Einstürzende Neubauten – Alles In Allem

Ist das noch Musik?

Artist: Einstürzende Neubauten

Herkunft: Berlin, Deutschland

Album: Alles In Allem

Spiellänge: 44:03 Minuten

Genre: Industrial, Experimental, Dark Ambient, Post-Industrial, Noise

Release: 15.05.2020

Label: Potomak / Indigo

Links: https://neubauten.org/de
https://www.facebook.com/EinstuerzendeNeubauten/

Bandmitglieder:

Gesang – Blixa Bargeld
Perkussion – N.U. Unruh
Gitarre – Jochen Arbeit
Bassgitarre – Alexander Hacke
Perkussion – Rudolf Moser

Tracklist:

  1. Ten Grand Goldie
  2. Am Landwehrkanal
  3. Möbliertes Lied
  4. Zivilisatorisches Missgeschick
  5. Taschen
  6. Seven Screws
  7. Alles In Allem
  8. Grazer Damm
  9. Wedding
  10. Tempelhof

Seit nunmehr 40 Jahren liefern die Herren um Blixa Bargeld regelmäßig experimentelle Sounds, welche neben Bands wie Can oder Kraftwerk zu den einflussreichsten Musikexporten aus der Republik gelten. Depeche Mode bezeichnen die Neubauten als eine der Inspirationen für ihr musikalisches Werk. Seit 2002 arbeitet man mit sogenannten Supporter-Projekten, welche die Grundlage für das heutige Crowdfunding sind. So gibt es Klänge irgendwo zwischen Pop und Schrottplatz, welche quasi das Markenzeichen der Herren sind. Alben aus den 80ern heißen z.B. Stahlmusik oder Fünf Auf Der Nach Oben Offenen Richterskala. Dazu lieferten die Einstürzenden Neubauten vor ca. drei Jahren, genauer gesagt am 22.01.2017, eines der ersten Konzerte in der neu eröffneten Elbphilharmonie in Hamburg ab. Hier bewiesen die Organisatoren eine gute Prise norddeutschen Humors mit der Verpflichtung von Blixa und Co. Das neue Werk erschien bereits im Mai 2020 und landete auf Platz sieben(!) in den deutschen Albumcharts. Da stellt sich die Frage, ob der Sound zwischen Pop und Schrottplatz nun doch noch im Mainstream gelandet ist. Vermutlich liegt es eher an den Marktveränderungen, Silcence Is Sexy landete vor 20 Jahren auf Platz 28 und dürfte im Vergleich höher zu bewerten sein, als der Erfolg vom Longplayer zum 40. Geburtstag der Berliner.

Was gibt es an Musik? Der Opener Ten Grand Goldie liefert verschiedene Satzteile und Sprachfetzen, welche mit dem Schrottplatzsound unterlegt sind, aber insgesamt recht ruhig und durchaus rhythmisch rüberkommen. Am Landwehrkanal ist dann schon fast ein a cappella Track, dazu kommen nach ca. 80 Sekunden schöne schräge Schrottklänge und so sitzt Blixa allein Am Landwehrkanal in Berlin. Die 1000 Ideen beziehen sich hier inhaltlich auf Rosa Luxemburg, welche Am Landwehrkanal umgebracht wurde. Möbliertes Lied geht vom Sound eher in Richtung Dark Ambient. Blixa dominiert auch hier mit Sprechgesang, welcher mit ruhigen Tönen unterlegt wird. Wem das bisher zu ruhig war und zu wenig Schrottplatz, wird mit Zivilisatorisches Missgeschick entschädigt. Hier werden Sounds kreiert, welche wohl nur die Berliner ungestraft kreieren dürfen. Taschen liefert neben Schrottplatz auch Streicher als Sound zum Sprechgesang von Blixa. Es wird so einiges an Soundcollagen in den Track eingebaut, u.a. ein Geräusch, welches man zu hören bekommt, wenn eine Dame in ihrer Handtasche wühlt. Seven Screws, der Titeltrack, und Grazer Damm bewegen sich wieder etwas mehr in die Dark Ambient Richtung, wobei sich Blixa beim letztgenannten Track und ruhigen Klängen thematisch mit den Nazi Verbrechen zwischen Traum(a) und Realität beschäftigt. Es geht dann in den Wedding, die Schrottwerker liefern einen ruhigen Hintergrundsound inkl. einigen interessanten Soundcollagen. Tempelhof beendet das Werk zum 40. Bandjubiläum. Es wird noch einmal einiges an Sätzen zusammengefügt, die man wohl so oder so ähnlich mal am alten Flughafen Tempelhof in Berlin gesehen hat.

Einstürzende Neubauten – Alles In Allem
Fazit
Ist das noch Kunst? Ist das noch Musik? Was ist das, was die Einstürzenden Neubauten seit 40 Jahren abliefern? Etwas für völlig zugedröhnte Menschen, die von der Realität schon weit entfernt sind? Die Frage muss sich jeder selbst beantworten. Fest steht, dass die Neubauten nach wie vor wohl eins der erfolgreichsten Klangexperimente der Republik sind. Musikalisch könnte man die Herren sicher auch als Persiflage zum eigentlichen Musikgeschäft verstehen oder einfach als Aprilscherz. Das erste Album bzw. Livemitschnitt heißt: Einstürzende Neubauten ‎– Moon: 1 April 1980!

Anspieltipps: Taschen, Wedding und Tempelhof
Jürgen F.
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