim Jazz.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
An sich auch cool, aber das hängt stark von der Musikrichtung ab, ob das Sinn ergibt. Bei uns finde ich, dafür ist es zu durchkomponiert und zu modern. Es gibt gar keine Passagen, in denen man jetzt irgendwie ausflippen oder improvisieren könnte.

Time For Metal / Kay
Ich freue mich auf die Konzerte, bei denen auch neueres Material gespielt wird.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ja, ich glaube, wir haben eine gute Mischung aus alten und neueren Songs.

Time For Metal / Kay
Schauen wir uns mal die Texte auf der neuen Platte an. Ich nehme mal den Nuclear Blast-Begleittext als Grundlage. Es sollen Texte sein, die stark von der Pandemie, den derzeitigen Verhältnissen und der Unsicherheit, was die Zukunft bringt, geprägt sind – also eine „Generation der Leere“. Hat das eine bestimmte Bedeutung? Was habt ihr euch dabei gedacht?

Nailed To Obscurity / Raimund
Ich sage mal so: Am Ende soll es jeder für sich selbst deuten – das war mir eigentlich schon immer wichtig. Wir haben diese sozialkritische Komponente mit berücksichtigt, die in der Zeit, in der dieses Album nun erscheint, besonders interessant ist.
Das Songwriting begann – wenn ich jetzt an die Texte denke und an das Sammeln von Ideen – sogar noch vor Corona, also quasi in der Pre-Corona-Zeit. Ich denke, für Ole und Volker wird es bei den ersten musikalischen Skizzen ähnlich gewesen sein. Diese Phase hat sich aber über die ganze Zeit hinweggezogen, und das Album hat dadurch eine gewisse Schwere und Tragweite bekommen, die man am Anfang vielleicht gar nicht so stark darin gesehen hat. Als wir dann im Studio waren – zu dritt, also Jakob, Volker und ich – und die Vocals aufgenommen haben, haben wir viel über genau diesen Songtitel gesprochen. Ursprünglich war das ja nur ein einzelner Songtitel, aber für mich persönlich ließ sich dieser Begriff am besten über das gesamte Album legen. Ole und Volker hatten sofort Anknüpfungspunkte, und daraus entstand diese gemeinsame Idee: Sind wir – die Generation, die heute lebt – diejenigen, die ins Nichts steuern? Oder ist es die Leere in uns, die wir alle spüren? Und füllen wir diese Leere vielleicht mit der Negativität, die von außen auf uns einströmt – durch Dinge, die wir täglich mitbekommen? Sei es der Krieg in Europa, der Nahostkonflikt, der wieder viel virulenter geworden ist als noch vor ein paar Jahren, und so weiter.

Ich glaube, es ist einfach ein Titel, der genau jetzt unfassbar gut passt – wenn man ihn so deuten möchte. Aber natürlich gibt es viele Ebenen. Die Texte sind emotional so stark aufgeladen, dass man sie auch in einem kleineren, persönlichen Kontext – in einem eigenen Mikrokosmos – für sich interpretieren kann. Wie gesagt, mir ist es persönlich immer sehr wichtig, dass diese Mehrdeutigkeit erhalten bleibt.

Time For Metal / Kay
Ihr habt den Spirit der Zeit sehr gut erfasst, aber es gibt ja auch Hoffnung. Lauscht man zum Beispiel Overcast, dann heißt es im Abschluss „Moving Forward Meets Leaving Behinds“, was ja doch schon ein positiver Ausblick ist. Somit gibt es nicht nur Tristesse und Dunkelheit, sondern auch Hoffnung. Also insofern glaube ich schon, dass es ein passender Titel ist – beziehungsweise auch passende Worte dazu, die nicht nur Schwarz-Weiß malen, sondern eben auch ein wenig Farbe ins Dunkel bringen, also das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Nicht nur depressiv.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ja, genau – das ist auch etwas, das ich ganz, ganz wichtig finde. Ich finde es auf eine gewisse Art und Weise falsch – „falsch“ ist vielleicht ein hartes Wort, weil es so eindeutig klingt –, aber ich sage mal: Wenn jemand sagt, das sei depressive Musik, dann impliziert das ja, dass die Musik selbst depressiv ist oder einen depressiv macht. Das stimmt so aber nicht. Die Musik ist zwar aufgeladen mit vielleicht depressiven Gedanken oder Stimmungen, aber am Ende ist sie atmosphärisch, melancholisch – und hat in der Regel auch etwas Schwärmerisches.

