Finsterforst – Zerfall

Black Forest - Metaller wieder zurück in der Spur

Artist: Finsterforst

Herkunft: Freiburg, Deutschland

Album: Zerfall

Spiellänge: 78:58 Minuten

Genre: Black Forest Metal, Folk Metal, Pagan Metal, Post-Black Metal

Release: 02.08.2019

Label: Napalm Records

Link: http://www.finsterforst.de

Bandmitglieder:

Gesang – Oliver Berlin
Gitarre – Simon Schillinger
Gitarre – David Schuldis
Bass – Tobias Weinreich
Keyboard – Sebastian Scherrer
Schlagzeug – Cornelius Heck
Akkordeon, Chorgesang – Johannes Joseph

Tracklist:

01. Wut
02. Zerfall
03. Fluch Des Seins
04. Weltenbrand
05. Ecce Homo

Finsterforst sind eine deutsche Folk/Pagan Metal Band aus Freiburg im Breisgau im Schwarzwald, die im Jahre 2004 von Simon Schillinger (Guitar), Marco Schomas (Vocals, Guitar), Sebastian Scherrer (Keyboards) und Tobias Weinreich (Bass) gegründet wurden. Als besonderes Trademark wurden 2005 Johannes Joseph am Akkordeon und mit David Schuldis eine zweite Gitarre ins Boot geholt. 2006 erschien mit der EP Wiege Der Finsternis ein erstes offizielles Lebenszeichen, welches noch mit einem Drumcomputer eingespielt wurde, da man noch keinen passenden Mann für die Schießbude gefunden hatte. Der kam dann aber mit Cornelius Heck und so konnte das Debütalbum Weltenkraft in Angriff genommen werden, welches dann 2007 über Worldchaos Production das Licht der Welt erblickte. Nach Labelproblemen wurde der Nachfolger … Zum Tode Hin dann 2009 schon über Einheit Produktionen veröffentlicht. Ende 2009 kam es dann zum Split, Band und Sänger Marco Schomas gingen fortan getrennte Wege und mit Oliver Berlin nahm 2010 ein neuer Mann das Mikro fest in die Hand. Die ausverkaufte EP wurde gemeinsam mit dem ersten Album unter dem Namen Urwerk wiederveröffentlicht. 2012 wechselte man zu Napalm Records und haute noch im gleichen Jahr das dritte Album Rastlos raus. Die Badenser hatten den Fuß in der Tür und waren auf dem Weg nach ganz oben, spielten 2013 ihr Wacken-Debüt und gingen auf Europatour mit Trollfest und Cryptic Forest. Um den Aufwind zu nutzen, wurde 2015 das vierte Studioalbum Mach Dich Frei nachgelegt.

 

Anno 2016 haben sich die selbst ernannten Black Forest Metaller von Finsterforst dann aber nicht gerade bei jedem Metalhead beliebt gemacht, als sie sich mit dem Parasiten #YØLØ bei so obskuren Gestalten wie Michael Jackson, Miley Cyrus, K.I.Z. und Die Kassierer bedient haben und damit alle Genregrenzen gesprengt haben. Zugegeben, die EP konnte man sich tatsächlich erst ab 3,8 Promille antun, doch dann machte sie durchaus Spaß! Doch keine Angst, die finsteren Gestalten aus dem Schwarzwald haben nicht endgültig dem Folk/Pagan Metal abgeschworen und sind zur neuen Partykapelle Südbadens aufgestiegen. Man hatte einfach die Nase voll vom ewig gleichen Sound und wollte mal was anderes machen, was ja durchaus legitim ist.

Seit dem 02.08.2019 liegt nun das neue Album Zerfall der Black Forest Gesellen aus der Nachbarschaft (zumindest aus meiner Nachbarschaft) vor und, um es vorwegzunehmen, man ist zurück in der Spur. Vergessen sind die Ausflüge in die Spaßgesellschaft und man geht wieder mit ernsten Absichten, düster und böse zur Sache. Das Album glänzt mit ganzen fünf Songs, was sich zunächst einmal nach Arbeitsverweigerung anhört, doch insgesamt kommt man auf knapp 80 (!) Minuten Spielzeit. Da kann dann von Arbeitsverweigerung nicht mehr die Rede sein und wer die Band in der Vergangenheit verfolgt hat, der weiß, dass man im Hause Finsterforst durchaus ein Faible für überlange Songs hat. So enthält Zerfall auch mit dem Epos Ecce Homo den längsten Song der bisherigen Bandgeschichte überhaupt, satte 36 Minuten +.

Der dreizehneinhalb Minuten lange Opener Wut ist dann zu Beginn schon schwere Kost, die es erst einmal zu verdauen gilt. Songtitel und Umsetzung hätten hier gar nicht besser zueinander passen können, denn die Wut ist in jedem Moment spürbar. Die Nummer will bei den ersten Durchläufen nicht so wirklich zu den bisherigen Veröffentlichungen der Band passen, zu sehr hat man sich weiterentwickelt, sodass man sich anfangs immer wieder anhand des Booklets vergegenwärtigen muss, dass es sich hier doch um Finsterforst handelt, die man gerade auf die Ohren kriegt. Man steigt gewohnt mit einem wuchtigen Riff und obligatorischen Chören in die Nummer ein, doch dann mischen sich schon bald moderne Post-Black Metal-Klänge in das Gesamtbild ein und man macht keinen Hehl daraus, dass man sich mit diesem Genre in der letzten Zeit ausgiebig auseinandergesetzt hat. Der Song ist düsterer ausgefallen, als man es von Finsterforst erwarten konnte. Aber 13 Minuten sind lang und so bleibt neben neuen Experimenten natürlich auch Zeit für typische Bandklänge, für epische, orchestrale Elemente und stampfende Rhythmen. Auch im Songwriting hat man sich weiterentwickelt, der Song ist komplexer wie alles, was man bisher gemacht hat.

