Festivalname: Krautrock Open Air Am Meer 2024
Bands: Bröselmaschine, Geff Harrisons Kin PingMeh, Epitaph, Guru Guru, Jane
Ort: Open Air Gelände am Pumpwerk, Wilhelmshaven
Datum: 24.08.2024
Kosten: 44,00 € VVK, 48,00 € AK
Genre: Krautrock, Rock, Classic Rock
Besucher: ca. 1000 Besucher
Veranstalter: Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH
Link: https://www.pumpwerk.de
Die Idee zum Krautrock Open Air Am Meer wurde erst vor ein paar Wochen geboren und dennoch wollte der Veranstalter das Festival in diesem Jahr noch umsetzen. Was allen Beteiligten in die Karten spielt, ist die seit Mai laufende Open-Air-Veranstaltungsreihe Mittwochs Am Pumpwerk. Das Infield kann dadurch auf feststehende Buden und Bierstände zurückgreifen. Der Bereich um die Bühne kann zudem recht schnell abgesperrt werden und verfügt im Handumdrehen über einen kleinen Einlass, der von den Parkplätzen in wenigen Schritten zu erreichen ist. Aus dem Pumpwerk haben wir bereits des Öfteren berichtet, über eine Open-Air-Veranstaltung jedoch noch nicht. Das liebevoll bestückte Areal springt sofort ins Auge. Diverse Sitzmöglichkeiten, ein kleiner Merchandisestand und viele Beleuchtungselemente lassen die Augen aufleuchten. Gut organisiert gelingt der Einlass ab 14 Uhr reibungslos. Schon zur frühen Stunde haben viele Festivalgänger den Weg zum Pumpwerk gefunden, um dem Opener Bröselmaschine ein Ohr zu schenken. Was bei einem Blick über den Parkplatz direkt auffällt: Das Publikum ist direkt für die erste Auflage aus ganz Deutschland an den Jadebusen gereist.
Den Startschuss machen Bröselmaschine, die für nächstes Jahr ein neues Album in Planung haben. Peter Bursch bringt seine 1968 gegründete Krautrock-Formation auf die Bühne. Von den Gründern ist nur noch Peter dabei, der seine Band immer am Leben gehalten hat und in der Szene einen Kultstatus innehat. Am Mikrofon zieht Sängerin Stella Tonon die Besucher mit ihren starken Gesangsfarben in den Bann. Bei instrumentellen Passagen verlässt sie immer wieder die Bühne und lässt ihren Kollegen den nötigen Platz zum Entfalten. Auch an den Instrumenten ist Bröselmaschine ein Mehr-Generationen-Projekt. Akustische Gitarrenklänge sorgen für psychedelische Momente. Bei leichtem Wind und bedecktem, aber auch sonnigem Wetter ist die Stimmung der gut 1000 Besucher sofort blendend. Daniel Hinte ersetzt heute erfolgreich den abwesenden Michael Dommers an der Gitarre. Das Children Of Revolution Cover der Band T Rex bildet ein Höhepunkt des Sets. Ohne große Worte zu schwingen, lässt die Band die Musik für sich sprechen. Ein toller Auftritt, der Lust auf mehr macht.
Nach dem Konzert versorgen sich viele mit den nächsten Getränken. Bier kann man 0,5 Liter für 6,50 € erwerben, Softdrinks liegen bei 0,3 l bei 3,50 € und damit auf einem höheren, aber noch normalen Festivalkurs. Bei einer Bratwurst im Brötchen kann man bei 3,50 € nicht meckern. Frische Flammgerichte liegen im Schnitt bei 8,00 € Euro. Von den Ständen zurück zu den Künstlern. Bröselmaschine nehmen sich wie alle Acts viel Zeit für ihre Fans. Signierte Platten und CDs wandern in die Taschen der zufriedenen Käufer. Der Altersdurchschnitt ist durchaus höher und dürfte die Ü50-Marke knacken – bei einer solch nostalgischen Krautrock-Veranstaltung nicht ganz verwunderlich. Wacken-Shirts gehören aber genauso ins Bild wie die zahlreichen T-Shirts der heute musizierenden Protagonisten.
Technische Probleme am Keyboard von Geff Harrisons Kin Ping Meh verzögern den Start und werfen die Veranstaltung direkt aus dem Zeitplan. Gut dreißig Minuten später geht es für die Truppe los, die ihren Sänger zum 78. Geburtstag auf die Bretter begleitet. Mehrere Geburtstagsständchen und eine Torte gehören einfach dazu. Geff Harrisons ist und bleibt ein Gentleman. Sehr höflich spricht er immer wieder zu seinen Fans, lässt die Freundschaft zu den anderen Gruppen immer wieder durchsickern, ohne sich auch nur im Ansatz selbst zu beweihräuchern. Das tun zum Glück seine Kollegen, denn Geff Harrisons ist mit seinem Projekt Kin Ping Meh absolut großartig. Authentisch, liebevoll und trotzdem rockig bringt er alles zum Tragen, wofür seine Musik steht. Der Opener 1984 formt das Set, der Sänger Geff hält dabei das Schild mit 1984 in die Luft, um es auch jedem seiner Musiker einmal persönlich zu zeigen. Der Psychedelic Rock erfüllt die Luft und Geff Harrisons versprüht eine Wärme, die sich viele Musiker von ihm abgucken dürfen. Nach dem chinesischen Sittenroman Jin Ping Mei benannt, rocken Kin Ping Meh das Open Air. Die Vocals von Geff Harrisons haben Charakter, kaum zu glauben, dass er fleißig auf die 80 Jahre zugeht. Heavy Mighty Music formt das Geschehen, schade, dass die Keyboard-Probleme wieder auftreten. So kann der Künstler nur seelischen Beistand leisten und an den Backvocals mithelfen. 1974 war Kin Ping Meh das erste und letzte Mal in Wilhelmshaven. Ein Zeitzeuge findet sich im Publikum, als die beiden Hits Good Time Gracie und Rock Is The Way die Show zu Ende bringen.
