Devin Townsend – PowerNerd

Wenn ich groß bin, möchte ich ein PowerNerd werden

Artist: Devin Townsend

Herkunft: Kanada

Album: PowerNerd

Spiellänge: 44:04 Minuten

Genre: Progressive Metal

Release: 25.10.2024

Label: InsideOut Music

Link: https://hevydevy.com/

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre, Bass, Synthesizer – Devin Townsend

Gastmusiker:

Gesang – Aman Khosla
Gesang – Tanya Ghosh
Gesang – Jamie Jasta
Keyboard – Mike Keneally
Keyboard, Synthesizer – Diego Tejeida
Schlagzeug – Darby Todd
Bass – Jean Savoie

Tracklist:

  1. PowerNerd
  2. Falling Apart
  3. Knuckledragger
  4. Gratitude
  5. Dreams Of Light
  6. Ubelia
  7. Jainism
  8. Younger Lover
  9. Glacier
  10. Goodbye
  11. Ruby Quaker

Die Gesellschaft, in der wir leben, hat uns seit jeher darauf getrimmt, nach etwas Unrealistischem wie Perfektionismus zu streben. Doch was passiert, wenn wir unsere vermeintlichen Schwächen in Stärken umwandeln? Dann werden wir laut Devin Townsends Definition zum PowerNerd. Stets wurde dir gesagt, du wärst zu introvertiert, zu sensibel, zu emphatisch oder zu empfindlich? Dann verwandele genau diese „Schwächen“ in eine Superkraft. Geh aus dir heraus, du kleiner PowerNerd und tritt in ein paar Ärsche.

Das vorliegende Album wurde von Devin Townsend in nur elf Tagen geschrieben. Diese kurze Zeitspanne ermöglichte dem experimentierfreudigen Kanadier, bewusst auf Ballast und die Phase des „Zerdenkens“ zu verzichten. Gleichzeitig blickt „HevyDevy“ in die Zukunft und markiert den Start einer Trilogie, die mit The Moth und Axolotl ab dem kommenden Jahr fortgesetzt werden soll. Ganz so unbeschwert, wie dieses Konzept zunächst klingen mag, sind die Hintergründe zu den elf neuen Songs jedoch nicht. Devins Familie ging durch eine schwere Zeit (dazu am besten die Kommentar-Version des Albums bei eurem Streaming-Anbieter hören) und so fließen auch Kummer und Leid mit in das neueste Werk. Wie gehen wir mit dem Schmerz des Erlebten um? Werden wir akzeptiert oder abgelehnt?

Bereits der titelgebende Opener macht deutlich, dass die Ambient-Phase der Alben The Puzzle, Snuggles und Lightwork erst mal wieder ruht. Motörhead meets Devin Townsend, so könnte man PowerNerd in Kürze zusammenfassen. Purer Rock ’n’ Roll, gepaart mit Devins urtypischem Humor, der vor allem im Video zur Geltung kommt. Es basst, es rifft und macht einfach nur Laune. Im Video ist nicht nur Devin als PowerNerd zu sehen, sondern auch kurz seine geliebte Katze (nebst Miau bei Minute 2:46), die leider vor Kurzem den Weg über die Regenbogenbrücke gehen musste. Um PowerNerd noch mehr Attitüde zu verleihen, ist am Mikro auch Jamey Jasta von Hatebreed zu hören. Ein echtes Statement zu Beginn des Albums.

Credit: Tanya Ghosh

Szenenwechsel: Falling Apart kommt im direkten Vergleich zum Opener deutlich nachdenklicher und schwermütiger daher. Nach kurzer Zeit erinnert der Song mit dem epischen Refrain positiv an die Anfangsphase des Kanadiers, ohne vollends in dessen Handschrift, die sogenannte „Wall of Sound“, abzudriften. Falling Apart ist für mich die Antwort auf die Frage, warum ich Devins Musik so liebe. Dramaturgischer Aufbau at it‘s best und dazu seine unantastbare Stimme. Lädt zum Träumen ein, die Nummer. Knuckledragger (ein primitiver Rüpel) ist hingegen eine riesige Schaumstoffhand in Form eines Mittelfingers. 80er- bzw. 90er-Jahre Videospielsounds untermalen dieses gut abgehangene Stück Fleisch. „Gimme another Beer, man“ wiederholt Devin ein ums andere Mal. Primitiv zu sein, war sein Ziel. Mission auf charmante Art und Weise erfüllt.

