ClearxCut – Age Of Grief

Metalcore-Rohkost mit Vernunft-Zertifikat und Nachhaltigkeitssiegel

Artist: ClearxCut

Herkunft: Deutschland

Album: Age Of Grief

Spiellänge: 30:07 Minuten

Genre: Metalcore, Hardcore, Vegan Straight Edge Metal

Release: 26.04.2024

Label: Lifeforce Records

Link: https://clearxcut.bandcamp.com/album/age-of-grief

Bandmitglieder:

Gesang – Gabriel Dubko
Gitarre – Marco Härter
Gitarre – Tim Sadowski
Bassgitarre – Tobias Gallin
Schlagzeug – Max May

Tracklist:

1. The Seventh Seal
2. Burial Shroud
3. Against Levitathan
4. Unwritten
5. Collecting Scars
6. Privilege
7. Putrefaction
8. Ghosts Of The Past
9. Enter Demise

Das deutsche Quintett ClearxCut hat am 26.04. dieses Jahres sein drittes Album vorgelegt. Es trägt den Titel Age Of Grief und reiht sich in die Diskografie einer Band, die sich selbst als Kollektiv versteht und nach mehreren Besetzungswechseln auch stilistisch einige Neuerungen im Programm hat. War die Gruppe bisher noch stark vom Hardcore Punk beeinflusst, klingt das neue Album schon deutlich metallischer. Alle Mitglieder leben vegan und Straight Edge, und es ist der Band wichtig, ihre Weltsicht als Botschaft nach außen zu transportieren. Das Symbol der Straight-Edge-Bewegung findet sich in Form des x auch im Bandnamen. Das Ganze hat übrigens nur wenig mit ausdruckslosen Berliner Hipster-Cafes mit gutem Instagram-Appeal zu tun, denn die Haltung der Band geht weit über den veganen Mainstream hinaus – die waren schon rein pflanzlich unterwegs, bevor es cool war, zudem sticht die Straight-Edge-Subkultur oft als eine der wenigen Lebenshaltungen hervor, deren Konsumverzicht tatsächlich glaubhaft authentisch und nachhaltig ist, vor allem, weil der Appell an die Vernunft so präsent ist. Musikalisch gesehen bedeutet das, dass die Band ihre Hörer mit der harten Realität, den dunklen Seiten des Konsums und den Auswirkungen davon auf Mensch und Umwelt konfrontiert. Und das funktioniert ganz wunderbar mit einem Album, das insgesamt sehr roh und martialisch klingt. Age Of Grief ist wuchtig, authentisch und konsequent, und was man ab der ersten Nummer bekommt, kriegt man auch über die gesamten 30 Minuten Spielzeit.

Es beginnt mit dem energisch wütenden The Seventh Seal, das recht deutlich macht, was geboten wird: traditioneller Metalcore mit Hardcore-Wurzeln, was wunderbar zur Straight-Edge passt. Elektronische Sounds verleihen dem Stück einen leichten Industrial-Vibe, der sich sehr gut einfügt. Burial Shroud ist melodiöser Uptempo Metal, und vor allem die Chord Progressions und leicht dissonanten Leads im Outro sind bemerkenswert. Auch Against Leviathan glänzt durch gute Harmonien. Gegen Ende bricht ein Doublebass-Gewitter los, das sich gewaschen hat. Unwritten beginnt leicht schleppend, wuchtig und massiv im Halftime, bevor es nach kurzer Pause in den Doubletime geht und das Tempo anzieht. Dieses Metalcore-Grundrezept kennen die Jungs gut, sie wenden diese Songstruktur konsequent auf fast allen Songs an. In Unwritten hören wir auch tonale Screams, die authentisch und aus tiefster Seele kommen. Das passt gut, und auch die Gang Vocals fügen sich toll ein. Collecting Scars prügelt schnell und aggressiv, bevor in feinster Architects-Manier ein plötzliches Bleagh in den Break einleitet. Das wirkt allerdings auch wie der moderne Stempel auf einem Song, der sich sonst nicht hervorhebt. Das sehr kurze Privilege kritisiert dann offensichtlich modernen Wohlstand und Bequemlichkeit. Der zweite Teil des Songs wird von rauchigen Akustikgitarren getragen, und es wirkt, als betrauere die Band, wie die Vernunft dem Wohlstand und der Dekadenz zum Opfer gefallen ist. Weiter geht es mit der Doublebass-Walze Putrefaction, und was soll man sagen – das ist Moshpit vom Feinsten. Schnell, laut, krank, geil. Ghosts Of The Past und The Eternal Demise runden das Album in vergleichsweise emotionaler Manier und langsameren, tragenden Parts ab.

ClearxCut – Age Of Grief
Fazit
Ein authentisches Album, das sich hören lassen kann. Wer Abwechslung und Überraschungen, Pop-Melodien oder musikalische Virtuosität sucht, könnte es als etwas langatmig empfinden, denn die Songs variieren insgesamt recht wenig, und nur wenige heben sich wirklich von den anderen ab. Doch die Energie ist gut, die fünf Jungs verdreschen ihre Instrumente und schreien die Aufnahmekabine dermaßen zusammen, dass man direkt Lust auf live bekommt. Die Produktion kommt insgesamt roh und wütend rüber und weckt den Eindruck, dass die Songs ganz bewusst nicht durch digitale Spielereien auf Hochglanz poliert wurden. Dieses Unperfekte passt zur Konsumkritik der Musiker und hebt sich durchaus positiv von modernen und größtenteils computergenerierten Alben ab, die derzeit die Metal-Charts dominieren. Die Musik, die Band und ihre Botschaft sind also ein durchaus stimmiges Gesamtkonzept.
Und weil sich Musik besonders anschaulich nach Kategorien einer Weinverkostung evaluieren lässt, ergeht hier noch abschließend folgendes Urteil: Wäre Age Of Grief ein Wein, dann wäre dieser auf jeden Fall ein alkoholfreier, veganer und regional nachhaltig produzierter Qualitätsrotwein aus gutem Jahrgang mit Hardcore-Allüren, dessen Trauben nicht gepresst, sondern regelrecht zerstört wurden. Ein Hauch von Kopfsteinpflaster, buntem Salat und entkoffeinierter Kaffeebohne. Ausdrucksstark und tiefgründig, wuchtig und martialisch mit sanftem Abgang. Elegant und kurzweilig prescht er sich den Weg übers linke Gaumensegel in den Magen des politischen Aktivismus, wo er wunderbar leicht verdaulich ist. An sich grundsolide und ausgewogen angenehm und erwartbar, in seinem Segment sicherlich eine Empfehlung, mehr als eine Flasche geht aber nicht.

Anspieltipps: Burial Shed und Privilege
Jakob P.
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