Anachoret – Syndrom

Die Natur - ein verlassenes Chaos

Artist: Anachoret

Herkunft: Traunstein, Deutschland

Album: Syndrom

Spiellänge: 54:48 Minuten

Genre: Black Metal

Release: 12.02.2022

Label: Folter Records

Link: https://www.facebook.com/anachoretband/

Bandmitglieder:

alle Instrumente – K.C.

Tracklist:

  1. Chasing The Night Sky
  2. Home
  3. Das Meer In Deinen Augen
  4. Grace Of Decay
  5. Winter
  6. Freiheit

Die Ideen, welche 2009 entstanden und grundlegend für die Gründung Anachoret im Jahre 2011 verantwortlich waren, haben mittlerweile zu einem Debütalbum und einer EP geführt. Nach vielen Trennungen von Künstlern und einer Zwangspause erwartet uns nun Syndrom, welches ebenfalls wieder ein Debütalbum sein wird! Syndrom, der Kampf gegen innere Wesen, erscheint via Folter Records kurz vor dem uns geliebten Fest der Liebe – hat das Album auch etwas damit zu tun, weil es so kurzfristig vorher veröffentlicht wird?

In geringen Zügen ja, denn das Album ist eine lyrische Verkörperung negativer Gefühle und Emotionen, welche aus dunklen, aber auch aus hellen Zeiten kommen. Versinnbildlicht wird das Ganze im Rahmen der Natur und ihrer natürlichen Schönheit. Unterlegt werden die lyrischen Texte mit atmosphärisch musikalischen Einlagen, welche vollumfänglich dem Black Metal zugeordnet werden können. Aber auch sehr viele Elemente aus dem Schmuserock werden mit den wehleidigen Klängen aus der Depressive Black Metal Szene verknüpf – ein schönes Bild! Das Meer In Deinen Augen ist sinnbildlich für das komplette Album, denn hier wird alles dargeboten, was man erwartet und was man schlussendlich auch bekommt. Trauernde Gesänge vereisen die Stille, die Stille, welche sich von hinten unheimlich an dich ranschleicht, dich von hinten ersticht. Dabei wird ein massives Inferno abgefeuert, welches Bands wie Harakiri For The Sky oder Lebenssucht gleicht – für mich Gänsehautmomente! Die Drums sind unglaublich energisch, wissen aber auch, an welchen Stellen sie einfach leise sein müssen. Die Abwechslung, das Hin- und Herspringen zwischen Doublebasseinlagen, Blastbeats und rhythmischen Begleitungen hin zu sanfter Betonung verdeutlicht die Schönheit, die vielen Facetten und die Unregelmäßigkeit der Natur und damit ihr Chaos, welches in einem verschobenen Gleichgewicht hängt – und trotzdem funktioniert, obwohl man es nicht vermuten mag. Die Gitarren hingegen sind die einzige Konstante in diesem Album und vermitteln einem das Gefühl von Geborgenheit in einem Wald voller Verzweiflung, welchem man nicht entkommen kann. Akustische Gitarrenklänge sind das, zumindest in meinen Augen, was im Black Metal eines der unterschätztesten Instrumente ist, weil es nicht aggressiv oder ähnliches ist. Aber die Trauer und Einsamkeit, welche durch einfache Chords vermusikalisiert werden, machen genau diese Szene und vor allem die Verkörperung dieser Texte aus, welche sonst niemals diese übernatürliche Größe erreichen würden. E-Gitarren dürfen brutal sein und sind sie bei Syndrom auch, was die Stimmung zerreißt und den Hörer unter Druck setzt – als wäre man auf der Flucht und wird verfolgt. Dies ist vermutlich auch so, denn die Gedanken, welche K.C. bei der Ausarbeitung der Texte hatte, sind nicht positiv belegt und hier wird nur die Angst, die Unruhe sowie die Panik musikalisch wiedergegeben. Während des kompletten Albums fühlt man sich nicht sicher und Wahnvorstellungen beginnen mit dem ersten Klang der Platte – für mich eine sehr interessante Erfahrung. Hierbei möchte man gar nicht glauben, dass ein Soloprojekt so eine enorme Welle schlagen kann, aber wie man sieht, ist es ja möglich. Generell ist in Syndrom von Anachoret wesentlich mehr drin, als man erwarten würde, vor allem nicht, wenn man weiß, was bis dato erst veröffentlicht wurde. Die Zwangspause im Jahre 2020 wurde wirklich unglaublich gut genutzt und man merkt, dass sich hier nicht nur ein Gedanke gemacht wurde, der dann umgesetzt wurde, sondern das hier alles mehr- und vielfach überarbeitet wurde und an die Grenzen der Perfektion getrieben wurde, sofern es halt möglich war.

Die allgemeine Atmosphäre ist, um es hier mal abzurunden, unglaublich düster und vielfältig, dafür aber wieder mit zu wenig Technik, was ich ein bisschen schade finde. Außergewöhnliche Riffs, Melodien hätten hier dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt, aber es muss immer Platz nach oben sein. Texttechnisch ist hierfür einiges geleistet worden und die ständigen Metaphern zur Natur und ihrer Hinterhältigkeit sind beängstigend und lassen das Schöne vor der Türe in einem komplett anderen Licht dastehen, in welchem man die Natur vermutlich nie betrachtet hätte. Somit hat Anachoret auf jeden Fall interessante Punkte im Werk Syndrom eingebaut, welche aber auch erst entdeckt werden müssen. Musikalisch darf man sich neben den lyrischen Werken auf stumpfe Riffs freuen, welche vom Dauerfeuer zerfetzt werden. Die akustischen Einlagen lockern, weil diese bei fast jedem Lied dabei sind, die Stimmung auf und lassen einen seine innere Ruhe wiederfinden, aber der Stil wurde für meinen Geschmack zu oft eingesetzt und so wird die Einlage als nichts Besonderes mehr wahrgenommen, was etwas schade ist, denn die grundlegende Idee war einwandfrei.

Anachoret – Syndrom
Fazit
Anachoret hat hier einiges abgeliefert, was an manchen Stellen noch verbesserungswürdig ist, sich aber für ein Debütalbum, ein Soloprojekt, wirklich nicht verstecken muss. Die Atmosphären gefallen mir unglaublich gut, bis auf die wirklich oft eingesetzten akustischen Gitarren - manchmal ist weniger einfach mehr.

Anspieltipps: Das Meer In Deinen Augen
Paul M.
7
Leser Bewertung6 Bewertungen
7.8
7
Punkte