Eventname: The Last Will And Testament – European Tour
Headliner: Opeth
Special Guest: Grand Magus
Ort: Olympia, Paris, Frankreich
Datum: 21.02.2025
Ticketpreis: 49,50 € – 71,50 € (Stehplätze und zwei Balkonränge mit Sitzplätzen)
Genre: Heavy Metal, Stoner Rock, Progressive Metal
Besuchende: ca. 2.000 (ausverkauft)
Veranstaltung von: Garmonbozia, Northern Music Company, United Talent Agency
Link: https://www.olympiahall.com/agenda/opeth/
Setlist Opeth:
- §1
- Master’s Apprentices
- The Leper Affinity
- §7
- Häxprocess
- In My Time Of Need
- The Night And The Silent Water
- §3
- Ghost Of Perdition
- A Story Never Told
Zugabe:
- Sorceress
- You Suffer (Cover von Napalm Death)
- Deliverance
„Jawoll!“ entfleucht es mir, wie jedes Mal, wenn ich die ikonische Fassade des Konzertsaals mit der roten Neonaufschrift sehe. Denn ich freue mich nicht nur auf Opeth, sondern auf Opeth im Olympia!
Das Venue ist selbst eine Legende: Die Bretter, vor denen sich die Welt Édith Piaf zu Füßen legte. Hier spielen die Großen, die ihre Musik nicht mit Arena-Shows verderben wollen (persönliche Meinung hier *hüstel*), auch wenn sie es vielleicht könnten: Russian Circles, Heilung und Meshuggah, aber auch The National, Patti Smith oder PJ Harvey.
Die Akustik ist genauso hervorragend wie die Sicht, egal ob von den Balkons oder von der nach hinten hin höher werdenden Stehplatzfläche aus. Und bei einer Kapazität von 2.000 Leuten kann man hier mit Stil ausrasten.
An diesem Freitag wurde mit 20 Uhr eine feierabendfreundliche Zeit angesetzt, sodass die Special Guests einen vollen Saal zum Bespielen bekommen.
45 Minuten lang donnern die schwedischen Grand Magus einen good old Heavy Metal, der meine Ohren vor allem mit seinen Stoner-Elementen zum Schlackern bringt. Eine dieser Geschmackssachen ist zwar der pathetische Fäuste-in-die-Luft-Wikinger-Refrain in Songs wie Ravens Guide Our Way, zudem stammt das Stimmvibrato von Janne Christoffersson aus einer anderen Metal-Epoche, aber hier stehen unangefochten richtig gute Musiker vor uns. Die wummernden Rhythmen haben nicht nur meine Aufmerksamkeit, denn dieser Groove lässt einen kaum stillstehen! Christofferson beherrscht seine Gitarrensoli ganz sicher auch im Schlaf und wird im Duett von Bassist Mats Hedén Skinner mit viel Vibe und Stimme ergänzt.
Dazu haben die live-erfahrenen Herren richtig gute Laune und zeigen sich als lockere Dad Metaller (Das ist hier sowas von nett gemeint!): Christoffersson scherzt in den Zwischenansagen in gar nicht mal so üblen Brocken Französisch, Skinner genießt seinen Raum auf der Bühne von Anfang an und mit jeder Reckung seines Körpers ein Stück mehr, Drummer Ludwig Witt streckt seine Sticks anerkennend Richtung Publikum.
„So heartwarming!“ kommentiert Skinner den ehrlichen Beifall der Leute. Hinter mir bricht ein Fan zwischenzeitlich in ein uriges „Hey, hey, hey!“ aus. Auf der Stimmungswelle im Raum lässt es sich richtig gut surfen und die Leute braucht man nicht zweimal zum Mitsingen auffordern.
Pause, Zeit zum Umsehen. Die Menge ist altersmäßig richtig schön gemischt, in den Rängen sehe ich sogar Menschen mit der offensichtlichen Mission qualitativer Musikerziehung, denn sie haben ihren Siebenjährigen dabei.
Opeth treten ohne viel Intro-Tamtam, aber unter tosendem Beifall auf die Bühne, grüßen ins Publikum und machen einfach ihr Ding. Heißt: fetter Sound, präzise Rhythmik und durchdringende Düsternis.