Ich fand es in einem Interview sehr interessant – da wurde mir etwas gesagt, worüber ich selbst vorher gar nicht nachgedacht hatte: Dass es eigentlich ganz charmant ist, dass das Album mit Glass Bleeding beginnt, einem regelrechten Bollwerk von einem Song, der aber gleichzeitig schon eine gewisse Zerbrechlichkeit andeutet – fast schon auf einer positiven Note. Und dass es mit Eyes Of Life endet, einem Stück, das eine große Frage offenlässt, aber musikalisch sehr erhaben und durchaus hoffnungsvoll ausklingt. Das, finde ich, ist etwas sehr Schönes – weil das Album dadurch am Ende des Tages eine gewisse Ambivalenz behält.

Time For Metal / Kay
Das ist ein interessanter Ansatzpunkt, der mir leider nicht eingefallen ist. Aber da siehst du, dass sich Menschen mit euren Platten intensiv beschäftigen und dann ihre Schlüsse daraus ziehen. Das lass ich dann auch mal so stehen. In Anbetracht der Zeit gehen wir noch mal etwas auf die Personalie ein. Seit letztem Jahr ist ja der Lutz Neemann für Carsten Schorn (Bass) dabei. War der schon am Songwriting beteiligt?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Nein, der war bei diesem Prozess komplett nicht dabei.

Time For Metal / Kay
Ok, wer ist denn bei Nailed To Obscurity für Songwriting und Lyrics verantwortlich?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Normalerweise ist es so, dass Volker und ich die Grundideen liefern. Wir arbeiten zunächst für uns vor, überlegen, wohin sich ein Song entwickeln soll und was die zentrale Idee dahinter ist. Irgendwann setzen wir uns dann gemeinsam daran, aber im Prinzip schreiben wir den Großteil zu zweit – und finalisieren am Ende sowieso alles zusammen. Ich glaube, in den ersten ein, zwei Jahren kam das Meiste von mir. Später brachte Volker dann immer mehr eigene Ideen ein, sodass der Songwriting-Prozess mit der Zeit etwas Volker-lastiger wurde. Aber letztlich entstehen und finalisieren wir die Songs immer zusammen. Dieses Mal haben wir das besonders intensiv zu zweit gemacht – auch den Bass haben wir fast komplett selbst geschrieben, bis auf ein paar Ausnahmen. Das lag auch daran, dass die klassischen Proberaum-Sessions diesmal weggefallen sind.

Nailed To Obscurity, 03.11.2024, Logo, Hamburg, Pic by Kay L.

Bei den Drums war es ähnlich: Es gibt zwar Songs, bei denen Jan sehr viel selbst geschrieben hat, aber in vielen Fällen haben Volker und ich die Grundstruktur bereits im Studio vorgegeben. Wir haben die Drums so programmiert, wie wir sie uns vorgestellt haben, und darauf basierend dann die Riffs weiterentwickelt. Was Jan am Ende gespielt hat – insbesondere die Finessen, etwa bei den Fills – stammt natürlich von ihm. So bringt letztlich jeder etwas Eigenes in die Songs ein. Bei den Texten ist es hingegen so, dass sie zu hundert Prozent von Raimund stammen. Der Einfluss von Volker und mir liegt viel mehr im Tonalen – also darin, wie etwas gesungen und phrasiert wird. Da haben wir schon einen recht großen Einfluss.

