The Hirsch Effekt – Kollaps

Die zwei Seiten des Crossover

Artist: The Hirsch Effekt

Herkunft: Hannover, Deutschland

Album: Kollaps

Spiellänge: 48:25 Minuten

Genre: Mathcore, Post Punk, Indierock

Release: 08.05.2020

Label: Long Branch Records / SPV

Link: https://www.facebook.com/thehirscheffekt/

Bandmitglieder:

Gitarre und Gesang – Nils Wittrock
Bassgitarre und Gesang – Ilja Lappin
Schlagzeug – Moritz Schmidt

Tracklist:

  1. Kris
  2. Noja
  3. Deklaration
  4. Allmende
  5. Domstol
  6. Moment
  7. Torka
  8. Bilen
  9. Kollaps
  10. Agera

Seit über zehn Jahren sind The Hirsch Effekt schon am Start, und haben mit mittlerweile vier Alben und unzähligen beeindruckenden Lifeshows eine stetig wachsende Fangemeinde aufbauen können. Nun präsentieren sie mit Kollaps ihren fünften Longplayer, der am 08.05. über Long Branch Records veröffentlicht wird. Bei mir waren The Hirsch Effekt immer mal wieder an der Oberfläche aufgetaucht, aber das ist tatsächlich das erste Album, das ich mir komplett gebe.

Ziemlich lange zappeln lassen The Hirsch Effekt den Hörer zum Beginn des Albums. Ich muss unwillkürlich an ein nervös vor sich hin tänzelndes Pferd denken, das nur darauf wartet, endlich in den gestreckten Galopp gehen zu dürfen. Ist das vielleicht ein Instrumental? Nein, nach knapp zwei Minuten setzt dann doch noch der Gesang ein. Wenn es die Musik bislang noch nicht geschafft hat, mich zu verwirren, denn die kommt, von einigen Breaks mal abgesehen, noch ziemlich entspannt daher, erschließt sich mir der Text auch nach mehrmaligem Hören nicht. Vielleicht interpretiere ich ja auch etwas rein, was da gar nicht zu finden ist.

Die Überlegungen sind aber schnell beendet, denn mit Noja wird die Bühne in musikalisches Stroboskopgeflacker getaucht. Ich komme mir vor, als wenn ich mit meiner Kamera vor einer Bühne stehe und versuche, den passenden Moment zu erwischen, damit das Bild nicht entweder komplett schwarz oder fürchterlich überbelichtet ist. Aber die Frequenz ist zu hoch, und der einzige „Ruhepol“ ist die Passage mit Sprechgesang. Nicht viel weniger abgedreht ist Deklaration, manchmal klingt es tatsächlich, wie eine Orchesterprobe. „…Wahnsinn wird kommen…“ höre ich da unter anderem. Der Wahnsinn kommt nicht, der ist schon da!

Wäre Kollaps eine Schallplatte, wäre wahrscheinlich Moment der letzte Song auf Seite eins, dann würde diese ganze Abgedrehtheit nämlich mit knapp anderthalb sehr ruhigen Minuten, in denen es nur Streicher zu hören gibt, ausklingen, die auf das hinweisen, was einen erwartet, wenn man das Vinyl umdreht und die Nadel auf Seite zwei aufsetzt. Torka startet, für THE-Verhältnisse, sehr ruhig, ich muss irgendwie an Teardrops von Massive Attack denken. Großartige Soundwellen bauen die Jungs hier auf, die unaufhörlich und immer wieder heranrollen, um sanft am Strand auszulaufen.

Das ziemlich NDH-lastige Bilen nimmt im letzten Drittel des Albums noch einmal Fahrt auf, während der Titelsong Kollaps, der auch der längste des Albums ist, wieder mit ungewöhnlich viel Ruhe, fast schon verträumt und gechillt daherkommt. Fast unmerklich schiebt sich eine dicke Soundwand heran, die sich in einem kurzen Unwetter entlädt, bevor die Ruhe nach dem Sturm eintritt. Auch der letzte Track Agera ist nach der musikalischen Achterbahnfahrt auf der ersten Albumhälfte dann eher so etwas wie eine letzte Runde im Kettenkarussell.

The Hirsch Effekt – Kollaps
Fazit
Wenn ich überlege, wie lange ich an diesem Review gesessen habe, immer wieder Sätze verworfen, gestrichen, neu formuliert, alles gelöscht und wieder von vorn angefangen habe, kann ich den Jungs von The Hirsch Effekt nur zu diesem Album gratulieren. Sie sind ja mittlerweile bekannt für ihren wahnwitzigen Crossover, aber bei manchen Menschen wird die Flamme der Begeisterung ja auch mal kleiner. Bei The Hirsch Effekt lodert sie nach wie vor, und alle, die keinen Bock mehr auf 08/15-Ware von der Stange haben, sollten diesem Album mindestens mal ein Ohr leihen.

Anspieltipps: Noja, Deklaration und Torka
Heike L.
8
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