Artist: Bonsai Kitten
Herkunft: Berlin, Deutschland
Album: Let It Burn
Spiellänge: 42:51 Minuten
Genre: Blues-Punk-Rock-Heavy-Rockabilly
Release: 30.08.2024
Label: Sunny Bastards Records / Cargo Records
Link: www.bonsai-kitten.de
Bandmitglieder:
Gesang – Tiger Lilly Marleen
Gitarre – Andre „Wally“ Wahlhäuser
Bass – Spoxx
Schlagzeug – Marc Reign
Tracklist:
01. Lose Your Illusion
02. I Love That You Hate Me
03. I Wonder
04. Peacemaker
05. Smoke And Mirrors
06. Way Back Home
07. Want Your Love
08. Eye Of The Storm
09. Land Of Fantasy
10. Let It Burn
Es ist wieder Wunsch-Review-Tag und heute liegt das neue Album Let It Burn von Bonsai Kitten zum Hören bereit. Die Band um Frontfrau Tiger Lilly Marleen hatten wir im letzten Jahr als Vorgruppe von Betontod gesehen und mit ihrer wahnsinnigen Energie hat sie uns nachhaltig beeindruckt. Was tut die Redakteurin also? Ganz doll mit den Armen winken und „hier“ schreien, wenn ein neues Album in den Startlöchern steckt. Und ich muss sagen, ich war schon lange nicht mehr so neugierig. Beim Konzert konnte ich nicht eine Sekunde stillstehen. Ob sie mich auch aus der Konserve so mitziehen werden?
Wir starten mit Lose Your Illusion und hier wird nicht lang gefackelt, sondern es geht direkt gut nach vorne. Der Gesang der Frontfrau steht im Vordergrund, ohne aufdringlich zu sein. Ich mag ihre Art, aus ihrer Stimme immer wieder andere Facetten rauszuholen. Schönes knackig-rockiges Stück mit einem mal wieder wunderbaren Gitarrensolo.
Es folgt I Love That You Hate Me. Als ich grad noch denke, jetzt würde es ruhiger, legen sie eine Schippe drauf und ich fühle mich ein wenig in die 90er-Hardrock-Zeiten versetzt. Der Song hätte damals in jeder Rockdisco gezogen und dabei ist er keineswegs altbacken, sondern macht einfach ein gutes Gefühl und hebt meine Stimmung.
Sollte trotzdem noch irgendwer Trübsal geblasen haben, ist es spätestens bei I Wonder vorbei damit. Der Song hat so viel Kraft und gute Laune, wen es da ruhig sitzen lässt, der ist eventuell schon tot. Ich hatte übrigens beim ersten Hören gedacht, es sei ein Coversong, weil ich dieses „Wowowowo Wonder“ irgendwo in den Tiefen meines Gehirns abgespeichert hatte. Ein wenig Recherche brachte mich zu Del Shannon und Runaway. Ein Song aus den 60ern. Aber bis auf den Rock ’n‘ Roll im Hintern und dem „wowowo“ im Refrain ist da dann doch nicht so viel gemeinsam. Bonsai Kitten sind durchweg lauter, schneller und punkig-rotziger. Aber trotzdem ein netter Ausflug in die Vergangenheit und dieser Song hier ist sowieso der Knaller und läuft schon seit Erscheinen in unserer Playlist rauf und runter.
Peacemaker beginnt und ganz ehrlich: Das kann ich jetzt nicht in Worte fassen … In einem einzigen Song so viel hin- und hergeswitche zwischen Soul, Rock, Blues – auf der Hälfte dann noch ne Prise Punk & Hardrock – und das Schlagzeug erinnert mich manchmal an den Trommelwirbel im Zirkus – zum Ende raus dann noch ein Chorus, der einen glauben lässt, das Himmelstor tut sich gleich auf. Es wirkt fast, als hätten sie alle Ideen in einen Shaker geworfen, ordentlich durchgeschüttelt und einmal ausgekippt. Krass, wie kreativ man so einen Song zusammenstellen kann. Was hier passiert, hätte stilistisch auch für drei oder vier Songs gereicht, aber sie verstehen es, alles spannend aneinander zu basteln, ohne dass es chaotisch wirkt. Den Song seh ich jetzt nicht als Favoriten, aber ich finde den krass künstlerisch wertvoll! Hammer!