Und manchmal – eigentlich bei fast jedem Song – gibt es Stellen, bei denen wir sagen: „Der Text ist cool, aber das klingt total schräg, wenn man es singt.“ Dann zwingen wir Raimund gewissermaßen, das zu ändern. Aber die Texte selbst stammen trotzdem immer vollständig von ihm – nur ab und zu nötigen wir ihn, Kleinigkeiten anzupassen, wenn sie klanglich nicht funktionieren. Das sind Worte, die sich nicht so gut phrasieren lassen, die nicht in die Rhythmik passen. Wir wollen das aber so haben und sind dann auch stur. Dann muss das Wort eben ausgetauscht werden, damit es die richtigen Silben hat. Oder das Wort endet sperrig, was als Growl cool klingt, aber auch als Cleangesang nicht passt.

Time For Metal / Kay
Ok, verstehe. Das muss sich dann im Song „passend“ anhören. Ich stelle mir das nicht leicht vor, ein Wort zu finden, das sowohl inhaltlich als auch rhythmisch passt.

Nailed To Obscurity / Raimund
Das liegt daran, dass wir auch im Prozess der Gesangsmelodien sehr eng zusammengearbeitet haben. Die Melodien selbst kamen zwar zum Großteil von Ole und Volker, aber wir haben sie gemeinsam ausprobiert und weiterentwickelt. Dabei mussten wir natürlich irgendetwas singen – und „la la la“ lässt sich nun mal nur schwer in ein Versmaß pressen. Also haben wir Wörter eingesetzt, um ein Gefühl für den Fluss zu bekommen. Wenn diese dann zufällig auf einem offenen Vokal endeten, war das oft schön – aber manchmal wollte ich inhaltlich etwas anderes ausdrücken. Dann kam es vor, dass mein gewünschtes Wort auf einer unschönen Silbe endete, wie zum Beispiel bei impossible mit dem harten „-ble“ am Schluss. So entstand die Situation, in der wir die „Schere“ ansetzen mussten. Ich glaube aber, dass wir in diesem Prozess schnell einen guten gemeinsamen Weg gefunden haben. Ich habe versucht, mitzudenken und zu akzeptieren, dass es nicht darum geht, meinen Kopf durchzusetzen, sondern dass das Ergebnis am Ende stimmig klingen muss. Das ist sozusagen die Extrameile: denselben Ausdruck beibehalten, aber andere Wörter finden, die sich klanglich schöner in die Musik einfügen. Und ich glaube, das hat am Ende zu sehr guten Resultaten geführt – hoffe ich zumindest.

Time For Metal / Kay
Also, ich habe da nichts festgestellt, was mir gesanglich nicht gefällt. Alles passt zusammen. Ich bin mal gespannt, wie sich das auf der Bühne anhört. Am 19. November geht es in Dresden los – erste Headliner-Tour.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Richtig, Dresden, die erste Show, ja.

Time For Metal / Kay
Die Tour endet dann in Essen?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Nee, das ist die vorletzte. Die letzte ist hier bei uns in Ostfriesland, in Emden.

Time For Metal / Kay
Stimmt, hatte ich überlesen. Am 04.12. ist Hamburg, das Logo, dran. Wir sind dabei. Bin gespannt auf die Setlist. Müsst ihr jetzt nicht verraten, ich lass mich gerne überraschen. Seid ihr aufgeregt?

Nailed To Obscurity / Raimund
Für meinen Teil bin ich immer ein bisschen aufgeregt. Ich bin auch sehr aufgeregt vor Touren – und jetzt auch mit dem verdammten ****** Husten. Ich bin ein bisschen gehandicapt, um so richtig in die Vorbereitung zu gehen. Aber ich sage mal so: Nicht aufgeregt, eher etwas nervös, ob alles gut klappt, ob wir mit den Songs gut aufgenommen werden und ob logistisch alles funktioniert. Es ist ja nicht unsere erste Tour, aber diesmal sind wir sozusagen verantwortlich.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, wir haben ja schon ein paar neue Songs live gespielt, gerade erst in Griechenland und in der Türkei. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, ist gut angekommen und hat sehr gut funktioniert. Ein bisschen Aufregung ist wahrscheinlich schon da, aber eigentlich freut man sich einfach, auf die Bühne zu gehen und zu spielen. Eigentlich wissen wir mehr oder weniger, was zu tun ist.

