Venues – Transience

Wut, Trauer, Hass – alles ist vergänglich

Artist: Venues

Herkunft: Stuttgart, Deutschland

Album: Transience

Spiellänge: 37:45 Minuten

Genre: Post-Hardcore, Modern Metal, Metalcore

Release: 29.03.2024

Label: Arising Empire

Link: https://arising-empire.com/artists/venues

Bandmitglieder:

Gesang (Clean) – Lela
Gesang (Shouts) – Robin
Gitarre – Valentin
Schlagzeug – Dennis

Tracklist:

  1. Godspeed, Goodbye
  2. Haunted House
  3. Braille
  4. Unspoken Words
  5. Bad Karma
  6. Reflections
  7. Radiate Me
  8. Oblivion
  9. Cravings
  10. Coming Home

Zugegeben, die Stuttgarter Band Venues war mir auf ihrem Debütalbum Aspire (2018) noch etwas zu brav, um dauerhaft in meinen geliebten Post-Hardcore-Gefilden gegen die amerikanische und britische Konkurrenz zu bestehen. Kurze Zeit später kam für mich der erste Gamechanger mit Sängerin Lela zur Band. Ihr warmes Organ sagt mir schlicht und einfach mehr zu als das der Vorgängerin Nyves. Spätestens mit dem zweiten Album Solace (2021) hatte ich den Namen dann auf dem Notizzettel, obwohl mir immer noch das gewisse Etwas fehlte.

Die ersten Singles zum aktuellen Album ließen wieder aufhorchen, allen voran das emotionale Unspoken Words. „Make it or break it“, sagte man früher zum dritten Studioalbum einer Band. Transience lautet der Titel dieses dritten Werks und bedeutet Vergänglichkeit. Transience ist das Gegengift gegen Tristesse, Gleichgültigkeit und Kälte“, gibt die Band ihre Sichtweise auf die sehr persönlichen Themen auf dem neuesten Album preis. Wird die Musik dieser Band in eben jener Vergänglichkeit enden oder sich selbst unsterblich machen?

Im Opener Goodspeed, Goodbye wird direkt mit Gewalt auf die rosarote Brille des Musikbusiness eingetreten. Wie lange kann ich noch so weitermachen? Die Euphorie ist längst verflogen. Diesen Spiegel halten Venues dieser Scheinwelt vor und beginnen passend zu den Lyrics mit eingängigen Beats und dem warmen Gesang von Lela. Auf allem liegt eine gewisse emotionale Schwere, und sobald Robin die Bühne betritt, werden alle Mauern zum Einsturz gebracht. Ein Ohrwurm, irgendwo zwischen Lady Gaga und Metalcore, der durch das Thema nicht dem Kitsch verfällt.

Die Ketten der gefühlsmäßigen Unterdrückung sollen in Haunted House gesprengt werden. Entsprechend harsch geht die Band musikalisch zu Werke. Lediglich im eingängigen Refrain steigt der Pop-Faktor. Ansonsten gibt es das Comeback des klassischen Metal-Gitarrensolos zu bestaunen und ein von den Drums getriebener, stampfender Rhythmus. Lela geht an die Grenzen ihrer großartigen Range und Robin lässt den Löwen aus dem Käfig. So kann’s gerne weitergehen.

Foto – Venera Red

Uff, Braille zeigt direkt, wo der Hammer hängt. Eine Faust in der Luft und Gänsehaut am gesamten Pelz. Überragender Refrain und lyrischer Tiefgang. Die Leitmelodie und die Riffs zwingen mich in die Knie. Chaos im Kopf, Zerstörung im Moshpit. Venues, jetzt bloß nicht nachlassen. Keine Bange, denn Unspoken Words hat mich bereits als Single überzeugt und wirkt dank des von Suprsteady gekonnt inszenierten Musikvideos gleich noch intensiver. Der leichte Versatz im Gesang zu Beginn zieht mich in den Bann und wird direkt noch verträumter. Was dann? Der magische Refrain betritt das Rampenlicht und lässt mich in völliger Ekstase zurück. Bäm! Stakkato-Geballer und schreiende Gitarren. Hier wird jedes Wort effektvoll musikalisch untermauert.

Das lässige, aber gleichzeitig anspruchsvolle Drumming trägt Bad Karma auf seinen Schultern. Definitiv ein Song, mit dem man seine Nicht-Metal-Freunde überzeugen kann. Eingängig, aber nicht zu banal, gewinnt die Nummer mit jeder Runde an Durchschlagskraft. In eine ähnliche Kerbe schlägt Reflections und macht einen fetten Doppelstrich unter die perfekte Symbiose aus Hitcombo und räudiger Streetgang.

Fuck cancer! Im brachialen Radiate Me verarbeitet Robin die Krebserkrankung seiner Mutter. Hier bleibt dem Hörer kaum Zeit für eine Verschnaufpause und man merkt dem Shouter zu jeder Sekunde seine Wut und Verzweiflung an. Oblivion befasst sich mit meinem alten „Friend of misery“ namens Mental Health. Das Schwarz und Weiß, das ständige Auf und Ab. Nicht nur durch das Musikvideo verspüre ich starke Nu-Metal-Vibes. Der Sprechgesang und die knallharten Breakdowns untermauern meine These. Die viel zitierte Achterbahn der Emotionen.

Die kurze Elektropop-Einleitung in Cravings täuscht. Nur einmal tief Luft holen und schon gibt es richtig was auf die Mütze. Blastbeats und erbarmungslose Riffs dominieren das Geschehen. Die schwedischen Melodien schmecken hervorragend und fördern erneut hitverdächtige Singalongs zutage. Eine Ballade zum Abschluss wäre so gar nicht nach dem Geschmack meiner lieben Podcast-Kollegin Pia. Doch genau dieser Bruch setzt Transience die Krone auf. Lela singt, leidet und brilliert im Song über einen Wal, der sich für den Tod als Ausweg aus der Gefangenschaft entscheidet. Zum Finale noch eine Träne verdrücken und gleich wieder von vorne beginnen.

Venues – Transience
Fazit
Genau so ein Album habe ich erhofft, da ich bisher noch Kritikpunkte an den Werken dieser Band ausmachen konnte. Mit emotionalen Lyrics, effektvoller musikalischer Untermalung und der Liebe zum Detail erwischen Venues jeden Hörer eiskalt und grüßen von der Spitze des Modern-Metal-Throns.

Anspieltipps: Braille, Unspoken Words und Coming Home
Florian W.
9
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