Auf dieser Tour haben sie das im November erschienene The Last Will And Testament dabei und spielen mit §1 einen mächtigen ersten Aufstampfer. Die ersten paar Songs sind intensiv und mein Gesicht kann sich nicht zwischen Grinsen und Grimassen entscheiden. Es ist gut, dass ich nur Fotos von der Band machen muss (= darf). Was im Olympia nicht einfach ist: Der Boden ist übelst gut gefedert und bebt unter der enthusiastischen Menge mit einem kleinen Trampolin-Effekt, den ich, als die Fotos im Kasten sind, auch endlich lustig finden kann.
Das Publikum ist hungrig, bei The Leper Affinity stimmen die ersten Chöre mit ein und steigern sich danach in „Opeth, Opeth!“-Rufe. Leute, das hier waren erst 20 Minuten von knappen zwei Stunden Gesamtspielzeit …!
Mikael Åkerfeldt ist extrem guter Dinge, geht während der Songs zu seinen Bandkollegen, man schäkert und wippt nebeneinander gemeinsam im Takt. Das synchrone Fingerballett auf den Griffbrettern von ihm und Fredrik Åkesson könnte glatt Olympia-Disziplin werden (ja, der musste sein). Flackernde Bildschirme liefern den passend dramatischen Backdrop für die Wucht an exzellenter Klangqualität!
Opeth sind diese großen Stars, denen man ihre Allürenlosigkeit allzu gerne glaubt, wenn sie ihre ernste Musik mit einer gewaltigen Dosis Selbstironie in den Ansagen unterbrechen.
Ulknudel Åkerfeldt spekuliert auf den Grund für die Popularität des neuen Albums – weil er halt ein bisschen mehr „Ugh!“ mache und Dropped-D-Stimmung sowieso nur „a cheap trick for shit rock bands“ sei. Einen kurzen Fehlstart und eine freundschaftlich weggelachte Entschuldigung Åkessons später „ugh“t und djentet sich die Band scheinbar mühelos durch den komplexen §7.
„How was it?“, fragt Åkerfeldt hinterher und weiß das herzhafte „You suck!“ aus der Menge als eine der Liebeserklärungen zu nehmen, die noch den ganzen Abend lang hör- und unhörbar zwischen Band und Fans hin- und herfliegen werden. Außerdem, hey, immerhin spielen sie hier vor ausverkauftem Haus in einer Weltstadt. Die Band muss nichts mehr beweisen, und beweist damit alles.
Es folgt eine kurze Anekdote aus der Heritage-Ära, als Opeth ihre selbst betitelte Minne-Musik im „Deathcore-Mekka“ Massachusetts präsentierten und die aggressiven Reaktionen auf die Scheibe in die Annalen ihrer Geschichte eingingen. In anale Öffnungen können sich die Leute von damals ihre Kritik stecken, denn Häxprocess ist live eine zauberhafte Abwechslung und das Publikum wie gebannt.
Mit einem enthusiastischen „The 90s were shit!“ beginnt Åkerfeldt die nächste Story und redet munter weiter, bis ihn Martin Mendez kurz anstupst, um ihm zu sagen, dass er den falschen Song anteasert. „We had a day off yesterday…“ zuckt der Frontmann die Schultern. Mitfühlendes Nicken im Saal; das französische Publikum versteht den Weinfreund am Mikro.
Was folgt, ist ein makelloses In My Time Of Need. Für den “mid-paced melodic death metal” Song The Night And The Silent Water wird die Schimpftirade auf die Neunziger natürlich nicht noch einmal angeleiert.
Mit dem Verweis auf das Tuning von D auf H mitten in §3 gibt Åkerfeldt angstfrei zu: “I can barely play it but it’s fun!” Ob solche Bescheidenheit von Kreativen dazu führt, dass ich sie ob ihrer Menschlichkeit noch mehr vergöttere, ist möglich und mir schnurz. Ich mag sie einfach mögen.
Ein einzelner Crowdsurfer lässt sich bei Ghost Of Perdition von Stimmung und Menschen davontragen. A Story Never Told ist selbstverständlich nicht das Ende der Geschichte, die apokalyptische Sorceress reißt noch einmal den Boden auf. Eine wahrliche „flowery ballad with beautiful textures“ ist das Napalm-Death-Cover You Suffer, und in der abermaligen Reprise als Bass-lastige Funk-Version ein weitaus weniger feuchter Klangfurz.
Die vierzehnminütige Deliverance ist die progressive Königin des Abends, deren Rhythmen ich auf dem Heimweg noch lange im Ohr habe.
Eine der besten shit rock bands, die man sich live geben kann!