Time For Metal / Kay
Denke ich. Ihr macht das ja nicht zum ersten Mal.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Früher, in den Anfangszeiten, war ich so aufgeregt, dass es mir auch nicht gut ging. Man hatte wirklich Angst und fragte sich: „Warum mache ich das?“ Irgendwie hab ich’s dann doch weitergemacht. Aber das war am Anfang extrem, weil man erstens die Erfahrung noch nicht hatte und zweitens wusste, dass man es noch nicht so gut konnte. Wenn man richtig Angst hat, dann meistens, weil man weiß, dass man versagen könnte. Heute fühlen wir uns so sicher mit dem, was wir tun, dass es eigentlich nur noch Spaß ist – deswegen bin ich nicht so aufgeregt.

Time For Metal / Kay
Bis jetzt habe ich eure Auftritte als sehr professionell wahrgenommen. Da war nichts, was auf Unsicherheiten hindeutet. Es passt einfach immer zusammen, und ich habe euch ein paar Mal gesehen.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, ich bin sehr gespannt. Ein bisschen Adrenalin ist natürlich immer dabei. Tatsächlich ist für mich das Stressigste, die Logistik – dass alles auf der Bühne steht und funktioniert. Das war der größte Nervenkitzel in Griechenland, als unsere Technik halb kaputt angekommen ist und wir sie eine Minute vor dem Auftritt fertig hatten. Aber selbst da war danach alles entspannt.

Time For Metal / Kay
Ja, wenn ihr in Hamburg spielt, dann ist die Tour fast rum und ihr habt eure Routine. Habt ihr eigentlich einen eigenen Beleuchter mit?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, der spielt bei uns jetzt Bass.

Time For Metal / Kay
Ok, dann soll er die ersten drei Songs nicht zu dunkel machen. Ich als Fotograf bin dann immer eingeschränkt.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Wir haben keinen eigenen Lichttechniker mehr dabei. Früher war das Lutz. Er macht das auch weiterhin. Wir haben uns zu zweit schon eine Woche hingesetzt und eine neue Lichtshow programmiert. Aber genau das läuft automatisch. Es wird angeschmissen, und dann läuft alles gut – so hoffen wir. Wenn nicht, sieht es zwischendurch vielleicht etwas bescheuert aus, aber in der Theorie klappt alles.

Time For Metal / Kay
Ja, na ja. Ich sehe das ja auch aus der Sicht eines Fotografen. Da ist es manchmal schwierig, gute Bilder zu bekommen, gerade bei Rot, Blau, Nebel, wenig Weiß. Na ja, das eine oder andere Bild wird schon klappen.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, wird schon passen. Ich glaube, das Logo erlaubt die ganze Zeit, Fotos zu machen. Es gibt ja keinen Fotograben. Diese Regelung mit den ersten drei Songs soll den Künstler schützen und den Kontakt von der Band zum Publikum nicht einschränken. Der berühmte Funke soll überspringen, damit das Konzert ein Erlebnis wird. Und wenn Menschen im Graben dir die Linse ins Gesicht halten – klar, etwas überspitzt – ist das schwierig.

Time For Metal / Kay
Das verstehe ich. Außerdem sieht der eine oder andere Künstler nach dem dritten Song nicht mehr so fotogen aus. Nicht bei euch, aber bei älteren Bands. Lenkt das wirklich so ab?

Nailed To Obscurity / Raimund
Als derjenige, der versucht, das Publikum einzubeziehen – ich bin ja in Anführungszeichen „die Stimme“ – ist es schon so, dass ich Fotografen manchmal mehr anvisiere als das Publikum, besonders in größeren Locations. In kleineren Clubs, wie Ole schon sagte, haben es die Fotografen eh schwer, weil es keinen Graben gibt und sie sich den Platz vorne erkämpfen müssen. Dann habe ich die Nähe zum Publikum, und die Störquelle durch Fotografen ist nicht da.

Time For Metal / Kay
Ja, das habe ich aus dieser Perspektive auch noch nie gesehen.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, gerade bei Festivals fällt es besonders auf: Oft ist viel Platz zwischen Bühne und Publikum. Das fühlt sich einfach schon mal weit weg an. Dann muss man versuchen, den Funken überspringen zu lassen, und hat noch Leute halb unter sich stehen. Das ist schwierig. Und dann kommt auch noch zum Tragen, dass vor allem Frauen es auf der Bühne unangenehm finden, ständig von unten fotografiert zu werden, was ich gut verstehe.

