Hranice Abyss – Aphagy (EP)

Die Verbindung von viszeraler und ästhetischer Schönheit musikalisch inszeniert

Artist: Hranice Abyss

Herkunft: Brasilien

Album: Aphagy (EP)

Spiellänge: 18:37 Minuten

Genre: Death Metal, Deathcore

Release: 27.08.2021

Label: Eigenproduktion

Link: https://www.facebook.com/hraniceabyss

Bandmitglieder:

Gesang – Vic Ferreira
Gitarre – Henrique De Fina
Bassgitarre – Bruno Nicolozzi
Schlagzeug – Lucas Coltri

Tracklist:

  1. Voiceless
  2. Flawless Oblivion
  3. Thoughtseize
  4. Violation Of Human Condition
  5. Byron’s Embrace
  6. Pathfinder

Das Quartett aus São Paulo macht sich nicht nur um seine Musik Gedanken, sondern auch um die menschliche Existenz. Hranice Abyss sucht die Verbindung von viszeraler und ästhetischer Schönheit, von reiner Katharsis bis zur Sublimation. Nach zwei Singleveröffentlichungen folgt nun das Debüt.

Die lyrischen Themen greifen philosophische Fragen von Adorno und Horkheimer auf, Nietzsches Nihilismus, Baumans flüssige Beziehungen und die Simulationen von Baudrillard.

Wenn wir die Freudsche Psychoanalyse und die Poesie von Byron betrachten, werfen wir Fragen auf, wohin der postmoderne Mensch wirklich passt, mit seinen Komplexen und Traumata, der Resignifikation des Lebens und affektiven Beziehungen in dieser medialen Welt, in der alles ein Produkt ist und in der die mentalen Räume immer kleiner werden. Die Band möchte sich diesem Abgrund stellen und über die Leere nachdenken, die unsere Seelen plagt, um unsere Bedeutung zu finden und in Kunst umzuwandeln.

Das textliche Konzept gefällt mir schon einmal sehr gut, schauen wir einmal, was die Musik kann.

Voiceless dient als Einleitung und kommt sehr krachig und zerstörerisch um die Ecke. In 54 Sekunden wird eine Lärmkulisse geschaffen, die von den ersten Tönen von Flawless Oblivion unterbrochen wird. Nun geht der Spaß erst so richtig los. Flawless Oblivion dreht sich um das moderne Leben, den Verlust des Willens und das freie Denken. Alle Kämpfe, die wir führen, um ein normales, routinemäßiges Leben zu führen und uns dem Willen anderer zu unterwerfen. Aber inmitten all der schwierigen Rückschläge und Momente können sich die Menschen bewegen, wenn auch mit einem Gefühl der Leere im Inneren. Das sind wir. Das ist unsere Geschichte. Dieses klingt nach viel Chaos und Verwirrung und so ist es auch. Der Deathcore hat hier die Überhand genommen. Total interessant ist der Gesang. Hier wird gegrowlt und gecreamt und auch teilweise im Hintergrund gearbeitet. Teilweise wird der Gesang auch gedoppelt. Krasse Soli werden mit eingebaut. Hinzu kommen Riffs, die sich im Death Metal zu Hause fühlen. Ein Song, den man sich definitiv öfters anhören muss und der technisch einwandfrei dargeboten wird.

Mit schönem Tempo und fettem Riffing kommt Thoughtseize zu Beginn daher. Eine Breitseite Death Metal bekommt man auf die Ohren geknallt. Melodische Leads paaren sich dann mit groovigen Parts. Beides wird aber schnell vorgetragen und klingt zwar chaotisch, passt aber gut zusammen und bildet am Ende eine Einheit. Der doppelte Gesang ist wieder der Tongeber und macht das Ganze noch ein bisschen aggressiver. Natürlich dürfen die technischen Elemente nicht fehlen. Hier und da klingen sie dann wie The Black Dahlia Murder.

Spielerisch hat die Band einen Anspruch an sich selbst, so auch bei Violation Of Human Condition. Die Deathcore-Elemente kommen wieder völlig zerstörend herüber und klingen verwirrend, während das Solo z.B. total eingängig ist. Geil ist der mit Stakkato-Riffing vorgetragene drückende Groovepart, der dann volle Kanne niedergemetzelt wird. Puh, wieder so ein starker Tobak. Die Songstruktur ist auch hier wieder schwer nachvollziehbar. Der Gesang metzelt auch hier alles nieder.

Bei Byron’s Embrace arbeiten melodische Elemente und Deathcore-Parts sehr gut zusammen. Natürlich ist man weit von der Eingängigkeit entfernt, aber trotzdem flutscht der Song. Das langsame Riffing zwischendurch dürfte Death Fans der letzten Stunde (Symbolic) beglücken. Danach geht man wieder in die melodische Schiene und klingt völlig wild und unkontrolliert, kommt aber komischerweise zum Punkt.

Pathfinder fängt wieder mit einem geilen Death Metal Part an, liefert Vorspieler und gibt dann Gummi. Hier klingt man am Anfang mal ziemlich direkt. Dieses bleibt auch erst einmal so. Das Riffing ist zwar auch technisch anspruchsvoll, geht aber direkter in die Metalumlaufbahn. Gefällt mir eigentlich am besten. Auch hier ändert sich dieses natürlich, aber da das Stück mehr Death Metal Anteile hat, sagt es mir auch gleich mehr zu.

Echt krasses Zeug, was uns diese Brasilianer da anbieten, für mich schon zu viel, aber das ist definitiv Geschmackssache. Hier werden Einflüsse von Bands wie The Black Dahlia Murder, Necrophagist, Death, Lamb Of Gods, Slayer, Meshuggah und Decapitated zu einer eigenständigen Einheit kombiniert. Sehr interessant, aber mir ist das teilweise zu anstrengend, denn der Fluss wird zu oft unterbrochen, aber das ist echt Geschmackssache. Musikalisch haben die Burschen es drauf, keine Frage.

Hranice Abyss – Aphagy (EP)
Fazit
Eine wilde Mischung aus Death Metal und Deathcore bieten uns diese vier Brasilianer an. Besonders die gesangliche Leistung kann mich überzeugen. Die Burschen beherrschen ihre Instrumente und dürften Freunde der technischen und abgedrehten Klänge überzeugen. Der Sound ist druckvoll und fett produziert. Mir ist das persönlich aber an einigen Stellen zu viel des Guten, da teilweise der Flow ein wenig auf der Strecke bleibt. Das Teil drückt aber an jeder Ecke und Kante.

Anspieltipps: Thoughtseize und Pathfinder
Michael E.
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