Epitaph ist eine seit den 1970ern bestehende deutsche Rockband aus Dortmund, die in den frühen Siebzigern auch international ihren Fußabdruck hinterlassen hat. Immer wieder löste sich die Band auf und hat in den fünf Jahrzehnten viel erlebt. In diesem Jahr haben Epitaph mit Don’t Let The Gray Hair Fool You ein neues Album herausgebracht und stehen mit diesem neuen Material auf der Bühne in Wilhelmshaven. Bei molligen 28 Grad und blauem Himmel könnte das Wetter nicht besser sein. Der Zuspruch ist ähnlich hoch wie bei Kin Ping Meh. Sowohl stehend als auch sitzend verfolgen die Besucher Cliff Jackson, der mit seinen Kollegen für progressive Old-School-Rock-Melodien sorgt. Vor zwei Jahren waren Epitaph das letzte Mal am Jadebusen und werden sofort von ihren Fans gefeiert. „Wir hoffen, es bleibt froh und friedlich“, der Wunsch der Gruppe wird erfüllt, so vergehen die 60 Minuten wie im Fluge. Agil sorgen die Künstler für Bewegung, die Menge schwingt ruhig im Takt mit. Der Sound ist gelungen und die Nostalgie spürbar, als der Song Big City angestimmt wird. Belebende Refrains und eine Reise durch alle Epochen bringen die Fans zum Schwelgen. Ride The Storm und der Titeltrack des neuen Werkes Don’t Let The Gray Hair Fool You bilden feste und positive Anker, bis Epitaph ihren Kollegen Guru Guru die Stage überlassen.
Guru Guru ist eine deutsche Band des Krautrock-Genres, die als eine der einflussreichsten Gruppen dieser Musikrichtung in den 1970er-Jahren angesehen wird. Die Band wurde 1968 von Schlagzeuger Mani Neumeier, Bassist Uli Trepte und Gitarrist Eddy Naegeli unter dem ursprünglichen Namen The Guru Guru Groove ins Leben gerufen. Ohne das Urgestein Mani Neumeier würde der Band auch was fehlen. Wie schon bei den anderen Gruppen stehen hier Jahrzehnte Musikerfahrung auf der Bühne. Die langsam untergehende Sonne sorgt für eine beschauliche Atmosphäre, während der Krautrock, gespickt von klassischen Rock-Klängen, über den Vorplatz des Pumpwerkes dringt. Diverse Instrumente haben die Herren mitgebracht, die alle zum Einsatz kommen. Die Nummer Iddli Killer (East) bekommt viel Platz zur Entfaltung bei den stets aktiven Guru Guru, die seit ihrer Gründung fast 50 Veröffentlichungen auf ihrer Habenseite zu verbuchen haben. Zahlen, die sich jüngere Besucher kaum vorstellen können. Living In The Woods bekommt eine tragende Rolle, gleiches gilt für Rolling Through The City.
Kurz vor Ende der Show wird es unruhig. Kalte, flache Windböen treffen die warme Haut. Wer aus der Region stammt, weiß, dass das nichts Gutes zu bedeuten hat. Die schnellen, tiefen Wolkenbewegungen unterstreichen die Vermutung. Wir verlassen zügig das Infield, über dem wenige Sekunden später ein amtliches Sommergewitter hereinbricht.
Da wir uns ein weiteres Fortsetzen des Programms nicht vorstellen können, treten wir die geordnete Heimreise an. Der Veranstalter hat für alle Besucher mit Einsetzen des Unwetters den Bereich im Pumpwerk freigegeben, der als Backstage-Bereich gedient hat. Schnell wird dort Platz geschaffen. Helfer und Besucher sichern die Technik und bringen diese ins Trockene – mehr Teamwork geht nicht. Mani Neumeier sorgt des Weiteren für gute Stimmung und bringt ein Blechteller-Drumsolo zum Besten. Das eh schon familiäre Festival wird mit den noch zahlreichen Besuchern als Akustikset im Pumpwerk fortgesetzt. Jane-Keyboarder Corvin Bahn spielte auf dem Flügel. Auch die Norddeutschen Jane lassen ihren Auftritt nicht sausen und spielen ein Semi-Akustik-Set. Ein nostalgischer Tag macht aus der Not eine Tugend, die alle Anwesenden nicht mehr vergessen werden. Eine Wiederholung im nächsten Jahr wird bereits gefordert. Nach der erfolgreichen und gut besuchten Erstauflage hoffentlich ein Thema beim Veranstalter, der damit den norddeutschen Festivalkalender bereichert und dem Krautrock auch in unserer modernen Zeit noch einen ehrwürdigen Platz gibt.