Time For Metal / Kay
Da hast du recht. Ist alles gut nachvollziehbar und könnte auch für Frauen als Belästigung angesehen werden.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ich habe das selbst schon oft erlebt, dass ich dachte: „Wo zeigt die Kamera hin?“ Mir war das egal, aber bei einer Frau, die einen Rock trägt, ist es nicht so gut.

Time For Metal / Kay
Ja, mir ist das auch aufgefallen. Trotzdem gibt es hübsche Frauen, wie Tatiana von Jinjer, die sehr fotogen ist. Aber du hast recht, die Grenze ist schwammig. Da muss sich jeder Fotograf selbst kontrollieren. Aber insgesamt sollten drei Songs vor der Bühne ausreichen, um ein paar anständige Bilder für einen Bericht zu bekommen. Wer sein Geld damit verdient, muss natürlich sorgfältiger arbeiten. Professionelle Fotografen haben aber auch andere Möglichkeiten.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Die dürfen ja auch aus der Menge fotografieren. Meiner Erfahrung nach kommen die besten Fotos meist aus der Menge oder von weiter hinten – nicht von ganz vorne.

Time For Metal / Kay
Ok, nehmen wir das mal als Schlusswort. Wir haben jetzt eine Stunde geredet, und es war spannend, interessant und unterhaltsam. Für die halbe Stunde, die ich angesetzt hatte, ist das eine Steigerung um 100 %. Für mich ist das nicht schlimm, solange ihr Zeit habt und ich euch nicht von etwas Wichtigem abhalte. Außerdem müssen wir auf die Gesundheit von Raimund achten.

Nailed To Obscurity / Raimund
Ne, alles gut. Ich hab ja Tee.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Und mich hält es nur etwas vom Essen ab.

Time For Metal / Kay
Echt, ja, wem sagst du das. Ich muss jetzt auch gleich noch essen und dann mit den Hunden raus. Vielen Dank. Ihr habt ja demnächst noch einen Podcast mit uns.

Nailed To Obscurity / Raimund
Genau, irgendwie im November, vor der Tour.

Time For Metal / Kay
Ich werde mich beeilen, das Interview zu Papier zu bekommen, vielleicht hat der eine oder andere dann noch Lust, euch live zu sehen.

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Das wäre super. Im Moment sind die Vorverkäufe okay, aber es könnte noch etwas mehr sein. Bei größeren Touren sind die Vorverkäufe nicht immer stark – jetzt gerade ist nicht die allerbeste Zeit. Wenn die Zahlen schlechter wären, wäre ich nervöser.

Time For Metal / Kay
Ich war in letzter Zeit bei einigen Konzerten. Da war immer noch Platz in der Halle. Also „Sold Out“ war da nicht. Zu viele Angebote? Zu hohe Preise?

Nailed To Obscurity / Jan-Ole
Ja, ich denke, da kommt alles zusammen. Ich gehe nicht davon aus, dass alle Läden rappelvoll werden, was auch vom Wochentag abhängt. In manchen Clubs, wo wir selbst mit größeren Bands schon Probleme hatten, erwarte ich keinen riesigen Andrang. Aber wir werden sehen. Ich denke, es wird insgesamt schon ganz gut. Nervös müssen wir nicht sein, vor allem kenne ich Zahlen von anderen Bands, die vielleicht größer sind und schlechter aussehen.

Time For Metal / Kay
Bis dahin ist noch Zeit, ich denke, das wird schon. So, genug der Worte. Herzlichen Dank. Einen wunderschönen Restabend, wir sehen uns am 04.12., solange alle gesund sind, im Logo.

Damit endet das Interview. Vielen Dank an Raimund und Jan-Ole für die Zeit und die offenen Worte. Die Tourdaten findet ihr hier:

Nailed To Obscurity: kündigen Europatour für Herbst 2025 an