Der Titeltrack Zerfall ist mit acht Minuten der kürzeste Song des Albums und hält die vorher geschaffene Düsternis weiterhin hoch. Dennoch hätte man eher mit dieser Nummer in das Album starten sollen, da man hier näher an den typischen Finsterforst-Trademarks liegt. Thematisch geht es, wie auch auf dem Rest der Scheibe, darum, wie achtlos und zerstörerisch die Menschheit mit der Welt umgeht. Während die 16-jährige schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg auf die Straße geht, demonstriert und umweltfreundlich den Atlantik überquert, fällt der Klimaschutz im Hause Finsterforst düster und bedrohlich aus. Auch hier bewegt man sich wieder zwischen Black- und Pagan Metal und nicht wenige werden sich an Moonsorrow erinnert fühlen. Gesanglich legt Frontmann Olli Berlin noch eine Schippe drauf und stellt mit den Clean-Vocals zum Ende seine Vielseitigkeit unter Beweis. Das Video zum Song wurde offensichtlich in der ehemaligen, abgebrannten Brauerei Schieble in Kenzingen gedreht. Als Gastsänger tritt Lars Vogel von Godenbloed und Heidevolk auf den Plan.

Ganz ähnlich fallen auch die erste Singles Fluch Des Seins und Weltenbrand aus, die beide etwa zehn Minuten lang sind. Fluch Des Seins beeindruckt mit einer unverwechselbaren Melodieführung und Weltenbrand kommt imposant und erhaben daher, mit epischen Melodien und stampfenden, wilden Rhythmen. Die beiden Songs scheinen thematisch unweigerlich zusammenzugehören, wie Geschwister aus verschiedenen Beziehungen. Auch hier geht es wieder um das Konzept-Thema Mensch gegen Natur. Während es im Fluch Des Seins um den Menschheitsfluch geht, die eigene Spezies zerstören zu müssen, ist Weltenbrand die logische Fortsetzung, die totale Zerstörung von allem, Ökosystem, Sitten, Geschichte, was unweigerlich zum Aussterben jeglichen Lebens führt. Hier hätte man allerdings den eingeschlagenen Weg hin zum Post-Black Metal konsequent weitergehen sollen, denn zur düsteren Weltuntergangsstimmung wollen die Folk-Instrumente und das Schifferklavier nicht so recht passen und wirken zeitweise wie ein Fremdkörper. Wenn Johannes Joseph eh schon nur noch bei den Studioarbeiten dabei ist und nicht mehr mit der Band live auftritt, warum dann nicht gleich auf das Akkordeon verzichten?!

Zum Schluss das 36-minütige Monster Ecce Homo. Siehe, der Mensch, ein sehr ironischer Titel. Hier wird noch einmal besonders gut deutlich, dass Post-Black Metal das neue Steckenpferd der Band ist, man beginnt mit düsteren, sphärischen Klängen und sanft gezupften Gitarren und legt viel Hall auf die Vocals. Nach dem epischen Intro dann plötzlich schwere Riffs, die vom stampfenden Rhythmus der Drums begleitet werden. Im Verlauf des Songs werden dann aber sämtliche Register gezogen und alle Metalgenres ausgiebig ausgeschöpft. Eine intensive Mischung aus dramatischem, peitschendem Orchester, folkigen Gitarren, eindringlichen klaren Stimmen, wilden Growls, intensiven und epischen Männerchören, schweren Death Metal-Riffs, sphärischem Black Metal und mit Folk-Instrumenten wird die Brücke zum Finsterforst-Backkatalog geschlagen. Jeder einzelne Musiker darf sich hier auf seine ganz eigene Art austoben und es wird alles auf die Beine gebracht, bevor es dann zu lupenreinem Post-Metal und instrumenteller Ruhe zurückgeht. Spricht man zuvor noch ohne Umschweife die Probleme an und nimmt kein Blatt vor den Mund, so wird es im großen Finale doch etwas philosophisch. Warum man aber 36 Minuten braucht, um das Auseinanderbrechen unserer doch so zivilen Gesellschaft zu bearbeiten, bleibt mir doch ein Rätsel, denn das kriegt der Mensch auch schneller hin. Der Spannungsfaktor ist ein ewiges Auf und Ab und der Spannungsbogen kann leider nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden. Zu viele Köche verderben den Brei.

 

Finsterforst – Zerfall
Fazit
Mit Zerfall ist man definitiv zurück in der Spur und nach #YØLØ kann man es als eine Art Wiedergeburt ansehen. Alle, die atmosphärischen Folk / Black / Pagan Metal mögen, können hier bedenkenlos zuschlagen. Deutlicher kann man Kritik an unserer heutigen Gesellschaft kaum aussprechen. Zerfall hat viele tolle, aber auch düstere und zornige Momente, klasse Ideen, gute moderne Kompositionen und eine klasse Produktion, aber weniger ist manchmal mehr. Man kann es im Leben nicht allen recht machen, selbst dann nicht, wenn man wie in Ecce Homo alles auffährt, was man hat. Mehr Konsequenz, weniger Folk-Instrumente und eine klarere Linie hätten dem Album gutgetan. Auch wenn man für überlange Songs bekannt ist, die 36 Minuten sind definitiv zu viel des Guten und eine echte Herausforderung. Für die einen ist es sicherlich die Krönung des bisherigen Finsterforst-Schaffens, für die anderen wird es jenseits von Gut und Böse sein.

Anspieltipps: Zerfall und Wut
Andreas F.
7
Leserbewertung6 Bewertungen
8.6
Pro
Contra
7
Punkte