Artist: Alter Bridge
Herkunft: Orlando, Florida & Spokane, Washington
Album: Walk The Sky
Spiellänge: 57:06 Minuten
Genre: Alternative Rock, Hard Rock
Release: 18.10.2019
Label: Napalm Records
Links: https://alterbridge.com/
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https://www.instagram.com/officialalterbridge/
Produktion: Michael „Elvis“ Baskette
Bandmitglieder:
Gesang, Gitarre – Myles Kennedy
Gitarre, Gesang – Mark Tremonti
Schlagzeug – Scott Phillips
Bassgitarre – Brian Marshall
Tracklist:
- One Life
- Wouldn’t You Rather
- In The Deep
- Godspeed
- Native Son
- Take The Crown
- Indoctrination
- The Bitter End
- Pay No Mind
- Forever Falling
- Clear Horizon
- Walking On The Sky
- Tear Us Apart
- Dying Light
Da ist er nun, der sechste Rundling von Alter Bridge. Walk The Sky heißt das Werk, erscheint am 18.10.2019 weltweit über Napalm Records und verspricht neben einer erstmals neuen Herangehensweise an das Songwriting zudem auch den einen oder anderen und für Alter Bridge offenkundig ungewohnten Klangteppich. So wurde das neue Album zumindest im Vorfeld angekündigt. Letztere Information sorgte sicher für Aufsehen, denn wie soll das klingen und was genau mag hiermit gemeint sein? Bislang konnte stets davon ausgegangen werden, dass, wenn Alter Bridge draufsteht, auch eben jener gewohnte Sound zu erwarten ist. Deshalb ist die Spannung auf die neuen Songs nicht gerade als gering einzustufen. Mark Tremonti und Myles Kennedy hatten sich über einen längeren Zeitraum zunächst in sich zurückgezogen, Ideen gesammelt und sich darüber hinaus in sehr intensiven Sitzungen zusammengefunden, um neue Songs zu schreiben und die entsprechenden Lyrics zu verfassen. Erste Auskoppelungen, wie Wouldn’t You Rather zum Beispiel, schlugen im weiten Rund sehr heftig ein und erzeugten unfassbar hohe Klickraten.
Um ehrlich zu sein, ich bräuchte eigentlich keine neue Interpretation von Alter Bridge, denn ich verzehre mich regelmäßig am vorhandenen Material der vergangenen fünf Alben. Aus meiner Sicht dürfte also alles so bleiben, wie es bis heute war. Da es aber nicht um mich geht, sondern um eine der derzeit wohl weltweit attraktivsten Bands des Genres, ordne ich mich bereitwillig unter und stelle mich dem neuen Spirit, versuche genau diesen herauszufiltern. Getreu meiner Überzeugung: Die Jungs können eh nichts falsch machen.
One Life leitet Walk The Sky mit einem recht kurzen Intro ein. Myles Kennedy steht im Zentrum des sehr sanften keyboardbetonten Arrangements. Seine Stimme gibt die allseits bekannte Sicherheit, er intoniert gewohnt präzise und lässt jede Menge Emotion entweichen. Jenem Intro schließt sich dann Wouldn’t You Rather an. Um im Thema zu bleiben, für mich sind das genau die Klänge, die ich erwartet, beinahe herbeigesehnt habe. An punktgenauer Akzentsetzung nicht zu übertreffen, bietet diese Nummer instrumentell grandios viel Druck, die auf dem Drop D Tuning gnadenlos hart rüberkommt. Vor allem aber die Drums und die Bassläufe sind hier hervorzuheben, denn ohne diese würden Alter Bridge nicht so klingen, wie sie es eben tun. Der Rest, also die stimmlichen Ergüsse von Myles Kennedy sind das Sahnehäubchen. Es ist schon beeindruckend, wie Myles versteht, sich auszurücken. Mit einer derartigen Leichtigkeit zu singen, darf als Gottesgabe bezeichnet werden. Das Arrangement ist sehr opulent aufgebaut. Dezent im Hintergrund gesetzt, sorgen Keyboards zusätzlich für Fülle. Ach und dann noch die Soli, auch nicht von dieser Welt. Ein in sich komplett fertiger und runder Song mit Ohrwurmcharakter.
Etwas weniger komplex anmutend geht In The Deep als straighte Rocknummer ebenfalls sehr leicht von der Hand. Weniger ist eben oft mehr, die Songstruktur ist positiv schlicht gehalten und eröffnet den Vocals ein weites Feld voller Kreativität.