Ich erwarte jetzt gar nichts mehr, denn bei diesem Album kommt es eh nie so, wie man denkt.
Smoke And Mirrors ist nun wirklich ruhiger. Das Intro wirkt so sanft und melodisch, fast wie eine Entspannungsmelodie, ich warte gebannt darauf, Tiger Lilly Marleens Rockröhre zu hören, aber bis Minute 3:30 bleibt es komplett instrumental und ist so schön, dass ich ganz ergriffen zuhöre. Dann setzt der Gesang ein und ist richtig sanft, ja fast anmutig – ich bin echt gerne auf der härteren Schiene unterwegs, aber das hier ist so fantastisch gefühlvoll, dass ich fassungslos bin. Der Song erstreckt sich über acht Minuten. Etwas, was ich eigentlich hasse. Ab Minute sechs legt er etwas zu, wird kräftiger. Wow. Das sind mal acht Minuten, die sich lohnen, vom Anfang bis zum Ende zu hören. Meist sind so lange Songs eine Aneinanderreihung von völlig überbewerteten Soli und ständiger Wiederholung eines Refrains, bis es zu den Ohren wieder rauskommt. Das hier ist anders. Wie der Blick in eine Seele. Schön.
Genau passend, um mich aus meiner andächtigen Stimmung aufzuwecken, macht Way Back Home wieder mehr Feuer unterm Hintern und geht gut voran. Deutlich rotziger haut die Frontfrau ihre Vocals raus. Beim Hören habe ich ein Gefühl von Rastlosigkeit, dann kommt in der nächsten Zeile „Always On The Run“. Könnte besser nicht passen und es macht einfach Spaß, diese vielen Facetten des Albums zu entdecken.
Mit I Want Your Love wird’s dann richtig tanzbar. Holt die Petticoats raus und los geht die Sause! Ein richtiger Gute-Laune-Song, der live bestimmt noch mehr abgeht. Wer eine Prise Rockabilly einsaugen möchte, ist hier richtig.
Eye Of The Storm baut zunächst Spannung auf, wird dann leise, im Hintergrund wird der Refrain des Vorgängersongs eingeblendet. Es folgen sehr reduzierte Sekunden nur mit Klaviertönen, bevor dann nach anderthalb Minuten der eigentliche Song startet und rockig stabil mit einem Touch Blues durchzieht. Die starke Stimme von Tiger Lilly Marleen steht komplett im Vordergrund und trägt durch das Stück. Und wieder gibt’s im letzten Moment noch eine Überraschung, denn es endet abrupt mit „The Eye Of The“. Das Wort „Storm“ fehlt an dieser Stelle und wer wie Sheldon Cooper aus Big Bang Theory immer dreimal klopfen muss, weiß wie es sich anfühlt. Mein innerer Monk ist jedenfalls voll aktiviert.
Song Nr. neun, Land Of Fantasy, startet und ich fühl mich, als wäre ich in einem Western. Schon beim Live-Auftritt kam mir kurz Alannah Myles in den Sinn und auch jetzt muss ich an das Video zu Black Velvet denken. Mir wird plötzlich klar, dass es keineswegs der Gesang oder der Song sind, was mich daran erinnert, sondern das Szenario. Diese Nieten-Lederjacke, die Farm, der Typ mit der Akustikgitarre auf der Veranda, der amerikanische Oldtimer. Auch das Video zu Blaze Of Glory von Bon Jovi mit wallenden Haaren auf dem Berg taucht kurz vor meinem inneren Auge auf. Das ist dies Gefühl von Garagenrock, Weite und Einfach-Sein-Ding-Machen. Und das ist es, was auch diese Band tut.
Mit Let It Burn als titelgebendem Song schließt das Album ab. Und wenn es bei dieser Combo überhaupt etwas wie einen typischen Sound gibt, so ist es vielleicht dieser. Zackiger Rock, absolut tanzbar und mit einem Schuss gute Laune.