Heilung – Drif

Hohe Kunst mit minimiertem Hörspaß

Artist: Heilung

Herkunft: Dänemark, Deutschland, Norwegen

Album: Drif

Spiellänge: 59:15 Minuten

Genre: World Music, Neofolk, Folk Metal, Folk Rock

Release: 19.08.2022

Label: Season Of Mist

Link: https://www.facebook.com/amplifiedhistory/

Bandmitglieder:

Gesang und Instrumente – Maria Franz
Gesang und Instrumente – Kai Uwe Faust
Gesang und Instrumente – Christopher Juul

Tracklist:

  1. Asja
  2. Anoana
  3. Tenet
  4. Urbani
  5. Keltentrauer
  6. Nesso
  7. Buslas Bann
  8. Nikkal
  9. Marduk

Das nordeuropäische Projekt Heilung konnte in den letzten Jahren immer mehr Spuren hinterlassen. Vor acht Jahren gegründet, begann der Streifzug mit dem Album Ofnir 2015. Die Kompositionen basieren laut den drei Protagonisten auf Original-Artefakten sowie überlieferten Texten aus der Eisenzeit und der Wikingerzeit. Daher geben die Künstler ihren Melodien folgende Bezeichnung als Genre auf dem Weg „Amplified History From Early Medieval Northern Europe“. Das behält wohl keiner auf Anhieb. Gemeint ist damit die Geschichte des frühmittelalterlichen Nordeuropas. Das Vergnügen an den altertümlichen wie rituellen Klängen schneidet die Szene in zwei Lager. Mit dem dritten Langeisen Drif soll die Pro-Horde weiter aufgestockt werden. Season Of Mist wurde für die neue Reise die Treue gehalten. Die neun Sequenzen bringen verschiedenste Aspekte mit. Der Silberling wurde umfangreich gestrickt, dennoch bleiben die immer wiederkehrenden Abfolgen ein Rezept, das früher nun mal das Mittel zum Zweck war.

Eröffnen darf Asja und dringt tief in Neofolk Gefilde vor. Harmonisch gleiten die Atmosphären dahin. Vor dem inneren Auge zieht das weite skandinavische Land auf. Dunkle Wolken küssen das nasse Gras, die Tropfen laufen langsam am Halm herunter, um lautlos auf den Boden zu fallen. Die Schockwellen der Trommeln treiben die Gischt übers flache Land. Die Wolken bleiben am Gebirge hängen, hinterlassen dunkle Gedanken und wirken bedrohlich auf den Hörer. Dieses Feeling greift der zweite Titel Anoana ein zu eins auf. Lust muss man trotzdem auf die Interpretation von Heilung haben. Langwierige Passagen setzen auf kleine Höhepunkte, die in den bedrohlichen heidnischen Soundwänden für Abwechslung sorgen sollen. Das wiederum gestaltet sich schwieriger, als man hier erahnen kann. Pulsierend reiten Heilung meist sehr gemächlich durch die Songs. Dafür lebt die Kunst von den vielen verschiedenen Instrumenten, den ergreifenden Gesangspassagen und dem Grundgedanken an unsere Vorfahren, die vor Jahrhunderten in unserer Region gelebt haben. Die Wellen der Nordsee tragen kleine Schaumkronen ans Ufer. Die vor den Inseln aufgepeitschten Wellenberge werden natürlich gebrochen, um langsam, aber nicht ungefährlich auszulaufen. Tenet lebt die Schwermütigkeit in fast 14 Minuten, um dann den Staffelstab der Kurzsequenz Urbani zu übergeben. Dramatik zieht auf, um den Hörer für die Geschichte der Keltentrauer in Stimmung zu bringen und in diese eintauchen zu lassen. Die Erzählung kann man gehört haben. An Umsetzung mangelt es nicht, nimmt jedoch noch mal den Fluss aus Drif. Da vorher nie ein ganzes Album der Band am Stück den Weg in meine Ohren fand, ist die Beurteilung zum alten Material nicht möglich. Die schwere Kost in mehreren Durchläufen seziert, schneidet das Herz in zwei Teile. Auf der einen Seite entfacht die alte Liebe zum Heidentum aufs Neue, die man nur spüren kann, wenn man mit der nordischen Mythologie und Ahnenfolge verbunden ist. Auf der anderen Seite bringen die Werke den Körper an die Grenze. Zwischen Interesse und Überdruss braucht man die innere Ruhe, um trotz der schnelllebigen Zeit Nesso oder auch Buslas Bann bis zum Ende zu lauschen. Kurz vorm abschließenden Paukenschlag rollt Nikkal ins Land. Das keltische Stück gilt als die älteste musikalische Notation einer Melodie. Sie stammen aus der bronzezeitlichen Stadt Ugarit. Marduk war zunächst der Stadtgott Babylons und wurde unter Hammurabis Herrschaft zur Hauptgottheit in ganz Babylonien erhoben. Heilung haben Marduk den Abschluss von Drif gewidmet und ziehen in über acht Minuten zum letzten Mal alle dunklen Gedanken auf, die in pechschwarzen Wolken zu einem gewaltigen Unwetter ansetzen.

Heilung – Drif
Fazit
Genie und Wahnsinn. Kunst in Kombination mit Kultur. Heilung machen sich ihre Musik nicht einfach. Gut strukturiert, mit dem Blick fürs Wesentliche schaffen die drei Künstler einen ganz eigenen Kosmos und bringen ihre Formation in eine Stellung, diese ganz alleine zu bespielen. Einfach, das muss man dazu sagen, ist Drif nicht. Nach mehreren Durchläufen am Stück qualmt ganz schön die Rübe. Je nach Stimmung kann man den Silberling aufdrehen. Ob alle Nummern am Stück zelebriert werden müssen, muss jeder für sich selber entscheiden. Wie schon offen erwähnt, schlagen in mir zwei Herzen, die gemeinsam diese Bewertung vorgenommen haben. 

Anspieltipps: Anoana, Nikkal und Marduk
René W.
7.3
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