Gratitude könnte ein echter Hit werden, wenn die Musik von HevyDevy nicht nach wie vor als „radio-untauglich“ eingestuft werden würde. Hymnisch geht es im Refrain zu Werke, während die Strophen Luft zum Atmen lassen und akustischen Gitarren den Vortritt gewähren. Eine magische Welt, die in diesem Umfang nur vom Mastermind himself abgeliefert werden kann. Das kurze Dreams Of Light leitet Ubelia ein, das zum ersten Mal im Verlauf des Albums wie aus einem Guss mitsamt dem eben gehörten Gratitude wirkt. Lediglich der Hitfaktor ist nicht ganz so groß.

Harte Riffs und leichter Wahnsinn in der Stimme eröffnen Jainism. Auch dieser Refrain baut auf Eingängigkeit. Devins Harsh Vocals kommen wie fast immer stark zur Geltung. Lediglich eine kleine Wendung der Ereignisse hätte dem Song gutgetan. Akustische Gitarren haben die Oberhand in Younger Lover und werden durch Bombast-Passagen durchbrochen. Nicht nur der markante Gesang, auch die Art, Riffs zu schreiben, verraten zu jeder Sekunde, wer hinter diesen Songs steckt. Diese Tatsache unterscheidet Kunst von Können.

Passend zum Namen Glacier haben die kommenden viereinhalb Minuten etwas Erhabenes an sich. Langsam wie ein Gletscher bewegen sich mächtige Rhythmen sowie pompöse Synthies voran, um dann wieder durch einen eiskalten Hauch von Fragilität durchbrochen zu werden. Goodbye repräsentiert die Akzeptanz des Verlustes geliebter Menschen. Eines Tages sehen wir uns wieder: „So i’ll meet you again, wherever you are“, umschreibt Devin die Aussage mit seinen Worten. Goodbye ist ein Song, der Hoffnung macht und eigentlich dieses Kapitel beenden sollte, doch nach all der Trauerbewältigung folgt ein neuer Abschnitt. Ein neuer Tag. Ein neuer Sonnenaufgang. Eine Tasse Kaffee. Doch first things first: Ruby Quaker ist eine Mottenart. So weit, so gut. Nach dem ersten Durchgang werde ich das Gefühl nicht los, dass bei dieser Nummer Townsends Alter Ego Ziltoid seine Finger im Spiel hatte. Ruby Quaker ist eine vertonte Huldigung an das „Schwarze Gold“ namens Kaffee, mit Cash-artigem „Boom-Chicka-Boom“-Geschmack und einer Prise Blastbeats. Mit dieser Aussage lasse ich euch kleine PowerNerds jetzt alleine.

Devin Townsend – PowerNerd
Fazit
Egal, ob Thrash, Prog, Country, Ambient oder Bombast in Reinkultur – ein Album unter dem Namen Devin Townsend ist zu jeder Sekunde mit der unnachahmlichen Handschrift des Kanadiers versehen. An vielen Stellen des neuesten Werkes erkennt man gleich mehrere Phasen seiner Karriere wieder. Doch im Endeffekt wirkt alles etwas kompakter, ja beinahe geerdet. Akustische Passagen lassen genügend Luft zum Atmen, untergraben dabei nicht die eine oder andere „Wall of Sound“ oder räudigen Rock ’n’ Roll. Geneigte Hörer können ihren inneren PowerNerd von der Leine lassen und den Devin wiederfinden, wie wir ihn kennen und lieben.

Anspieltipps: PowerNerd, Falling Apart und Ruby Quaker
Florian W.
8.4
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8.4
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