Godspeed versteht sich als Klagegedicht und verarbeitet Mark Tremontis‘ Verlust eines lieb gewonnenen Menschen, der nun seine eigene Reise begonnen hat und mit allem Glück, welches einem Menschen gewünscht werden kann, bedacht wird. Godspeed beansprucht jede Menge Melancholie für sich. Trotz der lyrischen Schwere erzeugt dieser Song eine Art Aufbruchstimmung. Musikalisch entpuppt sich Godspeed am Ende als erfreulich frische Komposition, der ich hohe Chartplatzierungen einräume. Wenn von einer novellierten musikalischen Ausrichtung anfänglich gesprochen wurde, könnte Godspeed hierfür als Beispiel gelten.
Native Son und Take The Crown kehren wieder zum bewährt-druckvolleren Ansatz zurück und überzeugen, jeder für sich, durch bestechende Rhythmik und dem unnachahmlich typischen Groove von Alter Bridge. Wo nehmen die Herren bloß diesen Blick für die Harmonien her? Lässt man sich bewusst in deren Klangwelten hineinfallen, fühlt man sich zu jeder Sekunde immer am richtigen Punkt abgeholt. Die Qualität der Strophen und des Refrains lässt sich dabei kaum in Worte fassen.
Indoctrination, hier scheint der Name Programm zu sein. Psychedelisch wäre untertrieben. Das einfach gehaltene Riffing bildet eine düstere und schleppende Atmosphäre, wenn da nicht die Vocals wären. Alter Bridge wandeln auf gegenläufigen Pfaden und basteln aus beinahe abstrusen Abschnitten dennoch einen Song, der zusammenhängender nicht wirken könnte. Umso epischer und aufwühlender will The Bitter End seinen Platz auf dem Album untermauern. Der Refrain wird einem geradezu kompromisslos in die Gehörgänge zementiert und bleibt folglich hängen. Das Arrangement wirkt dermaßen fett, da der Einsatz von Keyboards und Synthesizern maßgeblich zur Vollmundigkeit beiträgt.
Als tatsächlich neuen Spirit und für Alter Bridge bislang ungewohnt, darf Pay No Mind in der reichhaltigen Setlist seine Berechtigung finden. Solche Töne sucht man auf den vergangenen Alben vergebens und sorgen für ein erstes Ausrufezeichen. Die dominanten Keyboards bilden eine unüberhörbare Headline, sodass Pay No Mind dadurch auch wesentlich moderner klingt.
Und dann schlägt die Stunde von Mark Tremonti. Forever Falling trägt seine Handschrift und wird auch von ihm gesungen. Myles begleitet lediglich den Chorus. Eine recht zügige und etwas progressivere Geschichte. Seine Stimmfarbe ist freilich eine gänzlich andere, allerdings reiht sich dieser Song vollkommen gleichberechtigt und nicht minder hochwertig in die Sammlung ein. Das Gesamtbild des Albums wird hierdurch meines Erachtens aufgewertet.
Alter Bridge sind für ihre abrupten Strukturbrüche durchaus bekannt, sind es doch eben diese, die den Arrangements ihr Alleinstellungsmerkmal verleihen. So ist auch Clear Horizon aufgebaut. Die diversen Wechsel und die gleichermaßen schlagartigen Akzentuierungen weisen nicht selten eine unerbittliche Brachialität auf und reißen mich ein ums andere Mal wieder mit. Das nenne ich anspruchsvolles Songwriting.
Nun, Walking On The Sky markiert eine absolut ausdrucksstarke Ballade, und wenn nicht dies, dann offeriert dieser Song in jedem Falle eine orchestrale Wucht und lässt die notwendige Härte und Groove dennoch nicht vermissen. Tear Us Apart wirkt im Gegensatz zu seinen Wegbegleitern des Albums einfacher strukturiert und vermag nicht ganz zu fassen. Dies ändert sich mit Dying Light dann komplett. Das ist Alter Bridge in Reinkultur. Tiefgang, Seele und die Macht jede Faser des Körpers zu durchdringen. Auf einer Woge der Emotionalität bringt Dying Light eine unfassbar wohltuende und anregende Dynamik mit sich. Der Aufbau ist immer logisch und schlüssig. Die inne liegende Stimmung wird bis zum Schluss konsequent fortgetrieben und mündet in einem grandiosen Finale. Ein würdiger Abschluss eines äußerst vielsagenden Werks.